DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 11/2015 - page 84

Generation ist kaum einer mehr in der Lage, ein
Fachgebiet zu strukturieren. Bei einer vorgege-
benen Aufgabe kommen Schüler und Studenten
kaumnoch über Google undWikipedia hinaus. Die
Fähigkeit, ein Wissensgebiet zu strukturieren, ist
verloren gegangen.
Dr. Manfred Alflen:
Sie sprechen einenwichtigen
Punkt an. Auf unserem Aaeron-Kongress in Gar-
misch-Partenkirchen hat der Wirtschaftsexperte
und Zukunftsforscher Dr. Kjell A. Nordström sehr
anschaulich beschrieben, wie explosionsartig das
Wissen zunimmt. Und er hat die klare Anforderung
formuliert, dass die Schule die Fähigkeit vermit-
telnmuss, damit umzugehen. Es kommt also nicht
mehr darauf an, Faktenwissen zu erwerben – das
kann man leicht nachlesen –, sondern darauf, den
Zugang zu Informationen zu finden und daraus
kluge Schlüsse zu ziehen. Das ist eine große Her-
ausforderung an unser Bildungssystem.
Prof. Dr. Tobias Teich:
Auchwirtschaftlich stehen
wir vor gewaltigen Herausforderungen. In unse-
rem politischen System können sich Entwicklun-
gen nicht so entfalten, wie das z.B. in den USA
der Fall ist. Imglobalen Index der wichtigsten Un-
ternehmen, die sich mit Digitalisierung befassen,
ist ja höchstens SAP vertreten. Das hängt damit
zusammen, dass, sobald eine Entwicklung intel-
ligent wird, der Datenschutz zum Tragen kommt.
Dadurchwerden Entwicklungenmassiv blockiert,
so dass andere das Rennen machen. Deswegen
gebe ich die Prognose ab, dass sich Deutschland
in 20 bis 30 Jahren wirtschaftlich weiter unten
als heute befinden wird. Die Dinge werden sich
schneller ändern, als man denkt.
Dr. Manfred Alflen:
Man sollte die Hoffnung nicht
aufgeben. Blickenwir doch nochmal auf die Auto-
industrie: Vor kurzem haben sich die drei großen
deutschen Automobilhersteller zusammenge-
schlossen, um den Kartendienst Nokia Here zu
kaufen. Denn sie haben erkannt, dass derjenige,
der über diese Daten verfügt, einen entscheiden-
den Vorteil hat, wenn es um die Steuerung von
Autos geht. Drei Unternehmen, die sonst in einem
harten Konkurrenzkampf stehen, machen also in
diesemPunkt gemeinsame Sache, weil sie gemerkt
haben, dass jeder von ihnen zu klein ist, umwelt-
weit mithalten zu können. Deshalb sollten auch
die Wohnungsunternehmen, unterstützt von den
Verbänden, denWeg gemeinsambeschreiten und
die Chancen für die Zukunft gemeinsam nutzbar
machen. Sie sollten jetzt in den Zug einsteigen.
Axel Gedaschko:
Sehr richtig. Die größte Gefahr
ist, dass wir so weitermachen wie bisher, obwohl
sich die digitale Welt rasant ändert. Also lasst uns
aufwachen und diese Chancen nutzen.
Jürgen Steinert:
Ein Schlusswort im Sinne eines
Resümees verbietet sich. Einen Punkt möchte ich
jedoch hervorheben. Ich bin überzeugt, dass die
Schwarmintelligenz, die in den Verbänden steckt,
stärker als in der Vergangenheit für die Unterneh-
men nutzbar gemacht werden sollte. In der Ver-
gangenheit richtete sich die Aufmerksamkeit der
Verbände ja hauptsächlich auf die Politik, indem
sie darauf hinarbeiteten, angemessene politische
Rahmenbedingungen für dieUnternehmen durch-
zusetzen. Dieses Bündeln der Interessen, dieses
gemeinsame Streiten für eine Sache erfordert bei
der Digitalisierung einen Blick der Verbände auf
sich selber. Ziel sollte es sein, dass die Unterneh-
men die Verbände als ihre Schnittstelle begreifen,
die es ermöglicht, Informationen zu bündeln und
zu gewichten, Empfehlungen abzugeben und mit
Partnern zusammen neue Modelle zu entwickeln.
Damit wird die Verantwortung der Verbände grö-
ßer. Gleichzeitig kann es so gelingen, gemeinsamzu
agieren und die Effizienz zu steigern. Für die damit
verbundenen Chancenmüssenwir ein Bewusstsein
wecken. Wenn unser Gespräch dazu beitragen kann,
dann sind wir ein ganzes Stück weiter.
Dies war das 20. Brandenburger-Hof-Gespräch,
was in dieser langen Tradition nur möglich ge-
worden ist, weil die Aareal Bank als Sponsor die-
ses Format unterstützt. Zu der Aareal Bank und
ihrer Tochtergesellschaft Aareon haben wir ein
Vertrauen, das bei vielen Firmen, die sich mit der
Digitalisierung befassen, erst noch aufbauenmüs-
sen. Dafür herzlichen Dank. Und ebenfalls ganz
herzlichen Dank, Frau Eltrop, meine Herren, für
Ihre Diskussionsbeiträge.
Sophia Eltrop
Thomas Ortmanns
Jürgen Steinert
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