DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 8/2017 - page 65

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8|2017
WEG §§ 21, 28, 43 Nr. 4, 46
Unbestimmtheit wegen unklarer Mit­
wirkungsbefugnis des Verwaltungsbeirats
Ein Beschluss der Eigentümerversammlung lautend: „… soll die
Firma R beauftragt werden, die gem. Angebot vom 30.8.2016 aufge­
führten Arbeiten zu einem vorläufigen Preis von 308.714,60 € inkl.
Mehrwertsteuer auszuführen. (...) Die Verwaltung wird bevollmäch­
tigt, den Auftrag an die Firma R in Abstimmung mit dem Verwal­
tungsbeirat zu erteilen. …“ entspricht wegen seiner doppelten
Unbestimmtheit (keine Deckelung der Kosten; unklare Mitwirkung
des Verwaltungsbeirats) nicht ordnungsmäßiger Verwaltung; er
muss aber nicht zwingend nichtig sein und ist ggf. nur bei Vortrag
von Kerntatsachen und Rüge der Unbestimmtheit innerhalb der
Begründungsfrist des § 46 WEG für ungültig zu erklären.
AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 7.6.2017, 539 C 33/16 (n. rkr.)
Bedeutung für die Praxis
Der Verwalter sollte nie mehrere Versionen der Niederschrift (Protokoll)
außer Haus geben. Nicht einmal die Formulierung „mit Zustimmung des
Beirats“ wäre ganz eindeutig gewesen; in „Abstimmung“ mit dem Beirat
geht gar nicht. Unklar und intransparent ist, ob die Formulierung ein
Vetorecht oder zumindest eine Mehrheitszustimmung der nicht näher
genannten Beiratsmitglieder beinhalten soll. Wenn kein Auftrag zum
Festpreis vergeben werden kann oder soll, ist eine Budgetierung hilfreich.
Ein Höchstpreis kann immer vereinbart werden.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG-RECHT
WEG §§ 21, 43 Nr. 4
Vergleichsangebote als Tatsachengrund­
lage für die Ermessensausübung
1. Bedarf es vor einer Beschlussfassung über eine Auftragserteilung
durch die WEG der Einholung von Vergleichsangeboten, ist es erfor­
derlich, mindestens drei Angebote einzuholen.
2. Geschieht dies nicht, wird die Auswahlentscheidung auf einer
unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen, so dass der gefasste
Beschluss für ungültig zu erklären ist. Einer Beweisaufnahme über
die Frage, ob sich die eingeholten Angebote im Rahmen des Ortsüb­
lichen bewegen, bedarf es nicht.
LG Frankfurt/M., Beschluss vom 19.4.2017, 2-13 S 2/17
Bedeutung für die Praxis
Grundsätzlich verlangt die Rechtsprechung die Einholung von mindestens
drei Vergleichsangeboten; Ausnahmen werden bei der Anwaltsbeauftragung
zu den gesetzlichen Gebühren (vgl. AG München, Urteil vom 4.8.2016, 484
C 967/16) und bei der Wiederwahl des Verwalters gemacht (vgl. etwa LG
Hamburg, Urteil vom 22.2.2017, 318 S 46/15).
Natürlich sind solche Alternativangebote oftmals schwer zu erhalten (Ext-
remfall: einziger Fachhandwerker auf einer Insel) oder die Anbieter haben
längst abgeklärt, wer wie anbieten wird.
Auch die Beauftragung eines bisher schon berücksichtigten Handwerkers zu
ortsüblichen Preisen ist bei Absehen von der Einholung weiterer Angebote
ohne Weiteres erfolgreich anfechtbar.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
BGB §§ 305 b, 307, 550, 578
Mündliche Änderung doppelter Schrift­
formklausel im Gewerbemietvertrag
Eine in einem Mietvertrag über Gewerberäume enthaltene sog.
doppelte Schriftformklausel kann im Falle ihrer formularmäßigen
Vereinbarung wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach
§ 305 b BGB eine mündliche oder auch konkludente Änderung der
Vertragsabreden nicht ausschließen.
BGH, Beschluss vom 25.1.2017, XII ZR 69/16
Bedeutung für die Praxis
Die Rechtsfrage, ob eine doppelte Schriftformklausel im Falle ihrer
formularmäßigen Vereinbarung eine mündliche oder auch konkludente
Änderung der Vertragsabreden ausschließen kann, wird unterschiedlich
beantwortet. Eine Auffassung bejaht dies unter Hinweis auf die Interes-
senlagen von Vertragsparteien in der Gewerberaummiete und darauf, dass
sonst die Vereinbarung einer Einhaltung der Schriftform für Vertrags-
änderungen ihren Sinn verlöre. Demgegenüber wird überwiegend die
Meinung vertreten, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ver-
einbarte doppelte Schriftformklausel wegen Verstoßes gegen § 307 BGB
unwirksam sei, weil sie den wegen § 305 b BGB unzutreffenden Eindruck
erwecke, eine Änderungsvereinbarung sei nur schriftlich möglich. Die Fra-
ge der Wirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel in einem Gewer-
beraummietvertrag kann hier jedoch dahinstehen. Denn die Klausel bleibt
jedenfalls wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach § 305 b
BGB wirkungslos Das Interesse des Klauselverwenders oder gar beider
Vertragsparteien, nicht durch nachträgliche mündliche Absprachen die
langfristige beiderseitige Bindung zu gefährden, muss gegenüber dem von
den Parteien später übereinstimmend Gewollten zurücktreten. Es kommt
– anders als bei einer individuell vereinbarten doppelten Schriftformklau-
sel – auch nicht darauf an, ob die Parteien bei ihrer mündlichen Absprache
an die entgegenstehende Klausel gedacht haben und sich bewusst über sie
hinwegsetzen wollten. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass
eine doppelte Schriftformklausel die Wahrung der Schriftform des § 550
BGB ohnedies nicht stets gewährleisten könnte. Zum einen kann eine
Änderungsvereinbarung nach § 127 BGB der vertraglichen Form – und
damit ggf. dem doppelten Schriftformerfordernis – genügen, ohne jedoch
der von § 550 BGB geforderten gesetzlichen Schriftform zu entsprechen.
Zum anderen kann ein Schriftformverstoß im Sinne des § 550 BGB trotz
Wahrung der gesetzlichen Schriftform etwa darin begründet sein, dass
mangels ausreichender Bezugnahme der Vertrag insgesamt nicht mehr
den Anforderungen des § 550 BGB gerecht wird.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
1...,55,56,57,58,59,60,61,62,63,64 66,67,68
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