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Sonderheft Finanzierung |2015
oft genug parallel auf nationaler, europäischer und
internationaler Ebene und zwischen den verschie-
denen Behörden. Dabei sind diese oft nur unzu-
reichend aufeinander abgestimmt. Ihre enormen
kumulativen Effekte und Interdependenzen treten
erst langsam zutage. Helfen könnte ein Regulie-
rungsmoratorium bei gleichzeitiger Evaluierung
der Auswirkungen der Finanzmarktregulierung.
Auswirkungen der Regulierungen
So laufen wir zum Beispiel Gefahr, dass die stei-
genden Kapital-, Risikotragfähigkeits- und Li-
quiditätsanforderungen mittel- bis langfristig
massive Auswirkungen auf das Kreditgeschäft
der Banken haben könnten. Eine durch immer
weitere regulatorische Vorgaben getriebene Ein-
schränkung der Kreditvergabe wiederum würde
gravierende Nachteile für Industrie und Mittel-
ständler in Europa bedeuten, für die nach wie vor
der Bankkredit das Finanzierungsmittel der Wahl
ist. Auch großzügige Übergangsfristen, die den
Banken die notwendigen Anpassungen erleich-
tern sollen, werden dieses Risiko nicht mindern.
Der Markt, Ratingagenturen und zum Teil auch
Aufsichtsbehörden verlangen häufig sogar eine
sofortige Anwendung bzw. die vorgezogene Si-
mulation aller Auswirkungen.
Gerade Europas Wirtschaft braucht handlungs-
fähige und kreditbereite Banken, insbesondere
in jenen Ländern, in denen die Krisenfolgen noch
nicht überwunden sind. Nicht umsonst versucht
die Europäische Zentralbank auf demWege einer
expansiven Geldpolitik, die Kreditvergabe anzu-
kurbeln – was vor demHintergrund gegenläufiger
Regulierung durchaus kritisch betrachtet werden
kann.
„Spielregeln“
Eine weitere Forderung der Kreditwirtschaft an
Gesetzgeber und Regulierungsbehörden lässt sich
unter dem Begriff „Gleiche Spielregeln für alle“
fassen, also das sogenannte „level playing field“.
Gleiches sollte gleich, Ungleiches auch ungleich
reguliert werden. Es ist beispielsweise bei der Ban-
kenabgabe überhaupt nicht nachvollziehbar, dass
diese in fast allen Ländern steuerlich abzugsfähig
werden soll – nur nicht in Deutschland. Die un-
differenzierte Anwendung eines Regelwerks auf
Banken mit völlig unterschiedlicher Größe, Ge-
schäftsmodellen und Risikoexpositionen ist dage-
gen ebenfalls nur begrenzt hilfreich. Andererseits
ist es umso mehr geboten, auch Schattenbanken
einem genauso strengen regulatorischen Regime
wie Banken zu unterwerfen, wenn sie originäres
Bankgeschäft betreiben – etwa, indem sie Immobi-
lien finanzieren oder Vermögen verwalten. Gleich-
zeitig aber darf der bereits umfassend regulierte
Bankensektor durch derlei ergänzende Regulie-
rungen nicht noch zusätzlich belastet werden.
Die endlose Regulierung beschränkt sich aber
nicht nur auf einen Sektor. Sie greift vielmehr um
sich und betrifft neben der Bankenbranche auch
andere Industrien wie die Energiewirtschaft oder
auch die Immobilien- und Wohnungswirtschaft.
Meist steht hinter diesen Eingriffen das schon
erwähnte Misstrauen der Regierenden gegen-
über dem freien Kräftespiel des Marktes. Im Falle
der Immobilien- und Wohnungswirtschaft steht
in Deutschland besonders die sogenannte Miet-
preisbremse im Mittelpunkt des Interesses: Bei
Wiedervermietungen wird es frei verhandelbare
Mieten in der bisherigen Form nicht mehr geben.
Es drohen negative Auswirkungen insbesondere
auf Investitionen in den Bestand.
Anlagenotstand
Die Gefahr mag in der aktuellen Niedrigzinsphase
angesichts des verbreiteten Anlagenotstandes und
der daraus resultierenden relativ hohen Attrak-
tivität der Anlageklasse Immobilien noch nicht
akut sein. Mittel- bis langfristig aber könnten ne-
ben privaten Investoren nicht zuletzt Versicherer
und Pensionskassen, die sich seit einigen Jahren
wieder vermehrt bei Wohnimmobilien engagie-
ren, ihre Investitionsbereitschaft aber drastisch
zurückfahren, wenn die erzielbare Rendite in die-
semSegment durch staatliches Handeln verringert
würde. Die Folge: Das Wohnungsangebot würde
zusätzlich verknappt. Zudem würden mit einer
Mietpreisbremse gerade diejenigen Vermieter
bestraft, die sich für nachhaltiges und bezahl-
bares Wohnen einsetzen. Viel wirkungsvoller für
das Ziel, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaf-
fen, wäre ein gut durchdachter Maßnahmenplan
für den Wohnungsneubau auf Länderebene, der
gesetzlich fixiert werden sollte. Damit kann der
Bau neuer Wohnungen gerade in den Gebieten
mit Engpässen angekurbelt und stark steigenden
Mieten entgegengewirkt werden. Einseitige staat-
liche Eingriffe in die Vertragsfreiheit – und nichts
anderes wäre die Mietpreisbremse im ersten Re-
ferentenentwurf gewesen – haben sich hingegen
in den seltensten Fällen als zielführend erwiesen.
Augenmaß und Selbstzweck
Damit keine Missverständnisse aufkommen:
Staatliche Regulierung ist richtig und notwendig
– wenn sie mit Augenmaß betrieben und nicht
zum Selbstzweck wird. Eine sinnvolle Regulie-
rung muss sicherstellen, dass sich die potenziell
negative Dynamik deregulierter Märkte, wie wir
sie in der Vergangenheit erleben mussten, nicht
wiederholt. Das gilt für alle Branchen gleicherma-
ßen. Für den Bankensektor heißt das konkret: Der
regulatorische Rahmenmuss so gestaltet werden,
dass einzelne Institute keine Geschäfte betreiben,
deren Nutzen für die Realwirtschaft begrenzt ist,
deren Ausfall aber letztlich die Gesellschaft ins-
gesamt belastet.
Es geht mithin ebenso sehr um die Risikoneigung
einzelner Institute wie umdie Risikotragfähigkeit
des gesamten Systems. Der Effekt einer solch fo-
kussierten Regulierung: eine Rückbesinnung der
Branche auf ihre eigentliche volkswirtschaftliche
Rolle, nämlich die Finanzierung der Realwirt-
schaft. Für dieWohnungswirtschaft bedeutet dies,
dass regulatorische Eingriffe das wirtschaftliche
Handeln der Wohnungsunternehmen nicht unter-
graben dürfen. Kernaufgabe bleibt, weiterhin be-
zahlbares Wohnen zu bieten und damit für soziale
Gerechtigkeit zu sorgen. Den Nutzen davon hätten
wir alle.
Quelle: panthermedie / kaarsten