DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 7/2015 - page 22

STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
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7|2015
von Berufsverbänden eingefordert wird – zu be-
rücksichtigen.
Am Ende der Leipziger Onlinewerkstatt stehen
25 Ideen und knapp 1.000 Votings, was als hohe
Akzeptanz des Verfahrens gewertet werden darf.
Damit die nicht zu vernachlässigenden Urheber-
rechte weiterhin gewahrt werden, sind gewisse
Regeln bei der Debatte umeine gemeinschaftliche
Ideenentwicklung auch in Zukunft maßgeblich:
• Mit einer Moderation kann man die Etikette si-
chern (Form der Beiträge, Stil der Diskussion).
• Die Prämierung von Entwürfen kommt nicht
ohne eine analoge Komponente aus. Reine On-
linevotings sind (noch) lockere Spielereien.
• Eine ausgewogene, journalistischen Ansprüchen
gerecht werdende Information ist essenziell.
Immer wiederkehrende Fragen
zu Technik und Programmierung
Für einen Onlinedialog mit Bürgern und interes-
siertem Fachpublikum sind auch technische Fra-
gen zu klären. Die Programmierung von Onlinedia-
logen gestaltet sich durch verschiedene Endgeräte
und unterschiedliche Softwareversionen häufig
schwierig. Wenn die Dialoge dann nur über wenige
Wochen hinweg aktiv sind, stehen Aufwand und
Ertrag in einem Missverhältnis. Besonders dann,
wenn es, verursacht durch speziellere Fragestel-
lungen, um Einzelfälle geht. Für die Teilnehmer
ergeben sich am sog. Front End technische Fragen:
• Das Upload funktioniert nicht, was kann ich tun?
• Ich kann mich nicht registrieren (bzw. muss ich
mich überhaupt registrieren?)
• Kann ich meinen Beitrag wieder löschen?
Eine Antwort auf technische Hürden ist eine Be-
gleitung durch einen Moderator, der nicht nur
online in Erscheinung tritt, sondern auch im
Hintergrund aktiviert, Nutzer unterstützt und
Probleme löst.
Eine weitere Strategie könnte es ein, auch Beiträ-
ge zuzulassen, ohne dass der Nutzer sich vorher
registrieren – und damit authentifizieren – muss.
Diese Möglichkeit bietet sich an, wenn es, wie im
thüringischen Saalfeld, darum geht, Bürger für
eine politische Debatte zu aktivieren. Hier stel-
len sich dann ggf. weitere Fragen in Hinblick da-
rauf, wie die Fairness erhalten werden kann. Im
Zweifelsfall werden in allen Projekten die URLs,
also die Absenderadressen, kontrolliert und auf
Doubletten und andere Auffälligkeiten geprüft,
wobei der Datenschutz gewahrt bleiben muss.
Kleine Streuverluste sind allerdings tolerierbar –
schließlich ist deutlich zu erkennen, dass es sich
umeine Abstimmung handelt, die nicht demWahl-
gesetz unterliegt.
Die Wahlbeteiligung in der Online-Architektur-
werkstatt in Leipzig war hoch, was grundsätzlich
positiv zu bewerten ist. Allerdings führte die große
Beteiligung auch dazu, dass einige Teilnehmer am
Ende des Votingprozesses den Eindruck hatten,
ihre Stimme würde nicht zählen. Natürlich gibt
es eine mathematische Erklärung für diesen Ein-
druck – bei hohen Teilnehmerzahlen ist die einzel-
ne Stimme weniger erkennbar.
Aktivierung und Moderation
Jedes Beteiligungsverfahren erfolgt, abgeleitet
aus den beschriebenen Prozessen, in vier wesent-
lichen Schritten: Information – Aktivierung – Be-
teiligung – Auswertung.
Im ersten Schritt, der der Information dient,
werden alle Unterlagen, Pläne usw. vollständig
bereitgestellt, um Glaubwürdigkeit und Vertrau-
en aufzubauen. Dies war ein besonders wichtiger
Aspekt während des LWB-Projektes, um eine
Struktur der Abgewogenheit und der konzepti-
onellen Arbeit zu übermitteln.
Die Aktivierungsphase spielt eine zentrale Rolle
imBeteiligungsverfahren, da sie der Bekanntma-
chung der jeweiligen gesellschaftlich neutralen
und alle Akteure umfassenden Auseinanderset-
zung dient. Größer als die „Gefahr“ des Wut-
bürgers und des Shitstorms ist in der Praxis das
Desinteresse an politischer Partizipation. Dies
geht einher mit einer immer geringeren Wahlbe-
teiligung in deutschen Kommunal- und Landes-
parlamentswahlen. In der Aktivierungsphase setzt
Zivilarena in der Regel viel journalistische Kom-
petenz ein und orientiert sich an den Regeln einer
guten Public Relation im wahren Kern der Worte:
nämlich einer Beziehung zur Öffentlichkeit, um
ein größeres Interesse an politischer Partizipation
zu erzeugen.
In weiteren Schritten erfolgen die lebendige,
strukturierte und transparente Beteiligung als
Herzstück des Prozesses sowie die anschließen-
de Auswertung des Beteiligungs- bzw. des Werk-
stattverfahrens.
Die Bedeutung, die guten Quartieren heute in
Deutschland beigemessen wird, ist auf jeden Fall
ein Impuls für weitere Onlinedialoge zu diesem
Thema in naher Zukunft.
Beispiel einer Voting-Seite
Quelle: Zivilarena GmbH
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