Immobilienwirtschaft 11/2015 - page 46

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
VERWALTERPRAXIS
der eine solche Versammlung gleichwohl
abhält, grob schuldhaft. Oft begegnet die
Praxis diesem Umstand durch eine Even-
tualeinberufung. Mit der Einberufung zur
Erstversammlung wird für den Fall der
Beschlussunfähigkeit vorsorglich bereits
eine Einladung für eine Versammlung
unmittelbar im Anschluss (30-Minuten-
Regel) terminiert. Dies ist als Verstoß ge-
gen § 25 Abs. 4 WEG zu bewerten und
nur durch Vereinbarung in der Gemein-
schaftsordnung zu regeln. Enthält sie eine
Öffnungsklausel, kann die Eventualeinbe-
rufung imBeschlusswege geregelt werden.
In diesem Fall besteht die elegantere Lö-
sung indessen darin, zu beschließen, dass
jede Eigentümerversammlung, ungeach-
tet der erschienenen oder repräsentierten
Miteigentumsanteile, stets beschlussfähig
sein soll.
NICHTÖFFENTLICHKEITSGRUNDSATZ
Viele
Versammlungen erweisen sich quasi als
Familienfeiern. Ehegatten, Eltern etc. neh-
men teil. Wirkt sich die Teilnahme Dritter
auf das Abstimmungsergebnis kausal aus,
können Beschlüsse erfolgreich angefoch-
ten werden.
In Einzelfällen mag es schützenswerte
Interessen geben (Krankheit, Behinde-
rungen), dass ein Eigentümer einen Be-
gleiter zur Versammlung stellt. Dies ist
unproblematisch. Geschäftsordnungsbe-
schlüsse, die es Dritten erlauben, an der
Versammlung teilzunehmen, sind per se
nicht anfechtbar, die darauf beruhenden
Beschlüsse sind es gleichwohl. Dritte
haben in Einzelfällen die Berechtigung,
teilzunehmen, wenn dies im Kollektivin-
teresse ist. In allen anderen Fällen ist dem
Verwalter zwingend zu raten, Dritte von
der Teilnahme auszuschließen.
SCHRIFTFORMERFORDERNIS: FAX REICHT
NICHT
Häufig regeln Gemeinschafts-
ordnungen, dass eine Vertretung durch
schriftliche Vollmacht nachgewiesen wer-
A
uch bei der Verwaltung von Woh-
nungseigentümergemeinschaften
treten immer wieder Fehler auf, die
nicht auszusterben scheinen. Dem Ver-
walter droht dabei zwar nicht die Höllen-
strafe, dafür in Einzelfällen zu seinen Las-
ten eine gerichtliche Kostenentscheidung
nach § 49 Abs. 2 WEG, was ihm nicht
weniger schlimm erscheinen mag.
DAS KREUZ MIT DER JAHRESABRECHNUNG
Mit Ausnahme der Heizkosten dürfen
auch bei Leistungsbestimmungen einzel-
ner Wohnungseigentümer keine Abgren-
zungspositionen gebildet werden, so die
noch herrschende Auffassung des BGH.
Verstöße gegen das Abgrenzungsverbot
führen zur Unwirksamkeit des Genehmi-
gungsbeschlusses. Ferner ergibt sich das
Abrechnungsergebnis, die so genannte
Abrechnungsspitze, aus der Saldierung
der tatsächlichen Kosten des Sonderei-
gentums mit den Sollvorauszahlungen
aus dem Wirtschaftsplan. Entscheidend
ist daher nicht, ob und in welcher Höhe
ein Eigentümer Vorauszahlungen geleistet
hat. Vorjahressalden haben als perioden-
fremde Positionen in der Abrechnung
nichts zu suchen!
Unausrottbar ist auch die Praxis, bei
einem Eigentümerwechsel quotale Ein-
zelabrechnungen zu erstellen. Vielmehr
ist stets eine Abrechnung zu erstellen.
50+1 BESCHLUSSFÄHIGKEITSARITHMETIK
Vorbehaltlich einer abweichenden Ver-
einbarung in der Gemeinschaftsordnung
legt § 26 Abs. 3WEG in aller Klarheit fest,
dass die Versammlung nur beschlussfähig
ist, wenn mehr als die Hälfte der Mitei-
gentumsanteile anwesend oder vertreten
sind. Häufig wird dessen ungeachtet die
Eigentümerversammlung abgehalten.
Beschlüsse einer nicht beschlussfähigen
Versammlung sind aber auf Anfechtungs-
klage hin unwirksam. Ohne Hinweis auf
diese Konsequenz handelt der Verwalter,
Die sieben Sünden im Wohnungseigentum
Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn,
Völlerei, Neid und Faulheit
gelten nach der klassischen
Theologie als Sünden. Nach
der Lehre der katholischen
Kirche zieht die (schwere)
Sünde den zweiten Tod, die
Höllenstrafe, nach sich, wenn
man ohne vollkommene
Reue und Buße stirbt. Auch
bei Verwaltern werden Sün-
den oft streng bestraft.
Stephan Volpp
ist ausschließ-
lich im privaten
Immobilienrecht
(wie Wohnungs-
eigentumsrecht,
Mietrecht,
Maklerrecht)
tätig. Als Dozent und Referent ist er
bundesweit bei Seminar- und Fort-
bildungsveranstaltungen gefragt.
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