CONTROLLER Magazin 2/2019 - page 24

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Einbauküchen) sowie der agilen Projektabwick-
lung (z. B. unscharfe Spezifikation der Ziele und
der Beendigung eines IT-Projekts im Rahmen
von agilen Festpreismodellen) eine solche Ab-
grenzung erheblich.
Als ähnlich herausfordernd erweist sich die Ab-
klärung von Leistungsrelationen im Hinblick auf
Komplementarität oder Substitutionalität: Zwi-
schen den medizinischen Dienstleistungen von
niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern,
zwischen Online-Geschäft und Ladengeschäft
bzw. den Beförderungsleistungen von Bahnun-
ternehmen und Airlines bestehen sowohl Erset-
zungs- als auch Ergänzungsbeziehungen.
Zweitmeinungen, Wetterberichte, Werbeblo-
cker oder Reisewarnungen können den Nutzen
der jeweiligen Primärleistung (z. B. medizinische
Behandlung, Urlaubsreise, Event) entweder för-
dern (bessere Fundierung von Kaufentschei-
dungen) oder behindern (durch Konsumverzicht
oder Stornierung). Auch die quantitativen Nut-
zungsrelationen der Leistungskomponenten –
etwa der Nutzungsumfänge von First Screen
und von Second Screen – sind häufig nicht ein-
deutig fixiert.
Fußnoten
1
Vgl. Simon, H./ Fassnacht, M.: Preismanage-
ment. Strategie, Analyse, Entscheidung, Um-
setzung, 4. Aufl., Wiesbaden 2016, S. 98 ff.
2
Vgl. Günther, A.: Complementor Relationship
Management, Wiesbaden 2015, S. 266 ff.
3
Vgl. Roth, S.: Preismanagement für Leistungs-
bündel, Wiesbaden 2006, S. 47 ff.
4
Vgl. Schuh, G./ Lenders, L./ Bartoschek, M./
Bender, D.: Preisfindungsprozess für Leis-
tungssysteme im Maschinen- und Anlagenbau,
in: Controlling (2008) 8/9, S. 484; Steven, M./
Grandjean, L.: Controlling hybrider Leistungs-
bündel, in: Corsten, H./ Roth, S.: Handbuch
Dienstleistungsmanagement, München 2017,
S. 487 ff.
5
Vgl. Günther, A.: a.a.O., S. 88 ff.
6
Vgl. Reiss, M.: Preiscontrolling zwischen Bet-
ter Pricing und Beyond Pricing, in: Controller-
Magazin 42 (2017) 2, S. 14 f.
7
Vgl. Steven, M./ Grandjean, L.: a.a.O., S.
493 ff.
Complementor-Intelligence und einer konfigu-
rationsfokussierten Conjoint-Analyse.
Ein erheblicher Überarbeitungsbedarf ergibt
sich für Balanced-Scorecard-Modelle.
7
Sie
müssen zum einen an das erweiterte Akteurs-
spektrum angepasst werden, um eine Balance
der Orientierung an Wettbewerbern, Kunden,
Komplementoren und Shareholdern zu erzielen.
Dies erfordert zum anderen eine erweiterte
Prozessperspektive, die die vernetzten Koordi-
nationsprozesse zwischen diesen Akteuren er-
fasst. Ferner ist im Rahmen der Beziehungs-
perspektive der Unschärfe mehrerer Ge-
schäftsbeziehungen Rechnung zu tragen: So
repräsentieren die Komplementorenbeziehun-
gen je nach Koordinationsmodell entweder ein
Sourcing (von Sekundärleistungen) oder ein
Selling (von Primärleistungen). Erforderlich ist
auch die konsequente Weiterentwicklung des
Target Costing zu einem Target Pricing, sprich
zur kostenorientierten Preisermittlung für Kom-
plemente. Besondere Aufmerksamkeit verdient
das kostenfokussierte Preiscontrolling für
Gleichkomponenten, die beispielsweise wie
universelle Headsets oder Ladegeräte für Elec-
tronic Devices in mehreren Konfigurationen
Verwendung finden, wodurch sich Skaleneffek-
te erzielen lassen.
