DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 4/2015 Sonderheft - page 19

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Sonderheft Finanzierung |2015
Ein Blick ins Detail: Bevölkerungswachstum
und stagnierende Wohnbautätigkeit
In den letzten zehn Jahren ist London ummehr als
1Mio. Einwohner gewachsen; der gleicheWachs-
tumstrend ist für die kommenden ca. zehn Jahre
zu erwarten, bevor sich in den Jahren 2023 bis
2033 das Wachstumauf 850.000 neue Einwohner
abschwächt. Dies stellt gegenüber 2013 ein Ge-
samtwachstum von 23% auf dann fast 10,5 Mio.
Menschen dar.
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ImJahr 2011waren in London etwas über 3,4Mio.
Wohneinheiten registriert
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. Davon entfallen über
2,5 Millionen (75,9%) auf den privaten Wohn-
markt, ca. 429.000 (12,6%) sind in öffentlicher
Trägerschaft (überwiegend Gemeinden) und
390.000 (11,5%) im Besitz privater Wohnbau-
gesellschaften
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. Von den Wohnungen in London
sind 48,3% imEigenbesitz bewohnt (dies beinhal-
tet Immobilien, die einen noch laufenden Finan-
zierungskredit haben
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), 25,1% sind im privaten
Mietmarkt und 24,1% im sozialen Mietmarkt;
von den verbleibenden Wohnungen sind 1,3% in
shared ownership (Mietkauf) und ebenfalls 1,3%
mietfrei zur Verfügung gestellt (z. B. durch den
Arbeitgeber).
Diese Verteilung zwischen Eigennutzung und
Mietmarkt verändert sich jedoch drastisch auf
Gemeindeebene (siehe Abb. 2): In Inner London
ist die Verteilung fast paritätisch zwischen Eigen-
nutzung (33,5%), privatem Mietmarkt (30,7%)
und sozialem Mietmarkt (32,8%). Der höchste
Anteil von sozialen Mietwohnungen findet sich
in Southwark und Hackney (jeweils 43,7%); der
höchste Prozentsatz an privat vermieteten Woh-
nungen findet sich in Westminster (39,7%) und
der City of London (35,9%). Der höchste Anteil
an Eigennutzung findet sich in den Gemeinden
Outer Londons: Havering (73,8%), Bexley (72,5%)
and Bromley (70,9%).
Im vergangenen Jahrzehnt sind in London durch-
schnittlich pro Jahr 27.400 neueWohnungen
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zum
Bestand hinzugekommen, wobei die Anzahl bis zur
Rezession im Jahr 2008 auf fast 33.000 angestie-
gen ist, bevor sie dann auf etwa 24.000 pro Jahr
abgefallen ist. ImJahr 2013 sind nur noch 21.040
Wohnungen zumLondoner Bestand hinzugekom-
men. Dies entspricht noch nicht einmal der Hälfte
der jährlich aufgrund des Bevölkerungszuwachses
benötigten Wohneinheiten.
Inder Konsequenz führender starke Bevölkerungs-
zuwachs (ca. 100.000 pro Jahr) und die niedrige
Neubaurate (21.000 pro Jahr) dazu, dass Wohnun-
gen in London immer knapper und somit teurer
werden. Im Juli 2014 lag der durchschnittliche
Immobilienpreis in London mehr als 350.000 €
über dem nationalen Durchschnitt.
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Verglichen
zum durchschnittlichen Haushaltseinkommen
liegen die Londoner Immobilienpreise zwischen
dem 6- (Barking und Dagenham) und 21-fachen
(Kensington und Chelsea) Jahreseinkommen.
Im privaten Mietmarkt wird erwartet, dass die
Mietpreise bis 2020 um bis zu 30% ansteigen
werden.
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Dies folgt einem schon rasanten An-
stieg von 7,9% im letzten Jahr (2013); das be-
deutet, Mieten sind in diesem Jahr 8-mal stärker
als Einkommen gestiegen.
