Immobilienwirtschaft 11/2015 - page 38

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
Krisenvorsorge. Deutlich wird das Thema durch eines meiner
Lieblingsnachschlagewerke: das „Handbuch der Baukultur“.
Mit akribischer Genauigkeit sind darin über 2.000 Stiftungen,
Universitäten, Hochschulen, Institute, Akademien, Museen, Ar-
chive, Galerien, Vereine, Initiativen, Verlage, Zeitschriften, In-
ternetdienste, Bund, Länder, Kommunen, Gestaltungsbeiräte,
Kammern, Verbände und Preise vorgestellt, die sich zum Ziel
gesetzt haben, Baukultur in Deutschland zu befördern. Ein rei-
ches, kräftiges, offenes Netzwerk, verwurzelt und verbunden mit
vielen gesellschaftlichen Gruppen. Was kann mehr Zuversicht
vermitteln als dieses riesige gesellschaftliche Bündnis für Bau-
kultur? Aber wo findet sich das auf der Messe wieder?
Beim Abendessen im Keller der Bayernpost verweist Wolf-
gang Tiefensee als thüringischer Wirtschaftsminister wie zur
Bestätigung auf das Jahr 2019: Dann wird das Bauhaus 100 Jahre
alt und die Stifterfiguren der Baukultur groß gefeiert! Trotzdem
sehen für Christoph Gröner die heutigen Häuser kaum anders
aus als das Haus seiner Kindheit. Er fragt zu Recht, womit sich
die Immobilienentwicklung denn in den letzten Jahrzehnten ei-
gentlich beschäftigt hat?
Am Dienstag fragt Nadine Heinrich, Journalistin für das
„BauNetz“: „Wie geht Immobilienmesse, und welche Rolle spielt
hier Baukultur?“ Mmhh, „Wie zufrieden sind Sie mit der Baukul-
tur auf der Expo?“ steht jedenfalls nicht auf demAusstellerzufrie-
denheitsfragebogen derMesse. Hier sind vor allemgroßeHändler
und Entwickler, Netzwerker, Schnelldreher, institutionelle Käufer
D
ie Expo Real 2015 beginnt für mich bereits am Sonntag mit
der Entscheidung, auf dem Oktoberfest keine kurzen Le-
derhosen zu tragen. Eine dunkelblaue Strickjacke mit Reiß-
verschluss muss die Brücke zur nostalgisch bajuvarischen (Ver-)
Kleiderordnung herstellen. „Viii va Co loo nii a!“ Ich komme
nicht rein in den Freudentaumel und werde auf meiner Flucht
vor der Spaßgesellschaft vonmitreißenden Trommlern abgelenkt.
Musiker aus Angola und Sambia spielen vor der Wiesn groß auf
und animieren Touristen in Dirndl und Lederhosen zum ausge-
lassenenMittanzen. So kann das auch gehen, Ankommenskultur.
Am Montag steige ich, wie die meisten, am Morgen bereits
durchschwitzt aus der überhitzten U-Bahn und springe auf das
alljährliche Messekarussell, aus dem ich erst leicht schwindelig
und heiser amMittwoch in den Flieger zurück nach Berlinwechs-
le. Bis dahin folgt ein Gesprächspartner dem anderen. Alle ha-
ben unterschiedliche Themen, widerstreitende Blickwinkel und
eigene Interessen. Sie zusammen zeichnen ein vielstimmiges Bild
vom Zustand einer Branche, in der Baukultur erklärt und Work-
Life-Balance gerechtfertigt werden muss.
In Halle A2 begründet Reiner Nagel, Präsident der Bundes-
stiftung Baukultur, warum die Stiftung überhaupt auf der Mes-
se vertreten ist („Habt ihr das nötig?“). Auf dem Podium stellt
er „Erfolg durch Baukultur in der Immobilienwirtschaft“ zur
Diskussion. Matthias Sauerbruch beginnt bei seiner Definition
von Baukultur bei Vitruvs Firmitas und vergisst auch die Pro-
zesskultur nicht. Achim Nagel spricht von guter Architektur als
Boom und Baukultur
Foto: Dirk Weiß
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