Immobilienwirtschaft 11/2015 - page 9

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1.2015
Dr. Irene Wiese-von Ofen ist Ehrenpräsiden-
tin des Deuschen Verbands für Wohnungs-
wesen, Städtebau und Raumordnung e.V.
Dr. Irene Wiese-von Ofen, Essen
Foto: Deutscher Verband
Zuwanderung: Die Weichen
müssen jetzt gestellt werden
D
ie derzeitige Flüchtlingszuwanderung nach Deutschland sorgt jeden Tag für neue
Schlagzeilen. Aktuell werden für Erstunterbringung und Versorgung enorme An-
strengungen unternommen. Bald müssen jedoch für die bleibenden Flüchtlinge
andere Fragen in den Vordergrund rücken: Wie können wir die vielen Menschen mit
unterschiedlichemkulturellemHintergrund in die Gesellschaft integrieren? Dies betrifft
alle ausländischen Zuwanderer, deren Zahl seit 2010 kontinuierlich steigt und bis letztes
Jahr mehrheitlich durch EU-Ausländer geprägt war. Angesichts der aktuellen Stärke
und der sehr unterschiedlichen Herkunftsländer hat die Zuwanderung heute eine völlig
neue Dimension. Damit muss sich die Gesellschaft jetzt auseinandersetzen. Wir müssen
dafür mit den Zuwanderern ins Gespräch kommen, um ihnen unser Leben, unseren
Wertekanon und unser Rechtssystemzu erklären. Denn erst wenn diese die Unterschiede
begreifen und wenn wir wiederum die Unterschiede in ihrem Leben begreifen, können
wir miteinander auskommen. Das ist mehr, als nur die deutsche Sprache zu lernen.
AKTIVE INTEGRATION
Dazu benötigenwir in städtischenQuartierenmit besonders hoher
Zuwanderung ein aktives und vernetztes Integrationsmanagement. Integrationslotsen
sollten dauerhaft bleibende Zuwanderer bei der Eingliederung in ihr neues Lebensum-
feld begleiten, Sprachkurse, Kinderbetreuung, Schulstrukturen, Jugendarbeit, Ausbil-
dungsmöglichkeiten und den Zugang zumArbeitsmarkt vermitteln. Dabei müssen auch
Anforderungen an die Zuwanderer selbst gestellt werden, damit sie zentrale Gepflogen-
heiten und Rechtsgrundlagen anerkennen, nach denen das Zusammenleben imQuartier,
in der unmittelbaren Nachbarschaft oder in Mehrfamilienhäusern funktioniert. In den
Stadtteilenmüssen vernetzte Strukturen die vielfältigenAktivitäten organisieren. Ebenso
müssen die Anwohner in die Integrationsprozesse direkt einbezogen werden.
Darüber hinaus ist entscheidend, schnell zusätzlichen „normalen“ Wohnraum zu
schaffen, damit dieMenschen ihre Privatsphäre zurückgewinnen und wirklich „ankom-
men“ können. Da die meisten Migranten auf der Suche nach Arbeit und Familienan-
schluss vorrangig in die städtischen Wachstumsräume ziehen, wo Wohnraum bereits
heute knapp und teuer ist, muss dort dringendmehr bezahlbarerWohnraum geschaffen
werden. Die Verdopplung der Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung ist
ein erstes richtiges Signal. Angesichts des akuten Flüchtlingsstroms sind aber weitere
Investitionszuschüsse durch den Bund notwendig, umden Bau vonmindestens 100.000
zusätzlichen Wohnungen im preiswerten Segment zu fördern. Ergänzend sollten durch
eine Wiedereinführung des § 7 k EStG erhöhte steuerliche Abschreibungen den Bau
preiswerter Wohnungen anregen. Zur Entspannung der städtischen Wohnungsmärkte
darf aber nicht nur für Flüchtlinge oder Empfänger von Sozialleistungen gebaut werden,
sondern für breite Bevölkerungsschichten.
Um die Integration der Zuwanderer erfolgreich zu bewältigen, müssen Sozial-, Be-
schäftigungs-, Bildungs-,Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik vonAnfang anHand
in Hand arbeiten. Die generelle Zielsetzung aller Aktivitäten muss es sein, die Zuwan-
derung als eine dauerhafte Aufgabe anzuerkennen, die strukturiert, finanziert und – im
besten Sinne in Richtung guter Routine – zu lösen ist. Hierfür ist dringend eine vertiefte
fachwissenschaftliche und politische Auseinandersetzung mit den stadtentwicklungs-
und wohnungspolitischen Herausforderungen von Integration notwendig. Dazu regt
der Deutsche Verband an, eine Fachkommission oder Arbeitsgruppe einzurichten.
Deutscher Verband
Zuwanderung muss als
Daueraufgabe von Stadtent-
wicklung und Wohnungspo-
litik aufgegriffen, strukturiert
und finanziert werden.
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