DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT6/2017 - page 23

In dem Gebäudekomplex befinden sich neun Ab-
teilungen für Langzeitpflege, ein Bereich für Kurz-
zeitpflege sowie zwei Pflegestationen für Bewoh-
ner mit Demenzerkrankung. Der Zielsetzung eines
intergenerativen Therapieansatzes folgend, wur-
de in dem Gebäude außerdem ein Kindergarten
mit fünf Gruppen integriert, um – sowohl intuitiv
als auch therapeutisch initiiert – alltägliche Kon-
takte und persönliche Begegnungen zwischen den
Generationen zu ermöglichen. Angesichts der rie-
sigen Dimensionen dieses vollständig überbauten
innerstädtischen Blockrand-Grundstückes könnte
man eine typische Funktionsarchitektur vermuten:
Endlose Flure in allen vier Geschossen, unterbro-
chen von Treppenhäusern und Aufzugsanlagen.
Aber: Weit gefehlt! In diesen Pflegewohnhäusern
wurde auf orientierungsfeindliche Raumschluch-
ten der gewohnten Klinik- und Pflegetypologien
verzichtet. Sämtliche Erschließungsflächen sind
wesentlicher Bestandteil eines großzügig offenen
räumlichen Gestaltungskonzeptes.
Urbane Autonomie
In seinem stadträumlichen Konzept nimmt der
annähernd quadratische Baukörper mittels einer
Höhenstaffelung das umliegende Gelände auf.
Zwei der 100 und 110 m langen Gebäudefron-
ten weichen bewusst 7 m von der ursprünglichen
Baulinie entlang der Straßenkanten zurück, um
das Gebäude von außen her in einen freundlichen,
alleeartig bepflanzten Grünraum zu betten. Das
Wiener Architekturbüro Wimmer und Partner hat
eine kommunikative Gesamtarchitektur geschaf-
fen, die den Erfordernissen der spezifischen Nut-
zung optimal entgegenkommt.
Höfe und Marktplätze anstatt
verwinkelter Flure
Vielgestaltige Raumfolgen im„Brückenbauwerk“
unterstützen den stadträumlichen Identifikati-
onseffekt. Sie entstehen aus den unterschiedlich
gekurvten Gartenhof-Fassadenflächen mit den
geradläufigen und rechtwinkligen Wandfluchten
des inneren Blockrands sowie der zentral orien-
tierten Funktionsbereiche. Gleich außerhalb der
PrimärfunktionenWohnen, Pflegen und Versorgen
beginnt die Kommunikations- und Erlebniszone,
gleichermaßen attraktiv für Bewohner, Personal
und Besucher.
Als auffälliges Architekturelement wirken die
deutlich vor die Fassade ragenden, rechtwinklig
herausgestellten Erker in den Obergeschossen. Sie
markieren in jeder Straßenfassade den Abschluss
der durch Bewegung der Sonnenschutzpaneele
optisch veränderlichen Loggienstreifen. Dazu
definieren sie den Giebel des im 90°-Winkel an-
schließenden Blockrandabschnittes.
Fassaden mit Überraschungseffekt
Die äußeren und inneren Gebäudefassaden un-
terscheiden sich in Ansicht, Funktion und Wir-
kung: Während die Fassaden der Gartenhöfe auf
Transparenz, Durchsicht und maximale Tages-
lichtausbeute ausgerichtet sind, ist es Aufgabe
der Außenfassaden, einem riesigen Bauvolumen
ordnende Struktur und Gestalt zu geben.
Karl Cerenko
freier Journalist
Karlsruhe-Durlach
Quelle: Andreas Buchberger
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