DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 11/2015 - page 81

Jürgen Steinert:
Frau Eltrop, meine Herren. Frau
Silberberg, Chefredakteurin der DWund ich heißen
Sie herzlich willkommen zum 20. Brandenburger-
Hof-Gespräch. „Wie verändert die Digitalisierung
das Wohnen?“ lautet unser heutiges Thema. Ihre
Eingangsstatements haben gezeigt, wie groß die
Bandbreite der Sichtweisen ist. Einen Punkt würde
ich gerne ergänzen. Dr. Radermacher, Professor für
Datenbanken und Künstliche Intelligenz an der Uni-
versität Ulm, weist darauf hin, dass Digitalisierung
und Vernetzung dazu führen, dass sich unserWissen
alle zwei Jahre um den Faktor 1.000 vergrößert.
Mich treibt die Frage um, was das für unser tägli-
ches Handeln bedeutet. Wo sind die Grenzen dieser
Entwicklung? Welche Systeme müssen wir entwi-
ckeln, ummit dieserWissensexplosion umgehen zu
können? Gibt es Vorstellungen, wie wir das orga-
nisieren können? Eine zweite Frage: Alles, was mit
Digitalisierung zu tun hat, erfordert Anpassungs-,
Änderungs- und Lernprozesse. Diese Bereitschaft
zur Anpassung und zum Lernen ist in den unter-
schiedlichen Generationen unterschiedlich ausge-
prägt. Je jünger dieMenschen sind, umso größer ist
die Chance, dass siemit den neueren Entwicklungen
Schritt halten. Und je älter sie sind, umso größer ist
ein gewisses Beharrungsvermögen, um es freund-
lich auszudrücken. Aber in unseren Wohnanlagen
wohnen Vertreter aller Verhaltensmuster. Müs-
sen wir dann nicht eine ziemlich große Klaviatur
vorhalten, um allen unseren Mietern gerecht zu
werden? Oder gibt es beim Thema Digitalisierung
einen Durchschnitt, mit demman arbeiten kann?
Axel Gedaschko:
Die Frage, wiemanmit denMie-
tern umgeht, die in der digitalenWelt nicht zuhau-
se sind, müssen sich alle, die sichmit Kommunika-
tion beschäftigen, jeden Tag stellen. Die Antwort
lautet Multichanneling. Es wird immer verschie-
dene Kanäle für die Kommunikation geben, bis hin
zum gedruckten Produkt. Die Digitalisierung hat
hier vieles einfacher gemacht. Während es früher
verschiedene Datenbanken gab, die nicht mitei-
nander kompatibel waren, lässt sich der Umgang
mit Daten heute viel einfacher handhaben.
Dr. Manfred Alflen:
Ich bin im Unterschied zu
Prof. Teich durchaus optimistisch, dass die Ge-
nerationen den Prozess der Digitalisierung erfolg-
reich bewältigen werden. Es gibt inzwischen Un-
tersuchungen aus der Hirnforschung, die zeigen,
dass die junge Generation sehr wohl lernt, mit der
Digitalisierung umzugehen, ihre Ruheräume zu
schaffen und das Ganze zu relativieren. Bisher hat
es dieMenschheit immer vermocht, mit Verände-
rungen umzugehen, und ich bin ich optimistisch,
dass uns das auch in Zukunft gelingen wird.
Thomas Ortmanns:
Die gesellschaftlichen Ver-
änderungen und die volkswirtschaftlichen Aus-
wirkungen, die mit der Digitalisierung unzwei-
felhaft verbunden sind, treiben viele von uns
privat und beruflich um. Ich bin zutiefst davon
überzeugt, dass man der Entwicklung nur dann
im positiven Sinne Herr werden kann, wenn man
sich im eigenen Tätigkeitsfeld an die Spitze der
Bewegung setzt und so die Richtung vorgibt.
Leider steht die Digitalisierung heute nicht im
Fokus der Wohnungsunternehmen. Das ist ver-
ständlich, da andere Themen, beispielsweise die
Quartiersentwicklung, die Energieeffizienz und
die Auswirkungen der Migration, vorrangige Auf-
gaben der Wohnungswirtschaft sind. Trotzdem
bin ich überzeugt, dass die Wohnungswirtschaft
ihre Kräfte im technologischen Bereich bündeln
muss. Nur dann hat sie die Chance, mit der nötigen
Finanzkraft und Schnelligkeit unterwegs zu sein,
um dem nationalen und internationalen Wettbe-
werb auf diesem Feld die Stirn zu bieten und den
Anschluss nicht zu verpassen. Wenn sich dieWoh-
nungsunternehmen an die Spitze der Bewegung
stellen, können sie auch Standards bei der Datensi-
cherheit setzen und ihrer gesellschaftspolitischen
Verantwortung gerecht werden. Gefährlich wäre
es hingegen, wenn sie sich zurückziehen wür-
20. Brandenburger-Hof-Gespräch
Digitalisierung: Anpassung, Veränderung,
Lernprozesse und Chancen
„Die Wohnungswirtschaft muss ihre Kräfte im technologischen Bereich
bündeln. Nur dann hat sie die Chance, mit der nötigen Finanzkraft
und Schnelligkeit unterwegs zu sein, um den internationalen Internet­
konzernen die Stirn zu bieten.“
Thomas Ortmanns
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