CONTROLLER Magazin 2/2019 - page 88

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Das Ritual ist fast immer das gleiche. Bei vielen
Gesetzesvorhaben melden sich Interessengrup-
pen zu Wort, die vehement für oder gegen die
neuen Regelungen argumentieren. Auch wenn
man davon absieht, dass die Opposition beina-
he grundsätzlich anderer Meinung ist, bleiben
häufig doch einige gute Argumente, die sowohl
für als auch gegen das Vorhaben sprechen. Un-
abhängig davon, wofür sich der Gesetzgeber
entscheidet, wird in solchen Fällen oft eine
Gruppe schlechter gestellt. Dies sei als Gesetz-
geberdilemma bezeichnet. Während bei einigen
Regelungen noch Ausgleichsmaßnahmen für
nachteilig Betroffene eingeführt werden kön-
nen, kommt es in anderen Situationen zu der
unangenehmen Situation, dass bestimmte
Gruppen stark benachteiligt werden, ohne dass
ein Ausgleich geschaffen werden kann.
Die Problematik sei anhand der Gesetzgebung
zum Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter
verdeutlicht. Dieses Verhältnis wird in der Pra-
xis entscheidend dadurch geprägt, wie fair sich
jeweils Mieter und Vermieter verhalten. Es gibt
leider einige Beispiele von unfairen Vermietern,
welche Wuchermieten verlangen und damit die
Not von Wohnungssuchenden ausnutzen. Auf
der anderen Seite sind auch einige Mieter nicht
immer fair. Dazu sei nur auf Mietnomaden hin-
gewiesen. Diese Missstände auf beiden Seiten
überstrahlen leider den hoffentlich häufigen
Fall, dass Mieter und Vermieter fair miteinan-
der umgehen. Hinsichtlich der Fairness kann
die einfache Fallunterscheidung gemäß Abbil-
dung 1 getroffen werden.
Im ersten Fall, in dem sich Mieter und Vermieter
fair verhalten, bedürfte es kaum gesetzlicher
Regelungen. Mieter und Vermieter haben sich
aufeinander eingestellt und die Vertragsbezie-
hung bringt keine oder nur geringe Probleme.
Im Fall 2 (unfairer Vermieter) wird ein guter Mie-
terschutz benötigt. Vor allen Dingen in Gegen-
den mit hoher Nachfrage ist der Mieter in einer
schwierigen Situation, wenn sich der Vermieter
unfair verhält. Hier kann über Regelungen
nachgedacht werden, welche der Vermieter-
willkür Grenzen setzt.
Im Fall 3 trifft der faire Vermieter auf einen
Mieter, der seine Maske nach erhaltener Un-
terschrift unter den Mietvertrag fallen lässt.
Der unfaire Mieter kennt seine Rechte und
weiß, wie er sich verhalten muss, damit ihm
nicht gekündigt werden kann. Die Wohnung
wird bei Auszug in einem beklagenswerten
Zustand hinterlassen, was für ihn meistens
keine Konsequenzen hat, weil bei ihm nichts
gepfändet werden kann. Hat der Vermieter
seine Immobilie an unfairen Mieter vermietet,
kann er schnell die Mietüberschüsse vieler
Jahre einbüßen.
Es ist offensichtlich, dass ein einheitliches Ge-
setz in den 4 Fallunterscheidungen sehr unter-
schiedliche, ja sogar gegensätzliche Effekte
hervorruft. Besonders relevant sind die Fälle 1
und 3, in denen einer der beiden Personen
nicht fair ist und der andere sich aber fair ver-
hält. Wenn der Gesetzgeber den Mieter weiter
schützen möchte gegen unfaire Vermieter, pro-
fitiert leider auch der unfaire Mieter, so dass
der faire Vermieter große Nachteile erleidet.
Wenn der Gesetzgeber dagegen die Eigentums-
rechte der Vermieter stärken möchte, um sie
vor Mietnomaden zu schützen, profitiert leider
auch der unfaire Vermieter, so dass der faire
Mieter schlechter gestellt wird.
Damit wird auch klar, warum die Meinungen
zu einem Gesetz so unterschiedlich sein kön-
nen. Die Befürworter eines strengen Mieter-
schutzes haben den unfairen Vermieter vor
Augen und wollen daher seine Rechte ein-
schränken. Die Gegner des Mieterschutzes
und Befürworter der Eigentumsrechte denken
an den unfairen Mieter, der den Vermieter
heute wesentlich schädigen kann. Da das Ge-
setz aber für alle gleich gilt (Art. 3 des Grund-
gesetzes), führen viele Gesetzesinitiativen
dazu, dass zumindest eine Gruppe unbeab-
sichtigt benachteiligt wird. Ein echtes Dilem-
ma für den Gesetzgeber.
Autor
Prof. Dr. Peter Hoberg
lehrt als Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhoch-
schule Worms. Auf Basis einer 15-jährigen Erfahrung in interna-
tionalen Unternehmen beschäftigt er sich insb. mit Themen des
Controllings und der Investitionsrechnung. Schwerpunkt seines
Interesses ist die Verbindung von Theorie und Praxis.
E-Mail:
Am Rande bemerkt:
Das Gesetzgeberdilemma
von Peter Hoberg
Abb. 1: Vermieter-Mieter-Variablen
© ra2 studio – www.stock.adobe.com
Das Gesetzgeberdilemma
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