DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2015 Sonderheft - page 7

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Sonderheft Finanzierung |2015
Diese drei Punkte werden nachfolgend erläutert,
schließlich sind sie Basis für ein Verstehen der
Darlehensmärkte „hinter der Bühne“.
Engagement in der Wohnungswirtschaft:
Struktur der Finanzierungsanbieter
Ende 2013 betrug das Gesamtvolumen bei Woh-
nungsbaukrediten in Deutschland 1.159,3Mrd. €.
Davon entfielen nur 319,3Mrd. € auf das Geschäft
mit Firmenkunden, wie z.B. Wohnungsunterneh-
men. 57,9% des Firmenkundengeschäfts waren
von regional ausgerichteten Kreditinstituten
(= private Regionalbanken, Öffentliche Spar-
kassen und Kreditgenossenschaften) bilanziert.
Großbanken, Realkreditinstitute und sonstige Kre-
ditinstitute wie z. B. Landesbanken/Girozentralen
verloren in den letzten Jahren in Anbetracht der
Bundesbank-Statistiken nachhaltig an Bedeutung.
Allein Realkreditinstitute bauten ihr Engagement
bei Wohnungsbaukrediten insgesamt in den letz-
ten zehn Jahren bis Ende 2013 um 55,9% ab!
Die Hauptfinanzierer der Wohnungswirtschaft
sind somit Häuser, die im klassisch etablierten
Zinsgeschäft undwenig bis kaum imProvisionsge-
schäft, vor allemnicht imGroßkunden- und/oder
Investment-Banking tätig waren und sind. Ihre
Anteile der besicherten Kreditgeschäfte an den
jeweiligen gesamten Kreditgeschäften sind ent-
sprechend historisch geprägt hoch (siehe Grafik
S. 4): Öffentliche Sparkassen wiesen Ende 1999
mit 41,6% noch den höchsten Anteil auf, den sie
bis Ende 2014 auf 44,0% steigern konnten.
Kreditgenossenschaften starteten Ende 1999
zwar nur mit 39,0%, überholten aber Ende 2014
mit 47,5% sogar die Öffentlichen Sparkassen im
Engagement für die Wohnungswirtschaft.
Die Anteile privater Regionalbanken entwickelten
sich lediglich von ursprünglich 23,7% Ende 1999
auf 36,9% Ende 2014.
Bedeutungsvolatilität des
Wohnungsbaukreditgeschäfts
Hier ist zunächst eine nachhaltige Entwicklung der
Kreditwirtschaft in Richtung Partnerschaft mit der
Wohnungswirtschaft zu vermuten. Wenn aber die
Entwicklungen der Kreditengagements der Ban-
kengruppen an deren Bilanzsumme betrachtet
werden, konterkariert sich die zuvor formulierte
These deutlich: Eigenen Analysen zur Folge (siehe
Knüfermann, ZIWP 01/2014, S. 39-41) agierten
gerade die privaten Regionalbanken äußerst vo-
latil im Kreditgeschäft insgesamt!
Politikabhängigkeit des Zinsniveaus
Wenn die Hauptfinanzierer der Wohnungswirt-
schaft ihre Geschäftsschwerpunkte aktuell im
Kreditgeschäft und dazu insbesondere im Woh-
nungsbaukreditgeschäft setzen, dannwiegt ihnen
die politisch determinierte Zinsniveauentwicklung
seit dem Jahr 2008 schwer. Zwar ist das Neuge-
schäft der Kreditinstitute nur ein Anteil am ge-
samten Zinsgeschäft, weil auch noch Teilkredite
aus der Zeit vor 2008 ungetilgt innerhalb damals
vereinbarter Zinsbindungen auslaufen. Doch
kann dieser Sachverhalt nur noch maximal vier
Jahre Gültigkeit besitzen. Somit sinkt die Durch-
schnittsverzinsung im Bestandskundengeschäft
mit Wohnungsbaukrediten kontinuierlich, wie hier
(siehe Grafik unten) exemplarisch für Privatkun-
dengeschäftemangels alternativ veröffentlichter
Bundesbank-Daten visualisiert wird: Von Januar
2003 bis Ende 2013 sank der Effektivzinssatz für
Wohnungsbaubestandskredite mit einer Zinsbin-
dungsdauer zwischen fünf und zehn Jahren von
knapp 6,0% auf lediglich 3,8%.
Fazit und Ausblick
Die aktuelle Situation der Wohnungswirtschaft
ohne Finanzierungsprobleme bietet Zeit und
Raum, sich mit möglichen Finanzierungsalterna-
tiven für die Zeit nach der kommendenMarktwen-
de zu beschäftigen. Nicht erst, wenn es wieder
Finanzierungsprobleme geben wird, sollten die
Unternehmen ihre Finanzierungsstrategien über-
denken, sondern jetzt.
Dabei spielen selbstverständlich die in diesemZu-
sammenhang üblichen Finanzierungsalternativen
eine Rolle: Zum einen können Wohnungsunter-
nehmen bei der primären Darlehensfinanzierung
bleiben, sich aber z. B. durch die Gründung einer
Wohnungswirtschaftsbank von den Geschäftsban-
ken und deren Risikostrukturen unabhängiger ma-
chen. Dennwarum solltenWohnungsunternehmen
mit ihren risikoarmen Finanzierungsstrukturen die
Ausfallraten für „Dönerbudenwachstumskredite“
o. ä. finanzieren.
Auchmacht es wenig Sinn, dass der Vermittlungs-
vertrieb von KfW-Darlehen an Geschäftsbanken
Provisionserträge generiert. Sie könnten bei ei-
ner brancheneigenen Bank in der Branche selbst
Verwendung finden. „Interesse zeigt [hieran]
auch die Deutsche Annington. ‚Das Kaufen oder
Gründen einer Bank ist grundsätzlich im Rahmen
unserer Strategie möglich‘, sagte Rolf Buch, Chef
von Deutschlands größtem Wohnungsvermieter,
kürzlich.“ (lt. Handelsblatt Ausgabe Nr. 222).
Zumanderen können sichWohnungsunternehmen
auch mittels Anleihen über die (börsennotierten)
Kapitalmärkte finanzieren. Für kleine Unterneh-
men bieten sich z.B. Gemeinschaftsanleihen an.
Letztlich bieten sich auch weitere Innovationen
durch Kombinationen von Finanzierungsinstru-
menten an.
Genug Inhalte also, um sich in diesem Sonder-
heft Finanzierung ausschließlich und ausgiebig
mit dieser derzeit hoch brisanten und wesentlich
zukunftsgestaltenden Thematik auseinanderzu-
setzen.
EFFEKTIVZINSSÄTZE FÜR WOHNUNGSBAUKREDITE AN PRIVATE
(BESTANDSGESCHÄFTE; 5 BIS 10 JAHRE IN DEUTSCHLAND; JAN. 2003 BIS JAN. 2015)
01.2003
EffektivzinssätzefürüberfünfjährigeWohnungsbau-
kredite an Private im Bestandgeschäft (in Prozent)
Aktueller Wert (Jan. 2015):
Effektivzinssatz: 3,69%
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01.2013
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07.2007
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Quelle: Deutsche Bundesbank-Daten; Prof. Knüfermann-Analysen
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