DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 1/2019 - page 60

MARKT UND MANAGEMENT
Herr Kulpanek, Sie haben sich Anfang 2018
intensiv mit dem Thema der bAV in Ihrem
Unternehmen beschäftigt. Was war der
Anlass für dieses Projekt?
Seit dem 1. Januar 2018 gibt es mal wieder ein
neues Gesetz – das Betriebsrentenstärkungsgesetz
(BRSG). Nachdem sich aus Sicht der Politik die Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer offensichtlich nicht
mit der gewünschten Ernsthaftigkeit dem Thema
Betriebsrenten gewidmet haben, findet nun eine
Zwangsbeglückung statt. Das Ganze geht mit jeder
Menge Pflichten für den Arbeitgeber einher – In-
formationspflichten, Dokumentationspflichten,
Zuzahlungspflichten. Auch der Mitarbeiter wird in
die Pflicht genommen: Er muss nach regelmäßiger
Pflichtinformation explizit möglichst schriftlich
bestätigen, dass z.B. keine Betriebsrente gewollt
ist.
Das klingt nach einer neuen komplexen Auf-
gabe für Arbeitgeber. Gibt es auch positive
Aspekte aus dem BRSG?
Die neuen Rahmenbedingungen der bAV als zu-
sätzliche Säule der Altersversorgung sind durch-
aus vernünftig. Bis zu 8% der Beitragsbemes-
sungsgrenze (derzeit 520 €/Monat) kann jeder
Mitarbeiter in eine betriebliche Altersversorgung
zukünftig einzahlen – steuerfrei. Für die ersten
4% sogar von Sozialabgaben befreit. Und der Ar-
beitgeber muss für diese ersten 4% die ersparten
Arbeitgeberanteile der Sozialversicherungsbei-
träge (im Gesetz pauschal mit 15% festgelegt)
als Zuschuss in den Vertrag einzahlen – der Arbeit-
geberzuschuss darf natürlich auch höher liegen.
Wie ist die BG Esslingen in der Vergangenheit
mit dem Thema bAV umgegangen?
Wir haben seit Jahren ein selbst erdachtes System
der betrieblichen Altersversorgung imEinsatz. So
haben wir die ersparten Arbeitgeberanteile pau-
schaliert schon immer freiwillig als Zuschuss in
den bAV-Vertrag der einzelnen Mitarbeiter ein-
gezahlt. In unregelmäßigen Abständen haben
wir die Mitarbeiter informiert. Die Produktbe-
ratung hat dann eine Versicherungsgesellschaft
bei den Mitarbeitern vorgenommen. Der ein oder
andere hat anschließend für sich einen Vertrag
abgeschlossen. Dokumentiert haben wir alles in
Ablageordnern.
Vor dem Hintergrund der Anforderungen an Do-
kumentationen, Informationen, Vertragsflexibi-
litäten usw. wurde uns schnell klar, dass wir mit
unserem bisherigen Vorgehen das Ganze nicht
in der Qualität leisten werden können, die unser
Anspruch ist. Also haben wir uns auf die Suche
nach etwas bzw. jemanden gemacht, der uns die
Qualität, Rechtssicherheit und Effizienz in der Be-
arbeitung liefert. In einemGesprächmit unserem
Versicherungsmakler über das Thema haben wir
eine Überraschung erlebt, weil für uns neu war,
dass die Wohnungs- und Immobilienbranche seit
2001 ein eigenes Versorgungswerk hat.
Sie haben dann das Thema bAV neu für Ihr
Unternehmen konzipiert. Warum?
Aus geschäftspolitischer Sicht ist uns wichtig,
dass die Beratung der Mitarbeiter und nicht der
Vertragsabschluss im Vordergrund steht. Auch
wollten wir, dass bestehende Versorgungsverträ-
ge bestehen bleiben können und nicht zwingend
Neuabschlüsse in demVersorgungswerk notwen-
dig werden. Beide Anforderungen wurden bei der
Einführung gewährleistet.
In Gesprächen mit dem regionalen Berater des
Versicherungsmaklers habenwir intensiv die Vor-
und Nachteile unseres bisherigen Systems vor dem
Hintergrund der Neuerungen und Anforderungen
des BRSG bewertet. Anschließend legten wir den
Projektfahrplan zur Einführung des Branchenver-
sorgungswerkes Rente21 fest:
1. Erarbeitung und Verabschiedung einer neuen
Versorgungsordnung
2. Installation des bAV-Portals und Import not-
wendiger Daten
3. Informationsveranstaltung für alleMitarbeiter
(Pflichtveranstaltung!)
4. Einzelgesprächstermine mit jedem einzelnen
Mitarbeiter
5. Übernahme und Anpassen der bestehenden
bAV-Verträge
Die Unterstützung durch die umsetzenden Versi-
cherungsmakler E&P und Dr. Klein waren hierbei
sehr weitgehend, sodass sich unser eigener Auf-
wand in engen Grenzen hielt.
Welches Fazit ziehen Sie nach der Einführung
des Versorgungswerkes?
Aus Sicht des Unternehmens haben wir nunmehr
ein rechtssicheres und in sich schlüssiges System
aus Versorgungsordnung, Informationen und
Dokumentationen. Die Nutzung des elektroni-
schen Arbeitgeberportals schafft die Möglichkeit
einer effizienten Bearbeitung im Tagesgeschäft
– auch arbeitsteilig zwischen BGE und unserem
Versicherungsmakler. Durch die Einführung des
Branchenversorgungswerkes Rente21 haben wir
unser bestehendes bAV-System digitalisiert und
auf „bAV 4.0“ umstellen können undmit Hilfe des
bAV-Portals ePension nun ein papierfreies bAV-
Management.
Die hohe Anzahl von Einzelgesprächen mit den
Mitarbeitern und die hieraus resultierenden
Vertragsanpassungen bzw. Neuverträge haben
gezeigt, wie hoch der Beratungs- und Informa-
tionsbedarf offensichtlich war – trotz all unserer
Bemühungen in der Vergangenheit.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Olaf Berger.
Interview mit Oliver Kulpanek
„Stell Dir vor, es gibt was Gutes
und keiner weiß es…“
Eher durch Zufall wurde die Baugenossenschaft Esslingen eG (BGE) darauf
aufmerksam, dass es mittlerweile seit mehr als 17 Jahren ein spezielles
Branchenversorgungswerk der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft gibt.
Die Genossenschaft hat daraufhin ihre bAV völlig neu aufgestellt. Der
BGE-Vorstand erklärt, wie.
Quelle: BGE
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