DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 8/2017 - page 64

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RECHT
zustande gekommenen Haustürvertrag möglichst folgenlos wieder zu
lösen, würde vielmehr bei einer Anknüpfung an die im widerrufenen
Vertrag getroffene Entgeltregelung für die Bemessung eines Wertersat-
zes grundlegend verfehlt. Eine zur Anhebung der Grundmiete führende
Modernisierungsmieterhöhung hätte zu ihrer Wirksamkeit vorausgesetzt,
dass die Vermieter ein ihnen dahingehend gemäß § 559 Abs. 1 BGB a. F.
zukommendes Gestaltungsrecht nach Maßgabe des § 559b Abs. 1 BGB
a. F. ausgeübt, also die Mieterhöhung dem Kläger in Textform erklärt
und in der Erklärung die Erhöhung aufgrund der entstandenen Kosten
berechnet sowie entsprechend den Voraussetzungen des § 559 BGB a. F.
erläutert hätten. Ohne eine diesen Anforderungen genügende Mieterhö-
hungserklärung hat eine wirksame Mieterhöhung dagegen nicht eintreten
können und hat der Mieter mithin auch keine erhöhte Miete geschuldet.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 562, 1006
Vermieterpfandrecht und
Eigentumsvermutung
Dem Vermieter kommt zur Verteidigung seines Vermieterpfand­
rechts gegenüber Dritten die für seinen Mieter nach § 1006 BGB
streitende Eigentumsvermutung zugute.
BGH, Urteil vom 3.3.2017, V ZR 268/15
Bedeutung für die Praxis
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich
auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB nicht nur der durch die
Vermutung begünstigte Besitzer selbst, sondern – im Verhältnis zu
Dritten – jeder berufen, der sein Recht von dem Besitzer ableitet. Auf
dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof die zugunsten des Besit-
zers streitende Eigentumsvermutung nach § 1006 BGB etwa auf einen
Pfändungsgläubiger und auf den Gläubiger eines landwirtschaftlichen
Inventarpfandrechts angewandt, die ihre Pfandrechte gegenüber
Dritten verteidigen wollten. Die Anwendung der zugunsten des Mie-
ters streitenden Eigentumsvermutung ist aus den gleichen Gründen
sachgerecht wie die Anwendung dieser Vermutung auf den Gläubi-
ger eines Inventarpfandrechts. Beide Pfandrechte entstehen nur an
Sachen, die dem Mieter oder Pächter gehören. Ob das der Fall ist,
kann der Vermieter ebenso wenig beurteilen wie der Inventarpfand-
gläubiger, weil beide Pfandrechte besitzlos sind. In Ansehung ihrer
Pfandrechte befinden sich deshalb sowohl der Vermieter als auch der
Inventarpfandgläubiger in einer ähnlichen Lage wie der Hypotheken-
gläubiger hinsichtlich des mithaftenden Grundstückszubehörs. Auch
das Zubehör haftet für die Hypothek nur, wenn es dem Grundstücksei-
gentümer gehört. Unerheblich für die Anwendbarkeit des § 1006 BGB
ist der Umstand, dass das Inventarpfandrecht eine rechtsgeschäftli-
che Bestellung voraussetzt, während das Vermieterpfandrecht kraft
Gesetzes entsteht. Entscheidend ist, dass die Pfandrechtsinhaber in
beiden Fällen ihre Rechtsposition von dem Besitzer – dem Päch-
ter bzw. Mieter – ableiten. Die Vermutung des § 1006 BGB ist eine
gesetzliche Vermutung. Es genügt nach § 292 Satz 1 ZPO nicht, sie zu
entkräften. Sie muss vielmehr durch Beweis des Gegenteils widerlegt
werden.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 540, 543, 553, 573
Aufnahme der Lebensgefährtin als
Kündigungsgrund
Bei einem langjährig unbeanstandet geführten Wohnraummietver­
hältnis ist der Vermieter weder zum Ausspruch einer außerordentli­
chen noch einer ordentlichen Kündigung berechtigt, wenn der Mieter
seine Lebensgefährtin in die Mietsache aufnimmt, ohne zuvor beim
Vermieter um die Genehmigung der teilweisen (Dritt-)Überlassung
nachgesucht oder die Aufnahme angezeigt zu haben.
LG Berlin, Beschluss vom 16.5.2017, 67 S 119/17
Bedeutung für die Praxis
Während eine außerordentliche Kündigung nach den §§ 543 Abs. 1, Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 BGB eine mit der Gebrauchsüberlassung einhergehende Verlet-
zung der Rechte des Vermieters „in erheblichem Maße” verlangt, kann der
Vermieter eine verhaltensbedingte Kündigung des Mieters gemäß § 573
Abs. 2 Nr. 1 BGB nur dann erfolgreich aussprechen, wenn die schuldhafte
Pflichtverletzung „nicht unerheblich” ist. Im Falle einer unbefugten Ge-
brauchsüberlassung ist für die Frage, ob die schuldhafte Pflichtverletzung
des Mieters hinreichend erheblich ist, sowohl für die Wirksamkeit einer
darauf gestützten außerordentlichen als auch für die einer ordentlichen
Kündigung – nicht anders als bei sonstigen verhaltensbedingten Kündigun-
gen auch – im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung auf sämtliche
Umstände des Einzelfalls abzustellen.
Für diese Abwägung sind neben der beanstandungsfreien Dauer des
bisherigen Mietverhältnisses und den nachteiligen Auswirkungen der
Vertragspflichtverletzung auf den Vermieter auch ein möglicher Anspruch
des Mieters auf Erteilung der – tatsächlich nicht eingeholten – Unter-
mieterlaubnis sowie ein pflichtwidriges (Vor-)Verhalten des Vermieters
erheblich. Gemessen an diesen Grundsätzen wäre eine auf der ungeneh-
migten und nicht angezeigten Gebrauchsüberlassung beruhende Pflicht-
verletzung nicht hinreichend erheblich gewesen, um eine außerordentliche
oder ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zu rechtfertigen. Denn
zu Gunsten des Mieters streitet nicht nur der Umstand, dass das Mietver-
hältnis zum Zeitpunkt des ersten Kündigungsausspruchs bereits seit knapp
30 Jahren – und damit seit geraumer Zeit – unbeanstandet währte. Gegen
die Erheblichkeit des behaupteten Pflichtverstoßes spricht ebenfalls, dass
dem Mieter gemäß § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB ein berechtigtes Interesse zur
teilweisen Überlassung der Wohnung an seine Lebensgefährtin zuge-
standen hätte, so dass die Vermieterin ohnehin zur Genehmigung der
Gebrauchsüberlassung verpflichtet gewesen wäre. Es tritt hinzu, dass die
nicht umfassend, sondern räumlich und persönlich lediglich beschränkt
erfolgte Gebrauchsüberlassung nicht geeignet war, die wirtschaftlichen
und rechtlichen Interessen der Vermieterin mehr als nur unwesentlich zu
beeinträchtigen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
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