DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2019 - page 53

Umstrukturierung und Verkauf
von Sozialwohnungen
Das Ziel des neuenWohnungsbaugesetzes ist klar:
mehr, besser und billiger bauen. Der Wille, den
Wohnungsbau zu flexibilisieren, indem man sich
von bestimmten Vorgaben löst, die die Schaffung
vonWohnraumbehindern, ist von Vorteil. Sowohl
die sozial orientiertenWohnungsunternehmen als
auch die privaten Anbieter können dabei gewinnen.
Das Gesetz geht aber weit darüber hinaus, denn
es verändert den sozialenWohnungsbau in seinem
operativen Geschäft erheblich, indemes bis 2021
eine Mindestgrenze von 12.000 Wohneinheiten
pro Organisation vorschreibt. In Frankreich, dem
Land der mehr als 400 Käsesorten und 36.000
Gemeinden, ist die Zersplitterung der territorialen
Kompetenzen in der Tat noch tief verwurzelt. Es
ist daher an der Zeit für eine Umstrukturierung
des sozialenWohnungswesens durch Zusammen-
schlüsse, Fusionen und Übernahmen. Zu diesem
Zweck wurde eine neue Gesellschaftsform ge-
schaffen, die sog. Société Anonyme de Coordina-
tion (SAC). Ihr Zweck ist es, Zusammenschlüsse,
die Bündelung von Ressourcen und den Umlauf
der Finanzströme zwischen den Wohnungsbau-
gesellschaften zu fördern.
Angesichts der angestrebten Zusammenlegung
von Gemeinden erscheint es logisch, dass die
Regierung dasselbe mit den in diesen Gebieten
vertretenen Akteuren des sozialenWohnungsbaus
tut. Diese Angleichung der Organisationsformen
wird dazu führen, dass in großen Ballungsräumen
große soziale Akteure agieren.
Diese Umstrukturierung geht außerdem mit dem
starken Anreiz einher, den Verkauf von Sozialwoh-
nungen anMieter zu fördern. Man geht davon aus,
dass die Mehrheit der Franzosen danach strebt,
Wohneigentümer zu werden, und dass eine ver-
kaufte Immobilie die Finanzierung von, je nach
Region, zwei bis vier neuen ermöglicht. Ziel ist es,
von derzeit 8.000 Verkäufen auf 40.000 verkaufte
Wohneinheiten pro Jahr zu wachsen.
Derzeit kann nur ein Mieter einer Sozialwohnung
eine Sozialwohnung kaufen. Das Gesetz er-
Sozialer Wohnraum verbirgt sich in Paris nicht nur hinter modernen Neubaufassaden
Während Deutschland noch immer als Mieterland gilt, stellen in Frankreich Wohnraumeigentü-
mer mit 58% eine leichte Mehrheit dar. Bei einer Bevölkerung von etwa 82 Mio. Einwohnern in
Deutschland und 67 Mio. Einwohnern in Frankreich ergibt sich für den sozialen Mietwohnungs-
bestand eine nicht unerhebliche Differenz zwischen den beiden Nachbarländern: In Deutsch-
land entfallen 5% des Wohnungsbestandes auf Sozialwohnungen; in Frankreich sind es 18%.
Dabei ist der Bestand an Sozialwohnungen in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ge-
schrumpft: Von 2,75 Mio. im Jahr 2002 auf 1,39 Mio. im Jahr 2015. Im Gegensatz dazu stieg
er in den letzten 30 Jahren in Frankreich dauerhaft um mehr als 110.000 Einheiten pro Jahr
an. Gemeinsam ist beiden Ländern, dass Metropolen und Städte zunehmend mit einem Mangel
an bezahlbarem Wohnraum zu kämpfen haben.
DEUTSCHLAND UND FRANKREICH IM VERGLEICH
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