MARKT UND MANAGEMENT
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11|2015
Bilanz- und Steuerwissen -
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Steuerliche Fragen bei der Unterbringung von Flüchtlingen
Aufgrund der aktuellen politischen Situation weltweit findet in Deutschland ein hoher Zuzug von
Flüchtlingen und Asylbewerbern statt. Bund und Länder haben am 18. Juni 2015 eine Reihe von
Maßnahmen beschlossen, um auf nationaler Ebene die hohen Flüchtlingszahlen besser zu bewältigen.
Auch die Wohnungswirtschaft hat eine 6-Punkte-Strategie zur schnellen und soliden Unterbringung sowie
Integration entwickelt. Der Beitrag widmet sich den damit verbundenen steuerlichen Fragestellungen.
Wohnungsunternehmen sehen ihre soziale Ver-
antwortung und helfen bei der Unterbringung von
Flüchtlingen und Asylbewerbern. Neben demBau
von Unterkünften sind Integrationsprogramme
mit strukturierten Hilfs- und Begleitangeboten
wichtig. Dies hat die Branche in einer Strategie
zur zukunftsfähigen Unterbringung und Ein-
gliederung von Flüchtlingen (siehe DW 4/2015,
S. 54 ff.) formuliert.
Bilanzrecht
Ausweisfragen
Wohnungen und Einrichtungen zur Unterbringung
von Flüchtlingen sind i. d. R. unter „Grundstücke
mit Wohnbauten“ zu aktivieren. Wohncontainer,
die bewegliche Wirtschaftsgüter darstellen, sind
unter „Andere Anlagen“ zu erfassen. Ob Wohn-
container Gebäude oder bewegliche Wirtschafts-
güter sind, ist anhand der Verbindung der Wohn-
container mit demGrund und Boden zu beurteilen
(vgl. BFH vom 28. September 2000, III R 26/99,
BStBl. Teil II 2001, 137).
Wirtschaftliche Zuordnung
Die Frage der wirtschaftlichen Zuordnung stellt
sich bei langfristigen Miet-, Pacht- sowie Lea-
singverträgen. § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB und
§ 39 Abs. 2 AO sind annähernd inhaltlich gleich,
so dass für die wirtschaftliche Zuordnung von
einer Einheitlichkeit in Handels- und Steuerbi-
lanz auszugehen ist.
Ein Wirtschaftsgut ist für bilanzielle Zwecke
grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigen-
tümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Wirt-
schaftlicher Eigentümer ist derjenige, der den
zivilrechtlichen Eigentümer bei der gewählten
Gestaltung dauernd von der Einwirkung auf das
Wirtschaftsgut ausschließen kann. Für die Zu-
rechnung des wirtschaftlichen Eigentums ist
anhand der Umstände des Einzelfalls zu ent-
scheiden.
Nach dem Leasingerlass zu Teilamortisationsver-
trägen über unbewegliche Wirtschaftsgüter vom
23.12.1991 (IV B 2 – S 2170 – 115/91, BStBl. Teil I
1992, 13) ergeben sich folgende Kriterien, die für
eine Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums
beim Vermieter sprechen:
• kein Spezialleasing,
• Grundmietzeit nicht länger als 90%der betriebs-
gewöhnlichen Nutzungsdauer,
• Grundmietzeit nicht kürzer als 40%der betriebs-
gewöhnlichen Nutzungsdauer,
• Kaufpreis der Kaufoption nicht geringer als der
steuerliche Restbuchwert des Gebäudes,
• Anschlussmiete der Mietverlängerungsoption
nicht geringer als 75% der ortsüblichen Miete,
• Mieter/Leasingnehmer trägt keine besonderen
(Eigentümer) Risiken, u. a. die Gefahr des Un-
tergangs der Immobilie.
Würde wirtschaftliches Eigentum auf den Mieter
übergehen, hätte der Vermieter den Gebäudeab-
gang (auf der Aktivseite) zu zeigen, eine Forderung
(abgezinsteMietzahlungen) einzubuchen und jähr-
lich die Forderung anzupassen (Minderung durch
Zahlungseingang, Erhöhung durch Aufzinsung).
Nutzungsdauer
Handelsrechtlich sind die Anschaffungs- bzw. Her-
stellungskosten derWohnungen und Einrichtungen
zur Flüchtlingsunterbringung grundsätzlich über
die übliche Abschreibungsdauer zu verteilen. Bei
besonderenUmständen (Belegung einerWohnung
mit hoher Personenzahl, spezielle Flüchtlingsein-
richtungen, Wohncontainer) ist eine notwendige
kürzere Abschreibungsdauer zu prüfen.
WP/StB Jürgen Gnewuch
VdW Rheinland Westfalen
Düsseldorf
Quelle: GdW-Gremienumfrage, Unterbringung von
Flüchtlingen, 02.-11.02.2015; n = 325
DEZENTRALE FLÜCHTLINGSUNTERBRINGUNG
Um eine soziale Erosion bzw. Brennpunkte in Quartieren zu vermeiden, sollten
Flüchtlinge dezentral in stabilen Wohnquartieren untergebracht werden.
stimme voll zu
stimme überwiegend zu
teils/teils
stimme überwiegend
nicht zu
stimme absolut nicht zu
42%
23%
3%
7%
25%