49
1.2015
FAKTEN:
Vor dem Abstimmungsvorgang hatte der Eigentümer den Antrag auf sofortige
Einsichtnahme in die Originalvollmachten gestellt. Dieser wurde abgelehnt. Daraufhin
beanstandete der anfechtende Eigentümer die Bevollmächtigung eines anderen Eigen-
tümers. Seine Klage war erfolgreich. Der angefochtene Beschluss war für ungültig zu er-
klären, da die Beschlussfassung an einem formellen Fehler litt und nicht auszuschließen
war, dass dieser Fehler kausal war für das Beschlussergebnis. Der klagende Eigentümer
hätte nämlich zu jeder Zeit Einsicht in die Originalvollmachten nehmen dürfen. Dieses
Recht kann nicht durch einen Geschäftsordnungsbeschluss ausgeschlossen werden.
FAZIT:
Eine verweigerte Einsichtnahme in die Vollmachtsurkunden muss nicht zwangs-
läufig zur Ungültigerklärung der auf der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüs-
se führen. Erforderlich ist, dass sich der Beschlussmangel tatsächlich auch ausgewirkt
hat. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Beschlüsse auch ohne Berücksichtigung der
Stimmrechtsvollmachten mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen wären.
ORIGINALVOLLMACHT
Auf Verlangen vorzulegen
Auf Verlangen eines Versammlungs-
teilnehmers muss die Vollmachtsur-
kunde im Original vorgelegt werden.
LG Frankfurt/Main, Urteil v. 05.08.2015, 2-13 S 32/13
FAKTEN:
Ein Eigentümer verließ aus Ärger die Versammlung. Hierdurch war die Ge-
meinschaft nicht mehr beschlussfähig. Der Eigentümer hatte die nach seinemWeggang
gefassten Beschlüsse angefochten. Die beklagten Eigentümer sind der Meinung, der
Eigentümer könne sich nicht auf die Beschlussunfähigkeit berufen, weil er sie selbst
durch sein vorzeitiges Verlassen der Eigentümerversammlung herbeigeführt habe. Die
Klage war dennoch erfolgreich. Dem Argument des Rechtsmissbrauchs konnte sich
das Gericht nicht anschließen. Eine Pflicht, als Eigentümer an einer Eigentümerver-
sammlung teilzunehmen oder dieser bis zum Ende beizuwohnen, ist dem WEG nicht
zu entnehmen. Sie ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen Treuepflicht als Eigentümer.
FAZIT:
Zu berücksichtigen ist vor allem, dass das Verlassen der Versammlung wohl die
einzige effektive Möglichkeit eines Eigentümers ist, sich gegen als rechtswidrig empfun-
dene Beschlüsse zur Geschäftsordnung zu wehren, da eine eigenständige Anfechtbarkeit
von solchen Beschlüssen ausscheidet, weil sie sich mit Beendigung der Eigentümerver-
sammlung selbst erledigen und gegenstandslos werden.
EIGENTÜMERVERSAMMLUNGEN
Keine Pflicht zur Teilnahme
Wohnungseigentümer sind nicht
verpflichtet, an Eigentümerver-
sammlungen teilzunehmen oder
diesen bis zum Ende beizuwohnen.
Verlässt ein Eigentümer vorzeitig
die Versammlung und führt so die
Beschlussunfähigkeit herbei, bleibt es
ihm unbenommen, die nach seinem
Weggang gefassten Beschlüsse wegen
Beschlussunfähigkeit anzufechten.
AG Neumarkt, Urteil v. 20.08.2015, 4 C 5/14 WEG
»
Wohnungseigentumsrecht
– Aktuelle Urteile
FAKTEN:
Die Wohnanlage besteht vorliegend aus drei Wohnungen. Zwei dieser Woh-
nungen gehören einem Ehepaar. Auf der Eigentümerversammlung hatten die Eigen-
tümer auf Grundlage der Bestimmung des § 16 Abs. 3 WEG die Änderung der Kos-
tenverteilung bezüglich der Treppenhausreinigung und der Müllabfuhr beschlossen.
Die Beschlussfassung erfolgte nach dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten
Objektprinzip. Der andere Eigentümer hatte den Beschluss angefochten. Er meinte, die
Beschlussfassung hätte nach dem gesetzlichen Kopfstimmprinzip erfolgen müssen. Die
Klage war jedoch erfolglos. Das nach § 25 Abs. 2 WEG angeordnete Kopfprinzip ist
nämlich durch die Gemeinschaftsordnung wirksam abbedungen worden. Bislang war
umstritten, ob die grundsätzlich mögliche Abdingbarkeit des Kopfprinzips auch im
Sachbereich des § 16 Abs. 3 WEG gilt. Dies hat der BGH nunmehr bejaht.
FAZIT:
Die Entscheidung bringt letzte Rechtssicherheit im Rahmen einer Beschlussfas-
sung nach § 16Abs. 3WEG. Auch bei Kostenverteilungsänderungsbeschlüssen bezüglich
der Betriebs- und Verwaltungskosten ist also das vereinbarte Stimmprinzipmaßgeblich.
KOPFPRINZIP
Immer abdingbar
Das Kopfstimmprinzip nach § 25
Abs. 2 WEG ist auch im Sachbereich
des § 16 Abs. 3 WEG abdingbar.
BGH, Urteil v. 10.07.2015, V ZR 198/14