CONTROLLER Magazin 2/2019 - page 31

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lange und mühsame Wanderung. Auch interna-
tional können wir beobachten, wie die Finanz-
funktion anderen Bereichen eher hinterher-
hinkt. Die zentrale Frage ist: Hat das Controlling
diese Zeit? Der
Anpassungsdruck
ist enorm
und wird weiter steigen.
Biel:
Kann die Digitalisierung bei Managern
auch zu einer „Steuerungsillusion“ führen, zu
einem Wunschdenken und einer Selbsttäu-
schung derart, angesichts der neuen Daten-
und Systemwelt habe man das Unternehmen
automatisch im Griff?
Schäffer/Weber:
Ja, die technischen Mög-
lichkeiten und die Datenmengen können in der
Tat verführen. Daher ist es wichtig, dass Cont-
roller die digitale Transformation ihrer Unter-
nehmen kritisch begleiten und sicherstellen,
dass Transparenz und Analysemöglichkeiten
mit einem profunden Verständnis dieser Poten-
ziale und einer Kultur des Widerspruchs, einer
Kultur des besseren Arguments einhergehen.
Technische Revolutionen müssen immer
kul-
turell eingebettet sein
, alles andere ist
schlichtweg gefährlich.
Biel:
Es könnte sonst der Eindruck entstehen,
dass sich die Weiterentwicklung des Control-
lings vor allem auf eine Technisierung, vielleicht
sogar auf Technizismus, der den technischen
Fortschritt als Grundlage und Voraussetzung
jedes Fortschritts betrachtet, reduziert.
Schäffer/Weber:
Genau. So wichtig beides ist,
die Digitalisierung im Controlling darf nicht auf
technische Fragen und Effizienzpotentiale redu-
ziert werden, es bedarf vielmehr eines
anderes
Mindsets
. Wir hatten bereits die Thematik des
VUCA-Umfelds und der neuen Marktverhältnis-
se angesprochen. Controller müssen lernen,
besser mit den sich daraus ergebenden Un-
wägbarkeiten umzugehen. Daraus ergibt sich
eine sehr anspruchsvolle Aufgabe: Die traditio-
nelle Sichtweise der Effizienz zu verbinden mit
Lösungswegen in der neuen, zunehmend unge-
wissen und unklaren Marktwelt ist die große
Zukunftsaufgabe.
Biel:
Es scheint so, dass in gewissem Umfang die
Karten neu gemischt werden und bekannte feste
Strukturen aufbrechen. Neue Rollen und neue
Aufgaben, aber auch neue Wettbewerber, etwa
sehen, Manager
zum Self-Controlling
zu be-
fähigen und sich an dieser Stelle selbst über-
flüssig zu machen! Aufhalten lässt sich der
Zug eh nicht. Die Forderung nach einem Self-
Controlling des Managements lässt sich im
Übrigen bis in die neunziger Jahre des letzten
Jahrhunderts zurückverfolgen, der technische
Fortschritt ermöglicht jetzt die Umsetzung des
alten Gedankens.
Biel:
Wenn so wichtige Aufgaben wegfallen:
Stößt die Digitalisierung auch einen strukturel-
len Wandel in den Aufgabenschwerpunkten
und in den Funktionsumfängen des Controllers
an? Inwieweit erfährt Controlling eine allmähli-
che Umgestaltung?
Schäffer/Weber:
Einen schleichenden Trend
weg von den Aufgaben der reinen Datenbe-
schaffung
und -aufbereitung hin zur an-
spruchsvollen Datenanalyse und -Interpretation
beobachten wir ja schon länger. Die Digitalisie-
rung beschleunigt nun diese Entwicklung. Rou-
tinetätigkeiten im Kontext formalisierter Prozes-
se verschwinden über kurz oder lang völlig, die
Problemlösung im Team und komplexe Analy-
sen gewinnen an Bedeutung. Für jeden Cont-
roller, die sich wirklich ins Zeug legt und sich
den hier genannten Herausforderungen stellt,
ist das eine Chance. Aber in der Gesamtschau
müssen wir realistisch sein. Schon heute gibt
es in den meisten Großunternehmen klare Ziel-
vorgaben, die
Kapazitäten im Controlling
in
den nächsten Jahren deutlich abzubauen. Der
Aufbau der digitalen Kompetenzen steckt dage-
gen noch in den Kinderschuhen.
