denmit demArgument, die Digitalisierung an sich
sei unerwünscht. Dazu ist die globale Entwicklung
zu weit fortgeschritten.
Dr. Axel Viehweger:
Auch ich sehe die Dinge
optimistisch. Ich glaube nicht, dass Google alle
Stadtwerke und Pflegedienstleister kaufen will.
Die Digitalisierung findet im lokalen Bereich statt.
Es ist der Wunsch unserer Mieter, in ihrer Wohnung
alt zuwerden, und dazu trägt diemoderne Technik
entscheidend bei. Dabei merken wir, wie schnell
sich das Wissen und die Produkte entwickeln. Das
erste Assistenzsystem, das wir bei unserem Pro-
jekt AlterLeben eingesetzt haben, war vor sechs
Jahren die Eigenentwicklung einer sächsischen
Firma. Jetzt haben wir bereits die dritte Gene-
ration. Dabei sind die Kosten deutlich gesunken:
Vor sechs Jahren kostete die Ausstattung einer
Wohnung mit einem Assistenzsystem 30.000 €.
Jetzt sind es nur noch 5.000 € – und wir wollen
auf 2.500 bis 3.000 € kommen.
Dr. Peter Schaffner:
Ich stelle mir die Frage, ob
wir eigentlich die Datenhoheit in der Wohnung
wirklich brauchen. Wie wollenwir mit der vorhan-
denen Technik verhindern, dass einer der weltweit
agierenden Konzerne in großem Stil in die Able-
sung von Verbrauchsdaten einsteigt?
Dr. Manfred Alflen:
Bestimmte Dinge, über die
wir heute diskutieren, gehen nun mal nicht ohne
die Wohnungsunternehmen. Wir können ja über
Google alles Mögliche denken, aber am Ende
des Tages erstellen die Wohnungsunternehmen
die Betriebskostenabrechnungen. Und dafür
müssen sie nun mal über die Daten verfügen.
Wenn die Wohnungswirtschaft aber die damit
verbundenen Chancen nicht nutzt, dann sehe ich
das Risiko, dass sich die politischen Rahmenbe-
dingungen zu Ungunsten der Wohnungswirtschaft
ändern könnten.
Axel Gedaschko:
Ich
möchte in diesem Zu-
sammenhang noch ein-
mal auf das Smart Meter
Gateway hinweisen. Da-
hinter steckt eine Idee
der Europäischen Union, die Mieter in Europa in
die Lage zu versetzen, sich auch unterjährig über
ihre Verbrauchswerte informieren zu können.
Wir alle wissen, dass ein Smart Meter Gateway
teuer ist und sich nicht rechnet, wenn man nur
den Strom darüber abliest. Interessant wird das
System jedoch, wenn man das Ganze bündelt und
diese Bündelung auch dem Mieter zugänglich
macht. Das wäre vor einigen Jahren noch nicht
möglich gewesen. Die Welt hat sich verändert,
und zwar zugunsten der Wohnungswirtschaft. Die
Wohnungsunternehmen sind heute in der Lage,
Messdienstleistungen zu bündeln. Ganz wichtig
ist, dass dies über ein gesichertes System erfolgt.
Damit können wir den Mietern versprechen, ihre
Daten optimal zu schützen.
Dr. Axel Viehweger:
Im politischen Kontext be-
schäftigt mich vor allem das Thema E-Health. In
vielen Regionen Europas ist es selbstverständlich,
dass persönliche Gesundheitsdaten – etwa Vorer-
krankungen und regelmäßig eingenommeneMedi-
kamente – auf der Gesundheitskarte gespeichert
sind. Das hat den großen Vorteil, dass auch der
Arzt, der den Patienten nicht kennt, ihn angemes-
sen behandeln kann. In Deutschland aber ist das
angeblich wegen des Datenschutzes undenkbar.
Wieso gibt man dem mündigen Bürger nicht die
Gelegenheit, selbst darüber zu entscheiden?Wenn
ich bewusstlos imStraßengraben liege, möchte ich
sicher sein, dass der Arzt mich richtig behandelt.
Ich werde aber in diesem Straßengraben sterben,
nur weil mir verbotenwird, meine Daten auf dieser
Karte zu speichern.
Dr. Manfred Alflen:
In meinem früheren Berufs-
leben brachten wir bereits 1999 ein Pilotprojekt
für eine solche Gesundheitskarte auf denWeg. 16
Jahre später sind wir nicht viel weiter. Auch ich
plädiere deshalb für einen pragmatischen Umgang
mit dem Datenschutz. Wir Deutsche sollten uns
anschauen, wie andere europäische Länder mit
demDatenschutz umgehen, die ja auch nicht ihre
Bürger den Googles dieser Welt zumFraß vorwer-
fen wollen, sondern ein ähnliches Wertesystem
habenwie wir. Trotzdemverfolgen sie einen prag-
matischeren Ansatz. Dabei finde ich es gut, dass
die Europäische Union einen Regelungsmechanis-
mus für den Datenschutz schafft, der für die gan-
ze EU gilt. Darauf werden auch global agierende
Unternehmen reagierenmüssen – anders, als wenn
nur ein Land vorprescht.
Axel Gedaschko:
Die Digitalisierung führt ganz
unabhängig von der Person der Akteure zu einer
Verlagerung der Wertschöpfung. Das wird man
nicht verhindern können. Wennman es aber nicht
verhindern kann, dann sollte man es für die ei-
genen Zwecke nutzen und die Wertschöpfung in
Deutschland belassen – zumBeispiel beimAblesen
der Verbrauchsdaten. Ich teile nicht die Ansicht,
dass wir das getrost allein denMessdienstleistern
überlassen sollten. Wir leben in einer multinati-
onalen Welt, und die internationalen Investoren
haben andere Gewinnerwartungen als die deut-
scheWohnungswirtschaft. Deshalb finde ich, dass
wir gerade vor dem Hintergrund des Ringens um
bezahlbares Wohnen an jeder, aber wirklich jeder
Stellschraube drehen müssen, um diese Wert-
schöpfung bei uns zu halten und für den Mieter
und das Unternehmen zu nutzen. Das aber wird nur
gelingen, wennwir diesen Prozess teilweise selber
in der Hand haben. Teilweise sage ich, weil wir
natürlich eine Arbeitsteilung haben und deshalb
auch Prozesspartner brauchen. Aber die zentrale
Stelle, nämlich die Auftragsvergabe, muss in den
Händen der Wohnungswirtschaft bleiben.
Thomas Ortmanns:
Dr. Viehweger hat darauf
hingewiesen, dass die großen internationalen
„Die Zeit ist reif, die Chancen sind da, und man muss
jetzt starten, bevor andere die Spielregeln
bestimmen.“
Dr. Manfred Alflen
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11|2015
MARKT UND MANAGEMENT