Ein weiteres Investment betrifft die
Verfeine-
rung
des Modellansatzes. Hier wäre beispiels-
weise zu untersuchen, ob Intermediäre eher für
die zeitliche, räumliche und mengenmäßige Ko-
ordination von Leistungskonfigurationen geeig-
net sind, während Hersteller bzw. Provider für
die qualitätsorientierte Koordination prädesti-
niert sind.
Schließlich muss auch in die kritische
Prämis-
senprüfung
investiert werden: So setzt ein
Preiscontrolling von Leistungskonfigurationen
voraus, dass geklärt werden kann, ob es sich
um eine Leistungskomponente oder eine Leis-
tungskonfiguration handelt. Allerdings er-
schweren die Strategien der Modularisierung
(z. B. Baukästen, modulare Versicherungsleis-
tungen), der Konstruktion von Multifunktions-
geräten (z. B. Drucker-Scanner-Kopierer), der
Produktplatzierung in Filmen oder Computer-
spielen, des Ingredient Branding (z. B. „Inside“-
Modelle bei Smartphones, Wohnmobilen oder
schäft). Dabei gibt nicht die Aggregation von
Produktionskosten bzw. Produktnutzen über
die Leistungskomponenten den Ausschlag,
sondern das jeweilige Vorgehen zur Deckung
des Koordinationsbedarfs. Dieses Vorgehen
generiert Koordinationskosten (relevant für das
kostenorientierte Preiscontrolling) und Koordi-
nationsnutzen (relevant für das kunden- und
wettbewerbsorientierte Pricing). Koordinations-
formen mit hohem Zentralisationsgrad (z. B.
Paketanbieter, Drittparteien) steigern den Kun-
denwert (Solutions, Problemlösungsbeitrag)
und das Differenzierungspotenzial gegenüber
dem Wettbewerb (z. B. durch Lock-in-Effekte).
Dies fördert Spielräume für Preissteigerungen
bei den Konfigurationspreisen. Gleichzeitig er-
fordern die damit einhergehenden höheren Ko-
ordinationskosten höhere Preise und mindern
in der Regel den Gewinn.
Pricinggerechte Koordination:
Das Pricing
hat Einfluss auf die optimale Koordinationsform:
So erfordern einerseits Bundling, Freemium-
Modelle und Umsatzrabatte eine zentralisierte
Koordination, etwa durch einen Paketanbieter.
Andererseits erlauben Preisspielräume eine
weniger intensive Koordination, die sich im Ext-
rem auf eine Weitwinkelbeobachtung von Ent-
wicklungen im Value Net beschränkt. Je nach
Strenge der Budgetgrenzen für Konfigurationen
beim Kunden müssen sich die Koordinations-
formen anpassen.
Chancen und Herausforderungen
der Umsetzung
Dreh- und Angelpunkt für eine Umsetzung ist
die Einsicht, dass das Konfigurationspricing als
Standardsituation für das Preiscontrolling anzu-
sehen ist. Auf dieser Motivationsbasis lassen
sich einige Investments in den 360 Grad-An-
satz begründen. Zunächst gilt es, für bekannte,
vertikal ausgerichtete Koordinations- und Pri-
cing-Ansätze aus dem Supply Chain Manage-
ment (sprich die vertikale Dimension im Value
Net) eine
horizontale, konfigurationsfokus-
sierte Version
zu entwickeln, um so den 360
Grad-Ansatz auch auf der Instrumentenebene
zu implementieren. Die Palette derartiger „Hori-
zontalisierungen“ enthält zunächst erweiterte
Diagnoseinstrumente, etwa in Gestalt einer
Preiscontrolling im 360 Grad-Modus
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