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MARKT & POLITIK
I
VERBANDSINFORMATIONEN
Herr Vermeulen, worum geht es beim
Zukunftsreport der RICS?
Es geht um die
Themen Krieg der Talente, Ethik, nach-
haltige Städte, Leadership, Infrastruktur
undDigitalisierung. Mir selbst geht es sehr
stark um Ethik.
Warum das?
Ethik ist der Kern all dessen,
was wir tun. Das ist unser USP. Es gibt sehr
viele verschiedene Levels, die mit Ethik zu
tun haben. Wichtig ist die Ebene der Auf-
sichtsräte eines Unternehmens. Hier gibt
es individuelle ethische Einschätzungen
und kollektive. Volkswagen ist ein gutes
Beispiel.
Das Thema ist nach wie vor nicht sehr
sexy.
Aber das entbindet mich doch nicht
davon, darüber zu reden. Im Gegenteil:
Ich muss immer wieder versuchen, es bis
in die Köpfe der Zuhörer zu bringen. Das
ist noch einmal wichtiger vor dem Hin-
tergrund, dass Menschen sehr vergesslich
sind. Viele haben längst die Auswirkungen
der großen Wirtschaftskrise vergessen.
Man sieht jetzt schon, dass die Menschen
keine Due Diligence mehr machen. Wa-
rumnicht? In neun von zehn Fällen arbei-
ten dieMenschen nicht mit ihremeigenen
Geld, sondernmit demvonAnlegern. Das
Einzige, was bei vielen zählt, ist ihr Bonus
am Ende des Jahres.
Stimmt der Eindruck, dass viele Per-
sonen in der Wirtschaft in die eigene
Foto: RICS
Wie funktioniert Ethik?
RICS
Die aktuellen Mel-
dungen über VW, FIFA und
DFB zeigen: Ethisches Han-
deln ist die Basis von allem.
Aber viele Branchenplayer
handeln eher pragmatisch
als prinzipientreu. In einem
Modul und in Kursen versucht
die RICS zu vermitteln, wie
es sich anfühlt, Grenzen zu
überschreiten. Ein Interview
mit Maarten Vermeulen, Re-
gional Managing Director for
Europe, Russia & CIS FRICS.
Tasche wirtschaften?
Ich würde sagen,
circa 80 Prozent der Menschen sind we-
der gut noch schlecht. Sie handeln so, wie
es die Situation erfordert. Deshalb gibt es
aber auch viele gute Leute, die schlechtes
Verhalten an den Tag legen.
Wie gehen Sie mit dem Argument um,
dass, wenn ich einen dubiosen Job
selbst nicht erledige, es ein anderer tut?
Das ist ein Totschlagargument. Man muss
lernen, hier sehr nahe an seinen ethischen
Gefühlen zu sein. Sobald man über Inte-
grität auf Unternehmensebene spricht,
kommen aber auch andere Elemente mit
hinein, etwa der Druck der Peergroup.
Wenn man seinen eigenen ethischen
Maßstäben nachgibt, wird es manchmal
wehtun, auch in der Brieftasche. Aber man
bekommt gesellschaftlich etwas zurück.
Sind ethische Vorstellungen unver-
änderbar?
Nein, sie verändern sich tat-
sächlich von Jahr zu Jahr. Man muss aus
diesem Grund sehr stark miteinander im
Gespräch bleiben. Auch die junge Gene-
ration denkt völlig anders über ethische
Fragestellungen, als wir das getan haben.
Vor 20 Jahren managte ich ein riesiges
Shoppingcenter-Portfolio. Jedes Jahr
zu Weihnachten erhielt ich über 60 Ge-
schenkpakete, voller Wein und anderer
Dinge. Das war damals völlig inOrdnung.
Heute ist klar, dass ich über alles, was ich
erhalte, Buch führe und bestimmte Dinge
gleich zurückschicke.
Wie sind die kulturellen Unterschiede
zwischen den verschiedenen Ländern?
Groß. Dabei gibt es kein „richtig“ oder
„falsch“, es ist nur unterschiedlich. Ich war
vorKurzeminAthenundinMoskau.Interes-
sant, wie verschieden der Blick auf ethische
Fragestellungen dort ist. Wichtig ist, in der
Vielfalt eine Einheitlichkeit hinzubekom-
men. Man kann natürlich nicht die Men-
talität, die Kultur, die Sprache ignorieren.
„Die Menschen sind sehr
vergesslich. Man sieht
jetzt schon wieder, dass
viele keine Due Dili-
gence mehr machen.“