Immobilienwirtschaft 11/2015 - page 19

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vom Aussterben bedroht sind?
Im Mo-
ment überhitzen sie dieWohnungsmärkte
in den Gebieten, in denen sowieso schon
genügend Menschen wohnen, in den Me-
tropolen. Aber der Staat kann nun begin-
nen, seiner Daseinsvorsorge gerecht zu
werden, und anfangen zu steuern.
Sehen Sie Flüchtlinge auf dem platten
Land?
Nein, eher in Stadtvierteln, die sie
sogar beflügeln könnten. Hier müssten
jetzt richtige Strategien entwickelt werden.
Werden die staatlichen Institutionen
dieser Aufgabe gerecht?
Sie haben sich
langemit der ersten Stufe, der Erstaufnah-
me, beschäftigt. Inzwischen geht es auch
um die zweite Stufe, die davon ausgeht,
dass die Flüchtlinge langfristig hier woh-
nen müssen. Der ZIA ist quasi schon bei
der dritten Stufe, demMarshall-Plan. Die
Flüchtlingemüssten in Bereiche kommen,
in denen keine Wohnungsnot herrscht …
In Hamburg hat man ein Gesetz verab-
schiedet, das die Beschlagnahme von
Raum regelt …
Beschlagnahmen halte
ich für einen Riesenfehler. Das scheint
ein aus einer bestimmten Ecke kommen-
des gewolltes politisches Zeichen zu sein.
Warum muss man wie in Hamburg das
Thema Beschlagnahme per Gesetz rea-
lisieren, wo es genauso mit Polizeirecht
gegangen wäre?
Gesetze haben eine andere Legitimität
Natürlich, aber das Gesetz steht nicht
mit der Umsetzung in der Realität imEin-
klang. Das Gesetz spricht allgemein von
Immobilien, und der Hamburger Bür-
germeister erklärt, dass aber keine Woh-
nungen beschlagnahmt werden? Dann
kann ja nur Gewerberaum gemeint sein.
Spätestens hier riecht es nach Politik und
nicht nachDaseinsvorsorge. Das ist Popu-
lismus, der dieMenschen zunehmend ver-
schreckt. Keiner scheint ja zu versuchen,
mit demEigentümer der Immobilie einen
Vertrag zu schließen.
In der Position gegen Beschlagnahme
scheinen alle Immobilienverbände ei-
nig zu sein …
Ja, auch die BID hat ein
klares Bekenntnis abgelegt. Auch sie
wendet sich gegen eine politisch moti-
vierte Beschlagnahme von Immobilien.
Sie spricht sich für eine vertragliche, kon-
sensuale Lösung mit den Eigentümern
aus. Das bezieht sich ausdrücklich auch
auf Gewerbeimmobilien. Ich finde es gut,
dass sich die bekannten Wohnungsver-
bände hier mit uns solidarisieren.
Brauchen wir nicht auch wieder eine
größere Wohnraumförderung?
Ohne
dass der Finanzminister seine Kasse öff-
net, wird es nicht gehen. In diesem Zu-
sammenhang gibt es eine krasse Zahl: Der
Anteil der Mittel am Bundeshaushalt von
1954 für die Förderprogramme in diesem
Zusammenhang betrug 17,8 Prozent. Der
Anteil der Mittel heute beträgt 0,04 (!)
Prozent. Wenn wieder aufgestockt würde,
wären wir vielleicht bei 1,0 Prozent. Selbst
mit der Eigenheimzulage waren es im Jahr
2004 nur 1,1 Prozent.
Im letzten Jahr haben wir über die
Schnittstellen des ZIAmit anderen Bran-
chen gesprochen. Gibt es etwa mit dem
Bereich Gesundheitspolitik inzwischen
eine Allianz?
Ja, der ZIA ist Teil davon
und als solcher auch gehört worden. Wir
wissen es doch alle: Es ist günstiger, al-
ternde Menschen im Quartier zu lassen,
anstatt sie in Seniorenheime zu verbrin-
gen. Bislang wurde bei der ambulanten
Pflege zuhause aber nur der halbe Satz
gezahlt. Jetzt gab es eine Novelle des Pfle-
gegesetzes, und die Sätze für stationäre
und ambulante Betreuung gleichen sich
inzwischen sehr stark an.
Foto: ZIA
ZUR PERSON
Dr. Andreas Mattner
ist seit 1993 Geschäftsführer der ECE Projektmanagement
G.m.b.H. & Co. KG, Hamburg, sowie diverser Konzerngesellschaften in Hamburg und Frankfurt.
Der Jurist ist unter anderem ferner Präsidiumsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilien-
wirtschaft Deutschland, Berlin, Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Lebendige Stadt“, Präsident
der Hamburg Freezers. Als ZIA-Präsident fungiert er seit Juni 2009.
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Dirk Labusch, Freiburg
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