Biel:
Welche Konsequenzen ergeben sich aus
dieser Entwicklung? Wie bewerten Sie das,
was auf Controller zukommt?
Schäffer/Weber:
Nun, kurzfristig schlägt das
Streben nach Effizienz die Steigerung der Ef-
fektivität. Was sich besser messen lässt, was
sich schneller in der Bottom Line wiederfindet,
gewinnt. Entsprechend sind die Fortschritte bei
vielen Aspekten der Digitalisierung gar nicht so
groß, wie es manche Vorstandspräsentation
vermuten lässt. Das zeigen auch unsere WHU-
Zukunftsstudien. Die Anpassung des Control-
lings erfordert mehr Zeit, als CFOs und Control-
ler noch vor ein paar Jahren gedacht haben,
der
Sprung ins digitale Zeitalter
ist eher eine
bulenter das wirtschaftliche Umfeld, desto hö-
her die Bedeutung der Geschäftskenntnisse.
Und in dem Maße, wie etablierte Unternehmen
durch digitale Alternativen herausgefordert wer-
den, heißt Geschäftskenntnis zunehmend auch
ein tiefes Verständnis der Funktionsweise und
der Erfolgsfaktoren digitaler Geschäftsmodelle.
Davon sind wir in aller Regel noch weit entfernt.
Biel:
Bitte lassen Sie uns einen Perspektiven-
wechsel vornehmen und zur Veranschaulichung
und Verdeutlichung einige typische Tätigkeits-
felder der Controller streifen. Controller wurden
vielfach als „Herr der Zahlen“ verstanden. Da-
mit sind wir beim Datenmanagement. Durch die
Digitalisierung verändert sich das Fundament
der Zahlen. Was folgt daraus?
Schäffer/Weber:
Controller müssen in dieses
Fundament investieren. Die Grundlagen der
Nutzung großer Datenmengen
sind fehler-
freie Roh- und Stammdaten. Hier gilt „garbage
in, garbage out“. Das Datenmanagement ist
bereits heute vielfach ein besonderes Problem-
feld, das auch von Controllern oft nicht beson-
ders geliebt wird. Big Data, Predictive Analytics
und andere Begriffe und Konzepte mögen ver-
heißungsvoll und vielversprechend sein. Es
kann aber fatale Folgen haben, wenn Daten-
qualität und Datenkonsistenz nicht stimmen.
Die Digitalisierung hebt das Arbeiten mit den
Daten und die Qualität der Daten auf ein höhe-
res Niveau. Dies funktioniert aber nur, wenn
auch das
Datenmanagement
entsprechend
mitwächst.
Biel:
Ein anderes viel diskutiertes Thema ist
Self-Controlling. Welchen Ausblick können Sie
hierzu geben?
Schäffer/Weber:
Wir sehen, dass Manager
zunehmend in die Lage versetzt weden, rele-
vante Steuerungsinformationen direkt aus
dem System zu gewinnen und auch einfache
Analysen auf der Basis von intuitiven Apps
selbst durchzuführen. Beides kann zuneh-
mend ortsunabhängig und weitgehend zeit-
gleich geschehen. Auch wenn die Nutzung
solcher Systeme im Alltag noch vielfach dem
theoretischen Ideal hinterherhinkt, entwickelt
sich hier doch Schritt für Schritt eine neue
Stufe des Controllings. Entsprechend sollten
es Controller als eine wesentliche Aufgabe an-
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