DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 8/2017 - page 54

MARKT UND MANAGEMENT
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8|2017
Überbaurechte
Notlösung – oder Möglichkeit zur kreativen
Grundstücksbebauung?
Bei der Entwicklung größerer Quartiere sind häufig mehrere Grundstückseigentümer betroffen, darunter
teils auch Wohnungsunternehmen. Nicht immer lassen sie sich problemlos unter einen Hut bringen. Über-
baurechte können dabei eine Lösung sein. Welche Möglichkeiten sind denkbar und was ist zu beachten?
Die Rechtsfolgen einer unbeabsichtigten Über-
bauung von Grundstücken sind im Bürgerlichen
Gesetzbuch (§ 912 BGB) festgelegt. Sie sollen
verhindern, dass ein Gebäude, das versehentlich
und geringfügig auf das Nachbargrundstück ragt,
abgerissenwerdenmuss. Der Betroffenemuss den
Überbau gegen Zahlung einer Rente dulden oder
kann den Nachbarn auffordern, die Fläche abzu-
kaufen (§ 915 BGB). Lediglich bei massiven oder
absichtlichen Überschreitungen kann der Bauherr
verpflichtet werden, sein Bauwerk abzureißen.
Proaktiver Einsatz von Überbauregeln
Mittlerweile werden Überbauregeln auch proaktiv
bei komplexen Baumaßnahmen oder verfahrenen
Kaufvertragsverhandlungen eingesetzt. Dabei
wird aus verschiedenen Gründen im Vorhinein
auf Überbaumöglichkeiten gesetzt. Eine klare
Vereinbarung zwischen den betroffenen Grund-
stückseigentümern ist unerlässlich, eine Grund-
buchabsicherung zu empfehlen.
Das Modell funktioniert folgendermaßen: Beim
Überbau wechselt das Grundstücksteil des Nach-
barn, das bebaut werden soll, nicht den Eigentü-
mer. Der Nachbar erlaubt lediglich die Überbau-
ung, also dass ein Gebäude oder eine Tiefgarage
in sein Grundstück ragt. Als Gegenleistung kann
der Investor dem Betroffenen eine Überbaurente
bezahlen. Alternativ ist auch eine Einmalzahlung
denkbar bzw. die Übertragung von Nutzungsrech-
ten – so geschehen bei einem Entwickler, der ein
Einkaufszentrumund ein Hotel bauenwollte. Weil
sein Grundstück umringt war von bebauten Flä-
chen anderer Eigentümer, traf er bei der Schaffung
der notwendigen Tiefgaragenstellplätze mit die-
sen eine Überbauvereinbarung. Diese sah vor, dass
die Garageneinfahrt ein Grundstück unterquerte
und Stellplätze in die Nachbarflächen ragten. Im
Gegenzug wurde den Anrainern eine bestimmte
Anzahl an Pkw-Stellflächen als Ersatz für eine
Rente zur Verfügung gestellt.
Neben baupraktischen gibt es hin und wieder
eher psychologische Gründe, die eine Überbau-
regel sinnvoll erscheinen lassen. Häufig wollen
Eigentümer ihre Flurstücke nicht an Bauherren
verkaufen, weil sie als Erbengemeinschaft uneins
sind oder auf steigende Grundstückspreise speku-
lieren. Dann dienen Überbauregeln als Hilfsmittel.
Denn im deutschen Recht gibt es im Grundsatz
nur einen Eigentümer des Grundstücks, keinen
separaten amGebäude. Bekanntlich bestimmt der
Untergrund das Eigentum am Baukörper.
Das Überbau-Bauwerk gehört hingegen rechtlich
zu einem Stammgrundstück, erstreckt sich aber
über eines oder mehrere Nachbargrundstücke.
Bei Überbauten, egal ob bei existierenden oder
geplanten, sollte ein solches Stammgrundstück
definiert werden. Dessen Eigentümer wird i. d. R.
vertraglich verpflichtet, die Instandhaltung seines
Bauwerks zu übernehmen und die Kosten für die
vertraglichen Regelungen zu tragen.
Viele unwissentliche Überbauungen werden
erst bei Veräußerungen bemerkt
Nicht selten werden solche Bauten wie in das
Nachbargrundstück ragende Keller- oder Tief-
garagenflächen oder nachträglich an die Fassade
angebrachte Lüftungsschächte erst bei bevor-
RA Marius Bergermann
Hauck-Schuchardt
Frankfurt a. M.
Quelle: Sigur/shutterstock.com
Anstelle des Bauens auf der „grünen Wiese“ tritt zunehmend
die Nachverdichtung innerstädtischer Quartiere. Es lohnt, sich
rechtzeitig zum Thema Überbaurechte zu informieren
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