CONTROLLER Magazin 2/2019 - page 29

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Schäffer/Weber:
Die Digitalisierung hat im we-
sentlichen drei Konsequenzen für Controller.
1.) Erstens: Sie müssen darauf reagieren, dass
der
Preis von Information
und Prognose
drastisch fällt. Das ist zum einen die Frage,
wie man mit Big Data zu besseren Entschei-
dungen kommt und wie man die Rationalität
dieser Prozesse sicherstellt. Zum anderen
müssen Controller lernen, wie auf Big Data
basierende Geschäftsmodelle funktionieren
und was das für die Unternehmenssteue-
rung heißt. Ein weites Feld!
2.) Die zweite Konsequenz ergibt sich aus dem
Potenzial für Standardisierung und Automa-
tisierung, das sich aus den technologischen
Veränderungen erschließt. Beides – Stan-
dardisierung und die darauf aufbauende Au-
tomatisierung – werden zu enormen
Effizi-
enzsprüngen
im Controlling führen, Kapa-
zität wird frei. Wie hoch die Erwartungen in
der Community sind, haben wir erst jüngst
in einer WHU-Studie gesehen.
3.) Mit diesen zwei Herausforderungen ist es
aber noch nicht genug. Wir sind sehr davon
überzeugt, dass Controller auch schneller,
anpassungsfähiger werden müssen. Poin-
tiert formuliert: Wer Digitalisierung sagt,
muss auch agil
werden. Die neuen Markt-
verhältnisse lassen da wenig Spielraum.
Biel:
Können Sie konkreter fassen, was Sie mit
„neuen Marktverhältnissen“ meinen?
Schäffer/Weber:
Ja. Hier hat sich der Begriff
„VUCA-Umfeld“
durchgesetzt, weil er schlag-
wortartig das Wesentliche zusammenfasst.
VUCA steht für Volatility, Uncertainty, Comple-
xity, Ambiguity.
·
·
Die Volatilität bringt die Schwankung von
Preisen, Kursen oder auch von ganzen Märk-
ten innerhalb einer kurzen Zeitspanne zum
Ausdruck.
·
·
Die Ungewissheit bezeichnet den Mangel an
Berechenbarkeit und Verlässlichkeit.
·
·
Hinter der Komplexität stehen die wachsende
Vielschichtigkeit und das Zusammenwirken
vieler Faktoren.
·
·
Schließlich macht die Ambiguität die hohe
Mehr- und Doppeldeutigkeit deutlich, mit der
wir umzugehen haben.
Nehmen wir diese vier Faktoren zusammen,
finden wir völlig neue Einflussfaktoren und
Marktverhältnisse vor.
Biel:
Wozu führen diese neuen wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen, von der Digitalisierung
ermöglicht und gefördert? Was bedeuten sie
beispielhaft für die Unternehmen und damit
auch für die Controller?
Schäffer/Weber:
Wenn Unternehmen auf län-
gere Sicht immer weniger wissen, wie sich zu-
künftig
ihre Kunden und Wettbewerber ver-
halten
und zugespitzt oft nicht einmal sicher
sein können, wer morgen ihre Kunden und ihre
Wettbewerber sein werden, hat dies gravieren-
de Folgen. Wie gestaltet sich die Marktentwick-
lung? Wie soll man planen? Welche Strategien
fahren? Mit welchen Geschäftsmodellen lässt
sich in Zukunft noch Geld verdienen? Die wach-
sende Vernetzung und Integration, für die die
Digitalisierung steht, führt zu einer wachsenden
Zahl von Einfluss- und Bestimmungsgrößen
und damit zu
schwindenden Eindeutigkei-
ten
. Auf altbekannte Zusammenhänge von Ur-
sachen und Wirkungen (weil wir z. B. gute Qua-
lität liefern, werden unsere Produkte gekauft)
ist immer weniger Verlass.
Biel:
Noch mal zurück zur Frage, wie geht es
mit den Controllern weiter. Haben wir zukünftig
noch Controller im bisherigen Umfang? Was ist
Ihre Einschätzung?
Schäffer/Weber:
Der Controller im klassischen
Sinne, der sich den Herausforderungen nicht
stellt, wird es schwer haben. Die traditionellen Fä-
higkeiten werden im digitalen Kontext nicht aus-
reichen und auch das klassische Controller-Mind-
set passt nicht mehr so recht in die neue Welt.
Lassen Sie es uns ganz deutlich formulieren: Ein
„Weiter so!“ ist in unseren Augen keine Option!
Biel:
Wir diskutieren und schreiben für Control-
lerinnen und Controller. Daher lassen Sie uns
bitte der Frage nachgehen, wie sich Controller
angesichts der digitalen Transformation positio-
nieren sollen und wie sie in der Herausforde-
rung der Digitalisierung bestehen können?
Schäffer/Weber:
Sehr gerne! Das ist ein ganz
zentraler und gleichzeitig vielschichtiger Punkt.
Mit unserer Agenda für den digitalen Controller
haben wir vor zwei Jahren versucht, einen ers-
ten Überblick über die verschiedenen Herausfor-
derungen zu geben. Ein Startpunkt, nicht mehr.
Biel:
Das lässt erwarten, dass Controller viel-
fältige Aktivitäten zur Vervollkommnung und Er-
weiterung von Bildung und Wissen starten
müssen. Wie ist hierzu Ihr Erkenntnisstand?
Schäffer/Weber: Weiterbildung und Lernen
on the job
wird in der Tat eine zentrale Rolle zu-
kommen. Das Lernen wird sich dabei auf Instru-
mente ebenso beziehen müssen wie auf alter-
nativ verwendbare Steuerungsprozesse: Hoher
Unsicherheit kann man nicht mit noch mehr Pla-
nung begegnen, sondern man muss dann agil
steuern, also situativ Lösungen im Team finden
und ständig weiterentwickeln. Das ist eine Welt,
in der sich Controller bislang nicht auskennen!
Biel:
Controller sind in aller Regel sehr be-
schäftigt und vielfach engagiert. Wie können
sie diese Herausforderung und damit auch die-
se Belastung schultern? Wer kann oder sollte
sie dabei unterstützen?
Schäffer/Weber:
Hochschulen und Standes-
vertretungen wachsen erhebliche Aufgaben zu.
„WHU on Controlling“ versteht sich als wissenschaftliches Portal für die Controlling-Praxis.
Unter der Rubrik „Videos“ finden sich dort zahlreiche „Controlling-Erklärvideos“. Ganz im
Sinne der Digitalisierung wird hier die Videotechnik eingesetzt zur bildhaften und lebendigen
Vermittlung von Controlling-Kernthemen. Diese anschauliche Form der Darstellung ermög-
licht eine prägnante und verständliche Erörterung von Controlling-Themen. Das Video
„Game Changer Digitalization – The Agenda for Controllers“ befasst sich kompakt mit der
Digitalisierung und den acht Herausforderungen für Controller – und damit mit dem Gegen-
stand dieses Interviews. Weitere Videos beleuchten verschiedene andere Problemstellungen,
die mit der Digitalisierung des Controllings im Zusammenhang stehen.
Informationsservice
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