DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2015 Sonderheft - page 6

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Sonderheft Finanzierung |2015
Als imHerbst 2008 die U.S.-amerikanische Invest-
ment-Bank Lehman Brothers Insolvenz anmelden
musste, weil sie als einziges international aktives
Kreditinstitut ihrer Zeit bei betriebswirtschaft-
licher Schieflage nicht durch den Staat gerettet
wurde, drohte das Weltfinanzsystem zu kollabie-
ren. Denn eine wesentliche Grundfunktion der
Finanzmärkte sind sogenannte Interbankenmarkt-
geschäfte. Kreditinstitute leihen und verleihen
sich also untereinander Finanzmittel undmanagen
auf diese Weise ihre Liquidität. Dieser Markt ist in
seinem Umfang wesentlich bedeutender als der
Markt für Zentralbankgeld wie z. B. im Rahmen
von Hauptrefinanzierungsgeschäften der Ge-
schäftsbankenmit der Europäischen Zentralbank.
Doch die reale Insolvenz von Lehmen Brothers
erschütterte weltweit das Vertrauen an den In-
terbankenmärkten nachhaltig, so dass diese
Märktemassiv an Funktionsfähigkeit verloren. Zu
erkennen war es z. B. an den signifikanten Zins-
niveauerhöhungen am Frankfurter Bankenplatz:
Im Oktober 2008 lag allein der Dreimonats-EU-
RIBOR bei 5,11% und dabei sogar 1,29%-Punkte
oberhalb des EONIA für täglich fällige Zinsver-
einbarungen. In den Jahren davor betrug diese
Differenz zumeist nur 0,1%-Punkte! Undweil sich
dieses Phänomen auf allen weltweit führenden
Finanzplätzen abspielte, beschlossen die Zent-
ralbanken der globalen Wirtschaftsmächte zur
Stabilisierung des weltweiten Finanzsystems die
bislang längste politisch determinierte, markt-
künstliche Niedrigzinsphase einzuläuten, die bis
heute anhält. Schließlich wurde die Niedrig(st)
zinspolitik inzwischen auch noch ausgedehnt auf
die Rettung ganzer Staaten vor einer drohenden
Überschuldung.
In Konsequenz dieser historisch bislang einmali-
gen staatlichen Willkür von Zentralbanken sieht
sich dieWohnungswirtschaft mit einemSchlaraf-
fenland der Wohnungsbaufinanzierung konfron-
tiert. Grundpfandrechtlich besicherte Darlehen
mit (mindestens) zehnjährigen Zinsbindungen
sind 2014/15 – je nach einflussnehmender Un-
ternehmensbonität – zu weit unterhalb von 2%
kalkulierbar. Und dazu müssen Wohnungsunter-
nehmen nichtmal selbst aktiv werden und Kredit-
institute aufsuchen. Vielmehr buhlen insbesonde-
re viele deutsche Regionalinstitute intensiv um
Möglichkeiten des Ausbaues ihrer Engagements
im Wohnungsbaukreditgeschäft.
Wachsende Instabilität bei Bankendarlehen
Allerdings ist dieses Schlaraffenland von endlicher
Natur - hierfür sprechen drei Gründe:
1. Die Struktur der Finanzierungsanabieter hat
sich verändert.
2. Die Hauptfinanzierer der Wohnungswirtschaft
haben einen konzeptionellen Strategiewechsel
vollzogen, dessen Nachhaltigkeit fraglich ist.
3. Unter Auslassung japanischer Marktbeobach-
tungen müssen politisch determinierte Nied-
rigzinsphasen irgendwannwieder demSpiel der
Marktkräfte überlassenwerden, wenn die künst-
lichen Märkte nicht selbst kollabieren sollen.
Zukunft der Finanzierung in der Wohnungswirtschaft
Wo kommen wir her, was bedeutet es, was wird kommen?
Genauere Marktbeobachtungen verdeutlichen, dass die aktuell sehr kapitalkostengünstigen
Wohnungsbaukreditfinanzierungen in Deutschland nicht mehr von langer Dauer sein können. Auf eine
Endlichkeit des derzeitigen Finanzierungsschlaraffenlands von Wohnungsunternehmen wirken
entweder mögliche Geldmengenausweitungen bzw. inflationäre Tendenzen hin oder aber zunehmende
Ertragsprobleme deutscher regionaltätiger Kreditinstitute. Wann genau der Zeitpunkt einer Marktwende
kommen wird, bleibt dennoch Glaskugelschauen.
Prof. Dr. Markus Knüfermann
Fachbereich Volkswirtschaftslehre
EBZ Business School
Bochum
50%
45%
40%
35%
30%
25%
20%
Kreditgenossenschaften
Regionalbanken
Sparkassen
ANTEILE DER WOHNUNGSBAUKREDITE INSGESAMT AN KREDITEN
IM GRUPPENWETTBEWERB FÜR ENDE 1999 BIS ENDE 2014
´99 ´00 ´01 ´02 ´03 ´04 ´05 ´06 ´07 ´08 ´09 ´10 ´11 ´12 ´13 ´14
Quelle: Deutsche Bundesbank-Daten; Prof. Knüfermann-Analysen
SONDERHEFT FINANZIERUNG
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