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In zentralen Londo-
ner Lagen werden somit bis zu 60% des durch-
schnittlich verfügbaren Haushaltseinkommens
für die Miete verwendet; in mehr als 20 Lon-
doner Boroughs ist der Anteil noch über 40%,
und selbst in günstigeren Lagen in Outer Lon-
don ist der Mietanteil gemessen am Haus-
Quelle: urbarno-Grafik auf Grundlage von „Department for Communities and Local Government (DCLG) Live Tables
on Dwelling Stock, February 2014
ABB. 1: DURCHSCHNITTLICHE
IMMOBILIENPREISE IN LONDON
JULI 2014 (£)
ABB. 2: ANTEIL DER SOZIALEN
MIETWOHNUNGEN
(%/WOHNUNGEN GESAMT)
Was bedeutet dies für den Wohnungsmarkt in
London? In einer Stadt, in der fast jeden Monat
ein neuer Höchstpreis für Immobilien erzielt
wird und ein Quadratmeter in Kensington und
Chelsea so viel wie ein Kleinwagen kostet, wird
das Wohnen immer mehr zum Luxusgut. Mit ei-
nem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von
£3.952 (5.345 €) sind Wohnungen im Großraum
London nicht nur mit Abstand die teuersten im
Land, sondernmit durchschnittlich 92m
2
auch die
kleinsten. Im Juli 2014 war der durchschnittliche
Verkaufspreis einer Wohnung in Greater London
1
£457.000 (618.000 €), ein Anstieg um mehr als
19% im Vergleich zum Vorjahr.
In dem vor allem bei ausländischen Anlegern und
reichen „Wochenendlondonern“ beliebten Gegen-
den gehen aber selbst die Durchschnittspreise auf
weit über 1Mio. € hoch. InMayfair wurde ein Ein-
zimmerapartmentimFrühjahr2014für1,25Mio.€
veräußert: mit 43 m
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kleiner als ein Wagon der
Londoner Tube (U-Bahn) ergibt sich ein Quadrat-
meterpreis von fast 30.000 €.
Die zehn günstigsten Londoner Boroughs sindmit
Ausnahme von Newham alle in Outer London. So
liegt der Durchschnittspreis pro Quadratmeter in
Barking und Dagenham bei £250,000 (338.000
€), in Bexley bei £260.000 (351.500 €), bevor er
dann recht schnell auf umdie £300.000 (406.000
€) ansteigt (siehe Abb. 1).
Für viele Londoner wird daher das Wohnen in der
Stadt immer weniger bezahlbar; Pendeldistanzen
steigen an und immer höhere Anteile des verfüg-
baren Einkommens müssen für Wohnraum ausge-
geben werden, was dazu geführt hat, dass im Jahr
2012 über 1,1 Mio. Menschen in Londoner Haus-
halten trotz eines Einkommens in Armut
2
leben –
ein Anstieg von 440.000 in den letzten zehn Jah-
ren. Darüber hinaus gibt es nochmals etwa 1 Mio.
Menschen in Armut, die komplett ohne Einkommen
sind. Vor allem Kinder (600.000) sind in London
von Armut betroffen. Der höchste Anteil (39%) an
Personen, die in Armut leben, ist imprivatenMiet-
markt; weitere 33% sind im sozialen Mietmarkt.
Mehr als 850.000 Haushalte (26% der gesamten
Haushalte) in London haben im Jahr 2012 Wohn-
geld von durchschnittlich £134 proWoche (181 €)
erhalten. 15.500 Personen in London sind offiziell
als wohnungslos registriert, 36.700 Haushalte le-
ben in temporären Unterkünften und etwa 6.400
Menschenwerden als obdachlos („rough sleepers“)
erfasst. Mit steigendenWohnungskündigungen von
Haushalten, die ihre monatliche Miete nicht mehr
aufbringen können (19‰ imJahr 2012), und Pfän-
dungen von Wohnungen, deren Besitzer die mo-
natliche Kreditrate nicht mehr aufbringen können
(5,5‰ im Jahr 2012), wird sich dieses Problem
wohl noch verschärfen.
0 - 300,000
10% - 13%
300.000 - 375.000
13% - 18%
375.000 - 457.000
18% - 27%
457.000 - 750.000
750.000 - 1.500.000
27% - 37%
37% - 44%
Durchschnittspreis (£)
Anteil der sozialen Mietwohnungen
Quelle: urbarno-Grafik auf Grundlage von „Land Registry House Price Index, July 2014
1...,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 20,21,22,23,24
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