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Im Gegensatz zu den nachfolgenden Control-
ling-Funktionen der Wertschöpfungskette
muss F&E-Controlling in besonderem Maß mit
Unsicherheiten umgehen. Zum einen gestaltet
sich die Erfassung der erbrachten Leistung als
schwierig und aufwändig, demgegenüber steht
die ausbleibende Zuordnung von Ergebnissen
in Form von Erlösen innerhalb des F&E-Be-
reichs. Zum anderen lässt sich der aus dem
F&E-Aufwand resultierende Nutzwert als Bei-
trag zur Wertschöpfung und damit der F&E-Er-
folg im Allgemeinen nur phasenverschoben erst
nach Einführung des Produktes in den Markt
beurteilen. Darüber hinaus ist jede Projektreali-
sierung unsicher und mit einer ungewissen Ein-
trittswahrscheinlichkeit behaftet, die tunlichst
zu berücksichtigen ist.
Ein ergebnisorientiertes F&E-Controlling nutzt
verschiedene Methoden und Werkzeuge, um
mit diesen Unwägbarkeiten umzugehen.
Earned Value Management als
effektives Frühwarnsystem
Das Earned Value Management (EVA) erlaubt
die transparente Messung, Analyse und Über-
wachung der wirklichen Leistung im Rahmen
eines Projekts auf Basis von geplanten Kosten
und technischem Fortschritt. Earned Value
Management wird als eines der effektivsten
Kosten- und Projektmanagement-Werkzeuge
betrachtet und ermöglicht es, die zu generie-
rende Projektleistung durch ein Frühwarnsys-
tem aktiv zu managen.
Die klassische Zuschlagskalkulation für ein
Produkt mündet häufig, sofern der kalkulierte
Verkaufspreis sich als nicht marktfähig er-
weist, in einer kostenintensiven Überarbeitung
des Produkts in der Entwicklung. Ein markt-
analytisch ermittelter Zielpreis als Grundlage
für einen Target-Costing (TC)-Ansatz dagegen
erlaubt durch Vermeidung kostentreibender
Produkteigenschaften mit geringem Kunden-
nutzen das Setzen der richtigen Entwick-
lungsschwerpunkte in der Produktgestaltung.
Die frühzeitige Ermittlung von potentiellen
Verkaufspreisrestriktionen sowie die kunden-
orientierte Identifikation von Kosten- und
Nutzentreibern ermöglicht die Entwicklung ei-
ner Produktkonfiguration mit maximalen Ab-
satzchancen. Die Unwägbarkeit der Marktak-
zeptanz eines neuen Produkts wird so mini-
miert.
F&E-Projekte lassen sich per se als Investitio-
nen betrachten. Unter diesem Aspekt wird zur
Projektpriorisierung häufig die Kapitalwertme-
thode (Net Present Value Methode, NPV) her-
angezogen. Ungünstigerweise berücksichtigt
die NPV-Methode die Projektrealisierungs-
wahrscheinlichkeit nicht, die einen signifikan-
ten Einfluss auf die potentielle Wertschöpfung
des zu entwickelnden Produkts aufweisen
kann. Die Ermittlung des risikoadjustierten
Discounted Free Cash Flow (DFCF), eines risi-
koadjustierten NPVs, ermöglicht dagegen eine
wertorientierte Projektauswahl, wobei die ku-
mulierte Projektrealisierungswahrscheinlich-
keit mit Hilfe eines Entscheidungsbaums er-
mittelt wird.
Entscheidung unter Unsicherheit
Die meisten F&E-Projekte unterliegen einem
Decision Point oder Gate während einer Bud-
getperiode. Die Wahrscheinlichkeit für eine
weitere Go-Entscheidung liegt dabei statistisch
bei weniger als 100% und hängt von der Pro-
jektphase ab. Werden die Wahrscheinlichkeiten
zur Überwindung dieser Hürden anhand von Er-
fahrungswerten abgeschätzt, so lassen sich die
Budgetkosten eines Projekts aus den vollen
Budgetkosten vor und den um die Eintritts-
wahrscheinlichkeit reduzierten Kosten nach
dem Decision Point zusammensetzen. Diese
Systematik des Project-Driven-Budgeting
(PDB) unterstützt die Projektselektion bei limi-
tierten F&E-Budgets.
Im Rahmen des Managements von F&E-Pro-
jekten sind Entscheidungen unter Unsicherheit
zu treffen. Der Einsatz der Szenariotechnik er-
möglicht eine sinnvolle Entscheidungsvorbe-
F&E-Controlling oder vom
Umgang mit Unwägbarkeiten
von Dirk Radsziwill
F&E-Controlling