Die Wohnungswirtschaft 7/2017 - page 24

STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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7|2017
ja nicht mehr kreischende Sägen inmitten von
Baublöcken.“ Bei neuen Wohnanlagen sollten die
Planer nach Ansicht Sulzers darüber hinaus „stadt-
räumliche Ensembles mit einzelnen Häusern“ re-
alisieren. Das bedeutet für den Stadtplaner: „Den
Begriff Siedlungsbau sollten die Stadtplaner aus
ihremVokabular streichen. Häuser in neuen Stadt-
ensembles sollten ein Gesicht und eine Identität
haben.“
Das betont auch das Deutsche Institut für Stadt-
baukunst an der TU Dortmund. „Warum nicht
wieder schöne, lebenswerte Stadtquartiere bauen
statt gesichtsloser, gleichförmiger Wohnsiedlun-
gen auf der grünenWiese?“, fragt das Institut. Und
sein Gründungsdirektor, der Architekt Prof. Chris-
toph Mäckler, sagt: „Die Haustypen der europäi-
schen Stadt gewähren eine soziale und funktionale
Mischung. Und das lässt sich übertragen auf die
Bedürfnisse unserer Zeit.“
Als vorbildlich betrachten die Vertreter dieser
Denkrichtung beispielsweise das Gründungsvier-
tel in Lübeck, das die Hansestadt mit individuellen
Häusern in der alten, nach demZweitenWeltkrieg
aufgelösten Parzellenstruktur realisierenwill. Ein
„zukunftsweisendes, lebendiges Quartier“ soll
nach demWillen der Stadt auf dieseWeise entste-
hen. Als gutes Beispiel im Ausland gilt die Bebau-
ung des Freilagers in Zürich, wo mit einem Inves-
titionsvolumen von umgerechnet rund 330 Mio. €
etwa 800 Wohnungen, 200 Studentenzimmer,
eine Kindertagesstätte, Läden und ein Restaurant
entstanden sind – und das in hoher Dichte. Wobei
eben Dichte ohne Qualität nichts sei, wie Difu-
Direktor Martin zur Nedden mit Blick auf die Slim
City in der Seestadt Aspern, dem größten Stadt-
entwicklungsprojekt Wiens, unterstreicht: Dort,
so zur Nedden, mangle es bei extremhoher Dichte
an städtebaulicher Qualität. Wobei man nicht lan-
ge suchenmuss, umeine Gegenstimme zu finden:
Quelle: Trave
In Lübeck wird
das historische
Gründungsviertel
neu gebaut. Nach
Kriegszerstörung
und großmaßstäbli-
chem Wiederaufbau
in den 1950er/60er
Jahren bot sich u. a.
nach der Verlage-
rung einer Schule die
Chance, hier wieder
ein Stück „alte
Stadt“ entstehen zu
lassen
Quelle: Trave, Foto: Bernard Mende
Die SlimCity, schrieb dieWiener Tageszeitung Der
Standard, sei „der steinern-labyrinthischen Dichte
von Siena und San Gimignano verwandter als die
Blockinnenhöfe mancher ihrer Nachbarn“.
Und die Kosten?
Wohnungswirtschaftler werden nun einwenden:
Was nützt uns die schönste städtebauliche Quali-
tät, wenn amSchluss so hohe Baukosten resultie-
ren, dass sich nur wenige die neuen Wohnungen
leisten können? Diesen Einwand lässt Torsten
Bölting vom InWIS nicht gelten: Der Frankfurter
Stadtbaurat Ernst May und die anderen Vertreter
der Moderne der 1920er Jahre hätten gezeigt, wie
man hohe Qualität zu günstigen Preisen erreichen
könne. Die Forderung, Gebäudemit eigener Iden-
tität zu schaffen, bedeute auch nicht, dass man
nicht im Interesse niedriger Wohnkosten seriell
oder modular bauen könne.
Und wie steht es mit dem Konflikt zwischen dem
großen Zeitdruck, unter dem die Wohnungswirt-
schaft und die Kommunen stehen, und der Zeit,
die eine gute Planung benötigt? „Es lohnt sich,
genügend Zeit in Konzeption und Planung zu in-
vestieren“, antwortet Stadtplaner Sulzer. „Die
Fehler von einst, wie sie mit dem sozialen Woh-
nungsbau stets unter Zeitdruck gemacht wurden,
sollten nicht wiederholt werden.“
Grundstücks-
vergabe und
Gestaltung des
Gründungs-
viertels folgen
festgelegten
Kriterien
Quelle: Trave
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