Konzerne nicht die Stadtwerke und nicht die Pfle-
gedienste kaufen. Das ist richtig. Sie kaufen nicht
die Stadtwerke, sondern die Infrastruktur. Sie
kaufen auch nicht den Pflegedienst, sondern die
Systeme, über die der Pflegedienst gerufen wird.
Sie kaufen ja auch keine Fluggesellschaften, son-
dern die Buchungssysteme. Sie interessieren sich
also nicht für die Endprodukte, sondern nur für die
Prozessketten. Dabei suchen sie den neuralgischen
Punkt und investieren dort. Alsomüssen auchwir
die Blickrichtung ändern und uns nicht nur auf das
Endprodukt fokussieren, sondern auch auf die Pro-
zesse. Dennwenn diese Unternehmen die Kommu-
nikationmit demPflegedienst kontrollieren, dann
kommt im Zweifel nicht der beste Pflegedienst
zum hilfebedürftigen Mieter, sondern derjenige
Pflegedienst, der auf der entsprechenden Platt-
form vertreten ist. Deshalb ist es meiner Ansicht
nach sowichtig, dass dieWohnungsunternehmen
Herr dieses Prozesses bleiben. Nur das bietet ihnen
die Möglichkeit, daraus ein Geschäftsmodell im
Sinne der Kunden zu machen. Das kann übrigens
auch beinhalten, einzelne Leistungen aus sozialen
Gründen umsonst anzubieten.
Sophia Eltrop:
Was lehren uns die Amerikaner?
Es geht um Monopole. Wir sollten deshalb eine
Strategie entwickeln, um so etwas wie eineMono-
polstellung zu bekommen. Mein Vorzeigebeispiel
ist die Abrechnung mit den Versorgern, bei der es
uns gelungen ist, einen etablierten Standard zu
schaffen, an demkeiner mehr vorbeikommt. Jetzt
müssenwir das nächste Pilotprojekt finden, das am
besten mehrere Unternehmen gemeinsam entwi-
ckeln sollten. Denn selbst die HOWOGE als großes
Unternehmen kann nicht mehr als zwei oder drei
Mitarbeiter für ein solches Projekt abstellen. Um
den Roll-out zu schaffen und einen Standard zu
entwickeln, der für alle gilt, braucht es gemeinsa-
me Anstrengungen. Das wird zugegebenermaßen
nicht leicht werden. Trotzdemglaube ich, dass wir
bei diesem Thema durchstarten sollten.
Dr. Manfred Alflen:
Die Einbindung von Partnern
halte ich ebenfalls für sehr wichtig. Da geht noch
viel. In zahlreichen Bereichen haben wir heute
einen beklagenswert niedrigen Durchdringungs-
grad und nutzen Chancen nicht, obwohl erheb-
liche Effizienzgewinne möglich wären. Dabei
wäre es allerdings für die Wohnungswirtschaft
ein großer Vorteil, wenn auch die Kommunen ihre
Unterlagen digital zur Verfügung stellenwürden.
Axel Gedaschko:
Frau Eltrop hat recht: Es wäre
klug, wenn die Wohnungsunternehmen bei sol-
chen Projekten stärker zusammenarbeiten wür-
den. Von Verbandsseite her versuchen wir das zu
forcieren. Wie könnenwir
also einen Prozess bei der
Ablesung aufsetzen, der
so strukturiert ist, dass
ihn auch ein kleineres
Unternehmen einfach aus
dem Regal nehmen und
einsetzen kann? Daran arbeiten wir ganz konkret
mit Partnern zusammen. Es wird aber eine Kraft-
anstrengung im wahrsten Sinne des Wortes sein.
Deshalb haben wir uns auf Präsidiumsebene die
Beschlusslage geholt, dass der GdW in den Bereich
Forschung einsteigen darf. Das heißt, dass wir in
diesem Bereich richtig aktiv werden. Und das ist
auch nötig, weil sonst genau das passiert, was Dr.
Alflen gesagt hat: Wenn die Wohnungswirtschaft
schläft, dann werden die Regularien so geändert
werden, dass andere Unternehmen sich dieses
Geschäft sichern werden.
Dr. Axel Viehweger:
Eine Genossenschaft, die
Mitglied unseres Verbands ist, hat ein System
entwickelt, bei dem sie über eine Tochtergesell-
schaft die Verbrauchsdaten selbst zweimal in
der Woche abliest. Das hat mehrere Vorteile. Die
Genossenschaft hat einen sehr guten Überblick
über den Verbrauch, und das kann nützlich sein,
wenn sie merkt, dass plötzlich über einen länge-
ren Zeitraum fünf Personenmehr in der Wohnung
leben. Zweitens kann der Vermieter schnell auf
Störungen reagieren. Es gibt z. B. eine ganze Reihe
Störungen bei der Toilettenspülung, die schlei-
chend sind und die der Mieter erst nach einem
Vierteljahr erkennt. Das System aber nimmt sie
schon nach 14 Tagen wahr. Und drittens – darauf
habe ich schon hingewiesen – kann der Vermieter
frühzeitig reagieren, wenn er merkt, dass die Be-
triebskostenvorauszahlung nicht ausreicht.
Rainer Böttcher:
Wir sollten dabei aber nicht nur
über Verbrauchsdaten und Ähnliches reden, son-
dern auch über Pflege, Betreuung und Versorgung
unserer Mitglieder und Mieter. Ich bin der Mei-
nung, dass uns die Digitalisierung dieMöglichkeit
gibt, ein Stück weit die immer größer werdende
Lücke zu schließen, die zwischen dem klafft, was
unsereMitglieder undMieter leisten können, und
dem, was der Markt ihnen abverlangt. Das sollten
wir selber tun. Dann könnenwir nämlich den Preis
steuern und sind nicht auf externe Partner ange-
wiesen. Da haben wir große Chancen.
Prof. Dr. Tobias Teich:
Wennwir heute über Digi-
talisierung reden, so sprechen wir nicht mehr nur
über Smart Meter und Datenerfassung. Wir reden
über Geschäftsprozesse, die weit über dem liegen,
was heute ERP-Systeme und serviceorientierte
Architekturen anbieten. Digitalisierungmeint au-
ßerdem das Internet der Dinge. Wir haben in den
Wohnungen unserer Genossenschaft beispielswei-
se sprechendeMöbel, die denMietern Vorschläge
machen, wie sie sich sinnvoll verhalten können.
Ich erkenne die Chancen der Digitalisierung also
sehr wohl. Dennoch sehe ich nochmehr die Gefah-
ren. Wenn ich Ihre Aussage präzisieren darf, Herr
Steinert: Nicht das Wissen als solches verdoppelt
sich, sondern das zur Verfügung stehende Wis-
sen. Und das ist eine Gefahr. In der jüngeren
Dr. Peter Schaffner
„Unseren Mitgliedern ist es vollkommen egal, ob ihre
Blutdruckwerte bei der NSA landen, Hauptsache, sie
sind medizinisch gut versorgt. “
Axel Viehweger
Dr. Manfred Alflen
Axel Gedaschko
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11|2015