Immobilienwirtschaft 11/2015 - page 30

30
INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
EINZELHANDEL
Ruhrmetropole Essen, ganz zu schweigen
von der Konsum-Boomtown München.
Die bayerische Landeshauptstadt gehört,
was die Attraktivität von Einzelhandels-
objekten betrifft, zu den sieben deutschen
Top-Städten – neben Berlin, Hamburg,
Düsseldorf, Köln, Frankfurt und Stuttgart.
GUTE LAGEN SIND WEITERHIN BELIEBT
Je-
der weiß: Qualität hat ihren Preis. Dies
mögen viele Investoren, die jetzt erst in
Einzelhandelsobjekte der deutschen Top
Sieben einsteigen möchten, beklagen. Be-
standshalter in diesen Städten werden zu-
frieden lächeln, weil sie in den vergange-
nen Jahren praktisch alles richtig gemacht
haben. Nach wie vor erfreuen sich die sehr
guten und guten Lagen in den sieben deut-
schen Top-Städten großer Beliebtheit. Vor
allem internationale Labels wählen diese
als erste Standorte für den Markteintritt.
Besonders stark ist die Nachfrage in der
Flächenkategorie zwischen 100 und 200
Quadratmetern sowie bei Großflächen ab
1.500 Quadratmetern. Die Flächengröße
zwischen 250 und 400 Quadratmetern ist
derzeit weniger nachgefragt.
Was Investoren besonders freut: Ins-
besondere weltweit agierende Labels zei-
gen die Bereitschaft, eher höhere Mieten
zu akzeptieren. ZumAusgleichmachen sie
praktisch keine Abstriche imHinblick auf
Lagequalität und Flächenzuschnitt. Alles
in allem gibt es inzwischen einen Anbie-
termarkt. Denn bis auf wenige großflä-
chige Neuentwicklungen verzeichnen die
Top-Sieben-Städte ein unverändert ge-
ringes Angebot mit nur sehr wenig abso-
lutemFlächenzuwachs. Denn in der Regel
werden wegfallende durch neue Flächen
ersetzt. Überdies ist die Pipeline an Neu-
entwicklungen in den nächsten Jahren nur
eher mäßig gefüllt.
DER MARKT IST ENG UND ANGESPANNT
Da
der Markt in den sieben Top-Städten nach
wie vor eng und angespannt ist, stellt sich
naheliegend die Frage, welche Alterna-
tiven es für Investoren und Nachfrager,
etwa größere Filialisten, gibt und ob die-
se bereit sind, solche auch zu akzeptieren.
Schließlich gibt es Hunderte anderer Städ-
te – große, mittelgroße und auch kleinere
–, die allesamt belebte Einkaufsstraßen
haben. Der Einfachheit halber nennen
wir diese den „großen Rest“ neben den
Top Sieben. Hier konzentrieren sich po-
tenzielleMieter auf nachhaltig funktionie-
rende Städte und dort auf die absoluten
Top-Lagen. Spürbar weniger nachgefragt
sind B-Lagen in B-Städten. Diese sprechen
eher Investoren mit innovativen Ideen an,
die aus ihrem antizyklischen und oft auch
eher preiswerten Engagement auf eine
überdurchschnittliche Rendite zielen.
Andererseits gibt es beim „großen
Rest“ mancherorts durchaus eine Dyna-
mik. Seit Längerem zunehmend im Fokus
sowohl bei Investoren als auch auf der Sei-
te potenziellerMieter stehen die Universi-
tätsstädte zwischen Pinneberg und Passau.
Vorausgesetzt, sie haben ein gutes oder gar
herausragendes Image – Stichwort: „Elite-
Uni“ – sowie eine nachweislich positive
demografische Entwicklung mit stabilen
Fundamentaldaten (Einkommen) und ei-
ner vergleichsweise hohen Kaufkraft nicht
nur vor Ort, sondern auch im weiteren
Einzugsgebiet. Zu nennen sind hier insbe-
sondere Städte wieNürnberg, Regensburg,
Mannheim, Münster, Aachen, Tübingen,
Freiburg und auch Göttingen. Die Schaf-
fung neuen studentischen Wohnraums,
insbesondere durch Projektierung und
Realisierung so genannter Mikro-Ap-
partements, und der daraus resultierende
Zuzug von Studierenden und auch quali-
fiziertem Lehrpersonal mündet an diesen
Standorten zwangsläufig in eine weiter
wachsende Kaufkraft. Die insbesondere
bei der jüngeren Generation durchweg
zu beobachtende vergleichsweise hohe
Konsumneigung lässt dortige Investments
in Einzelhandelsimmobilien auch mittel-
und längerfristig als attraktiv erscheinen.
Eher düster, zumindest aus heutiger
Sicht, sind die Perspektiven in Städten und
Regionen, die etwa den Wandel von alter
zu neuer Industrie noch nicht gemeistert
haben, die einen nachweislich spürbaren
Bevölkerungswegzug verzeichnen, woran
sich mangels ausreichender Arbeitsplätze
auch künftig nichts ändern dürfte, und in
denen der Einzelhandel eine riesige ausge-
lagerte Einkaufs-Konkurrenz durch Shop-
pingcenter hat, Beispiel: das Centro in
Oberhausen. Das bedeutet: Investitionen
in Einzelhandelsobjekte im gesamten
Ruhrgebiet sollten eher sorgfältig geprüft
und abgewogen werden. Vergleichbares
gilt für andere Regionen und Standorte
mit eher negativer demografischer Ent-
wicklung und vergleichsweise hoher Ar-
beitslosigkeit, die die Kaufkraft dämpft.
Die Analysten von vdp-Research er-
warten, dass sich Einzelhändler zuneh-
mend aus weniger begehrten und frequen-
tierten Einkaufslagen, den so genannten
Neben- und Streulagen, zurückziehen
werden. Keine gute Nachricht für Inves-
toren, weil eine Nachvermietung dieser
Flächen oft problematisch sein dürfte.
Überdies gewinnt der Internethandel
weiter an Bedeutung. Marktbeobachter
sagen voraus, dass E-Commerce bereits im
Jahr 2020 zwischen 15 und 20 Prozent des
Einzelhandelsumsatzes abdecken wird.
Dennoch hält der Immobilienfinanzie-
rer Deutsche Hypo Einzelhandelsobjekte
nach wie vor für eine der „bedeutendsten
Asset-Klassen“, weil sich der Einzelhan-
delsmarkt insgesamt in einer „sehr guten
Verfassung“ befindet. Traditionelle Ein-
zelhändler nähmen den Wettbewerb mit
dem Online-Handel auf und behaupteten
sich insbesondere durch ausgeklügelte
Multi-Channel-Strategien.
«
Dr. Andreas Klubert, Geschäftsführender Gesell-
schafter Realkon Immobilien GmbH, München
Mit einem Plus von glatten
3,0 Prozent war der Preisanstieg
bei Einzelhandelsimmobilien
zuletzt erfreulich stabil.
3
,
0
%
1...,20,21,22,23,24,25,26,27,28,29 31,32,33,34,35,36,37,38,39,40,...84
Powered by FlippingBook