Die Digitalisierung stößt in der Wohnungs-
wirtschaft teilweise auf Skepsis, ja sogar
auf offene Ablehnung. Es gibt bisweilen
Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Digi-
talisierung, und es wird mehr über die
Gefahren gesprochen als über die Chan-
cen, die damit verbunden sind. Dabei ist
es unübersehbar, dass sich die Gesellschaft
in Richtung Digitalisierung orientiert. Ob
man alles gut finden muss – z. B. die bereit-
willige Preisgabe persönlicher Daten –, ist
eine andere Frage. Aber Tatsache ist, dass die Wirtschaft Richtung Digi-
talisierung geht und dass die künstliche Intelligenz in den kommenden
Jahren an Bedeutung gewinnen wird.
Wenn ich die Relevanz der Digitalisierung für die Wohnungswirtschaft
unterstreiche, bedeutet das nicht, dass sich die Wohnungswirtschaft auf
alles einlassen und alles ausprobieren soll. Die Wohnungswirtschaft ist
langfristig orientiert und vom Vertrauensverhältnis zwischen Vermieter
und Mieter geprägt. Dieses Vertrauensverhältnis ist viel zu kostbar, um
es durch Experimente zu beschädigen. Hinzu kommt, dass Wohnungsun-
ternehmen nicht l´art pour l´art machen können, sondern am Ende des
Tages Geld verdienen müssen. Alle Maßnahmen im Bereich der Digitali-
sierung müssen deshalb einen praktischen Mehrwert haben.
Gerade weil viele Wohnungsunternehmen skeptisch sind, sehe ich die
Rolle des Verbands darin, eine Ermöglichungsstrategie zu fahren und
Chancen aufzuzeigen. In diesem Prozess sind wir auf Partner angewie-
sen. Die Wohnungswirtschaft ist ja nicht gerade forschungsaffin. Deshalb
müssen wir sehr stark im Scouting sein und Partner einbeziehen, deren
Kernkompetenz im Bereich der Digitalisierung liegt. In der praktischen
Umsetzung müssen wir dann darauf achten, dass wir keine Insellösungen
schaffen, sondern dass die Prozesse interoperabel sind.
Digitalisierung umfasst für die Wohnungswirtschaft viele unterschied-
liche Themen: Kommunikation, Multimedia, Sicherheit, Komfort-
anwendungen, Betreuungskonzepte, Gesundheitsdienstleistungen,
Energieeffizienz, Prozessabbildung und andere. Damit all das auf Akzep-
tanz stößt, muss es von der entsprechenden Datensicherheit begleitet
werden. Deshalb begrüße ich es außerordentlich, dass die Bundesregie-
rung eine hohe Hürde aufgebaut hat, was die Sicherheitstechnologie
betrifft. Ebenfalls begrüße ich es, dass sich jüngst die 28 EU-Staaten
auf einen Entwurf für eine europäische Datenschutzrichtlinie geeinigt
haben, deren Kernelement das Recht auf Vergessen ist. Äußerst wichtig
ist zudem, dass auch Unternehmen, die beispielsweise in den USA sit-
zen, aber mit den hiesigen Systemen arbeiten, sich an diese europäische
Datenschutzrichtlinie werden halten müssen.
Ein anderer Aspekt: Im Alltag sind Gratis-Apps weit verbreitet. Allerdings
bezahlt man letztlich doch für diese Apps, und zwar mit seinen Daten,
mit denen dann Geschäft gemacht wird. Das System funktioniert brillant.
Es wird deshalb nicht gelingen, den Menschen teure Systeme zu verkau-
fen. Die App-Strategie ermöglicht es, die Kosten der Digitalisierung zu
senken. Vitalparameter z. B. werden im Rahmen einer AAL-Strategie an
Bedeutung gewinnen. Bestimmte Dinge, die in der Vergangenheit mit
dem extrem teuren Umbau von Wohnungen verbunden waren, funktio-
nieren heute mit einem günstigen Vitalparametersystem.
Unsere wichtigste Aufgabe besteht darin, diese Entwicklung für unsere
Zwecke zu nutzen und nicht für die Zwecke Dritter. Allerdings ist es eine
Illusion, zu glauben, wir könnten alles in einer Hand bündeln. Wir werden
Daten aus der Hand geben müssen. Es gibt jedoch Schnittstellen, über die
wir die Hoheit behalten können. Eine dieser Schnittstellen ist das Smart
Meter Gateway, das kontrolliert, was in die Wohnung hineingeht und was
herauskommt. Wenn es uns gelingt, die Wohnungswirtschaft dazu zu
bringen, diese zentrale Schnittstelle nicht für einen kurzzeitigen finanzi-
ellen Vorteil aus der Hand zu geben, wäre schon ein großer Schritt getan.
Axel Gedaschko, Präsident, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V., Berlin
Wir wollen eine Ermöglichungsstrategie fahren
Der Regierende Bürgermeister von Berlin hat kürzlich erklärt, dass er die
Smart City zu einem großen Thema für Berlin machen möchte, dass die
Menschen aber nicht wissen, was dieser Begriff bedeutet. Ähnlich verhält
es sich in der Wohnungswirtschaft: Die Digitalisierung ist für uns noch
schwer zu fassen, besonders wie wir sie für unsere Mieter nutzen können.
Dabei bin ich überzeugt, dass die Digitalisierung für uns eine bedeutende
Rolle spielen wird und wir erst am Anfang einer exponentiellen Entwick-
lung stehen. Die spannende Frage ist, welche Haltung wir dazu einnehmen,
welche Serviceleistungen wir darauf aufbauend anbieten und wie wir es
sicherstellen, nah am Mieter zu bleiben. Dabei werden wir ohne Partner-
schaften und Netzwerke mit der Digitalisierung nicht sinnvoll umgehen
können.
Unser Unternehmen hat sich mit Begeisterung darauf gestürzt, die internen
Prozesse zu digitalisieren. Bereits vor Jahren haben wir die elektronische
Rechnungslegung für die Versorger in Angriff
genommen. Es hat mehrere Jahre gedauert,
das auf den Weg zu bringen; dann aber war
binnen kürzester Zeit plötzlich die ganze
Deutschlandkarte voll mit Partnern.
Derzeit digitalisieren wir in unserem Unter-
nehmen sämtliche Daten. Es macht großen
Spaß, zu sehen, wie dieser Prozess Fahrt
aufnimmt. Nachdem anfangs allgemeine
Skepsis herrschte, sind alle Bereiche mit
viel Elan dabei. So wünscht sich der Vergabebereich z. B. so schnell wie
möglich eine elektronische Vergabeplattform, und der Bereich Bestands-
management freut sich, dass er jetzt die elektronische Mieterakte hat.
Er hat erkannt, welche Prozessmöglichkeiten sich daraus ergeben. Man
Sophia Eltrop, Geschäftsführerin, HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft mbH, Berlin
Der Prozess der Digitalisierung nimmt Fahrt auf
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11|2015
MARKT UND MANAGEMENT