DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2015 Sonderheft - page 8

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Sonderheft Finanzierung |2015
„Wer nichts verdient, ist wirtschaftlich instabil“
Ist das Geschäftsmodell der deutschen Banken
noch zeitgemäß?
Stresstest, Finanzkrise, Niedrigzinsen: Notenbanken und Gesetzgeber können immer nur die
Symptome kurieren, aber nicht die Krankheitsursache an sich und die ist und bleibt die schwindende
Ertragskraft der Kreditinstitute. Wie sieht die Zukunft aus?
Im Jahre 1933 führten die USA mit dem Glass-
Steagall-Act das Trennbankensystem als Konse-
quenz der Weltwirtschaftskrise und der darauf
folgenden Bankenkrise ein. In die gleiche Zeit fällt
auch in Deutschland die Diskussion um Regelung
des Bankenwesens, was 1935 zur Verabschiedung
des Kreditwesensgesetzes (KWG) führte, das auf
dem Universalbankenprinzip aufbaut. Danach
können Banken faktisch alle Bank- und Finanz-
geschäfte unter einem „Rechtsdach“ abwickeln,
während in einemTrennbankensystemdas Invest-
ment Banking vomCommercial Banking rechtlich
getrennt wird.
Das Geschäftsmodell eines Universialbanken-
systems ist denkbar einfach: Die Kreditinstitute
(Banken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenban-
ken) nehmen auf der einen Seite die Einlagen ihrer
Anleger (das sog. Passivgeschäft) entgegen und
leihen diese Gelder auf der andere Seite in Form
von Krediten (sog. Aktivgeschäft) wieder aus.
Da der Zinssatz für Kredite aufgrund der Risiko-
prämie höher ist als der Anlagezins, ergibt sich
eine zinsabhängige Marge, die Betriebskosten
und die Risikokosten (eingetretene Kreditver-
luste) abdeckt sowie einen Gewinnbeitrag ent-
hält. Daneben betreiben die Kreditinstitute das
zinsunabhängige Dienstleistungsgeschäft (sog.
Provisionsgeschäft wie z. B. das Girogeschäft, der
Wertpapierhandel oder die Depotverwaltung).
Sowohl das zinsabhängige als auch das zinsun-
abhängige Bankgeschäft bescherte den Kreditin-
stituten über Jahrzehnte hinweg eine sehr stabile
wirtschaftliche Entwicklung mit ausreichender
(bilanzieller) Risikoabschirmung. Zudemkonnten
die Kreditinstitute ein flächendeckendes Filialnetz
aufbauen, mit dem sie eine hoheMarktdurchdrin-
gung realisieren konnten.
Veränderte Rahmenbedingungen
Nun haben sich die Rahmenbedingungen in den
letzten zehn Jahren für Kreditinstitute grundle-
gend geändert. Im Wesentlichen sind zu nennen:
1. Onlinebanking verdrängt zunehmend die Filiale;
2. die Markttransparenz insbesondere in Hinblick
auf die Konditionen ist deutlich gestiegen bei
gleichzeitig abnehmender Kundenloyalität;
3. die Verschärfung des Aufsichtsrechts und damit
die gestiegenen Eigenkapitalanforderungen;
4. die Krisenanfälligkeit des Finanzsystems und
der Wirtschaft insgesamt;
5. die langanhaltende Niedrigzinsphase.
Insbesondere die langanhaltende Niedrigzins-
phase drückt auf die Zinsmarge. Wie das Wall-
street Journal im August 2014 mitteilte, ist
die Gewinnmarge von durchschnittlich 2,45% in
2004 auf 1,44% in 2014 gefallen, das entspricht
einem Margenfall von ca. 40% in 10 Jahren. Wie
die nebenstehende Grafik zeigt, lag die Zins-
Prof. Dr. Hanspeter Gondring
FRICS, Duale Hochschule
Baden-Württemberg
Stuttgart
1,6
0
2,0
2
1,2
2,4
4
2,8
6
3,2
8
3,6
10
4,0
12
Zinsspanne – Regional- und sonstige Kreditbanken
Zinsspanne – Sparkassen
ZINSSPANNE UND LANGFRISTIGER ZINSSATZ IN %
1970
1980
1975
1985
2000
1990
2005
1995
2010
* 2013: Prognose; Quelle: Deutsche Bundesbank, BVR
Zinsspanne – Kreditgenossenschaften
Rendite 10-jähriger Staatsanleihen*
(rechte Skala)
SONDERHEFT FINANZIERUNG
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