Bernhard Borst weiter freie Hand, ergänzte aber
die Entwürfe um die Dekorelemente. 1929 war
die Wohnanlage fertiggebaut: 77 4-geschossige
Ziegelhäuser, die durch Torbögen und Durchgänge
miteinander verbunden sind. Der Name „Borstei“
wurde übrigens durch ein Preisausschreiben Ende
der 1920er Jahre bestimmt, es gab über 2.600
Vorschläge, der erste Preis waren 500 Reichsmark.
Eine frühe Anlage des Service-Wohnens
Fast wie eine Trutzburg muss die Siedlung Anfang
der 1930er Jahre gewirkt haben: Massive Wohn-
blöcke riegelten die Borstei nach außen hin ab. Nur
durch Torbögen gelangteman hinein. Nachts dreh-
te ein Nachtwächter seine Runden und verschloss
zu später Stunde mit großen Messing-Schlüsseln
die Tore nach draußen. Noch heute ist die Borstei
eine in sich geschlossene Wohnanlage.
Die heute denkmalgeschützte Siedlung war über-
aus modern. Das ganze Areal wurde von einem
zentralen Kraftwerk beheizt, das zuerst mit Koh-
le angefeuert wurde, später mit Öl, heute mit
Gas. In einer Wäscherei, in der man auch heute
noch Wäsche waschen kann, wurde schon in den
1920er Jahren zentral die Wäsche der „Borstei-
ler“ gewaschen. Innerhalb von 24 Stunden wurde
sie schrankfertig zurückgeliefert, dadurch konnte
sich in den Häusern keine Feuchtigkeit bilden und
so die Bausubstanz schädigen. Es gab aber auch
einen Staubsauger- und Dienstbotenverleih, Ein-
kaufsservice, Telefonzentrale, Einstellräume für
Kinderwagen und Fahrräder sowie Spielplätze für
die Kinder. Für Arbeiten in der Wohnung standen
den Mietern stundenweise Reinigungskräfte und
Handwerker zur Verfügung.
Der Erbauer der Borstei
legte nicht nur Wert
auf baukünstlerische
Details, sondern auch auf
sinnvolle wohnungsnahe
Dienstleistungen
„Durch die viele Zeit, die den Bewohnern der
Borstei mit diesen Dienstleistungen geschenkt
wurde, hatten sie Gelegenheit, sich in den Höfen
zu treffen, was ausdrücklich gewünscht war. Auch
die aus ästhetischen Gründen fehlenden Balkone
tragen immer noch dazu bei, dass die Mieter viel
Zeit in den Gärten verbringen“, erzählt Andreas
Rümmelein, der zusammen mit Karl Stöger das
Leben Bernhard Borsts dokumentiert hat und
heute Direktor des kleinen Borstei Museums im
östlichen Teil der Siedlung ist. Das Museum, dass
2006 auf Initiative von Borsts Tochter Line ge-
gründet wurde, vermittelt Besuchern die immer
noch nachahmenswerten Qualitäten der Siedlung
und die visionären Ideen des Baumeisters Borst.
Gehobene, wohngesunde Ausstattung
Die Wohnungen boten eine für die damalige Zeit
ungewöhnlich gute Ausstattung mit Gasherden,
Parkettböden, Bädern mit Badewannen und Bi-
dets. Dank des eigenen Heizkraftwerks gab es
fließend warmes Wasser und Zentralheizung –
durch das Fernwärmenetz waren sogar die Ga-
ragen beheizt. Borst hat auch 73 Gewerberäu-
me eingeplant und dadurch mit eigenen Läden,
Handwerkern und vielemmehr eine eigene kleine
Infrastruktur erschaffen.
Die Wohngesundheit spielte für Borst eine große
Rolle. Bei der Wahl der Baumaterialien ging er
deshalb keine Kompromisse ein. Das Beste war
gerade gut genug, slowenische Eiche, Marmor
aus Ruhpolding, Treuchtlingen und Sollnhofen,
Kehlheimer Kalkstein, Kupferbleche für Gauben
und Dachrinnen, Messingknäufe, Korkdämmung.
Ziegel kamen aus seiner eigenen Ziegelei bei