CONTROLLER Magazin 2/2019 - page 25

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Was hat Controlling mit Strategie zu tun? Jeder
wird sofort an den Beitrag der Controller den-
ken, den sie im Strategieprozess des Unterneh-
mens leisten. Eng daran beteiligt zu sein, war
lange Zeit ein Wunschtraum der Controller. Er
wird zunehmend erfüllt, obwohl – wie wir aus
dem WHU Controller Panel wissen – durchaus
noch Luft nach oben ist. Schaut man in Rich-
tung größerer Unternehmen, so gibt es dort ei-
nen weiteren regelmäßigen Bezugspunkt: Die –
sehr umfangreichen – Controllerbereiche be-
schäftigen sich zunehmend mit der eigenen
Strategie. Einen wesentlichen Anschub dafür
hat die Diskussion über die neue Rolle des
Business Partners geleistet. Der Kranz an Fest-
legungen und Planungen reicht von einem neu-
en Leitbild bis hin zu konkreten Personalent-
wicklungsprogrammen.
Was sollte aus konzeptioneller Sicht in einer
solchen Bereichsstrategie enthalten sein? Na-
türlich all das, was man dort schon heute fin-
det. Was ich aber vermisse, ist eine striktere
Ausrichtung an der Unternehmenssteuerung.
Da geht es nicht um Einzelaspekte wie eine ho-
mogenere Informationsbasis im Controlling
oder die Verkürzung von Planungsfristen. Diese
Themen sind zwar wichtig, und in den meisten
Unternehmen gibt es bei ihnen auch noch viel
zu tun. Ich habe vielmehr den grundsätzlichen
Zusammenhang zwischen dem Geschäft eines
Unternehmens und dessen Steuerung im Blick,
dies auch wegen der aktuell starken Verände-
rungen im wirtschaftlichen (und gesellschaft­
lichen) Kontext der Unternehmen.
Die meisten von Ihnen werden die empirische
Erkenntnis von Alfred Chandler kennen, die er
vor mehr als einem halben Jahrhundert in dem
bekannten Satzfragment zusammengefasst
hat: „Structure follows strategy.“ Sie ist intuitiv
plausibel und auch deshalb allgemein aner-
kannt. Unterschiedliche Geschäftsstrategien
erfordern unterschiedliche Strukturen, mit de-
nen sie umgesetzt werden. Von dieser Grund-
regel sollte nur dann abgewichen werden, wenn
es dafür ganz besondere Gründe gibt („keine
Regel ohne Ausnahme“). Mit „Strukturen“ hat
man dabei zumeist die (Aufbau-)Organisation
im Blick, die z. B. funktional oder objektbezo-
gen ausgeprägt sein kann. Wenn man der
Chandler’schen Idee aus einer Steuerungspers-
pektive heraus folgt, müsste der Zusammen-
hang aber noch um einen weiteren ergänzt
werden: „Steering follows structure follows
strategy“ – so explizit die Aussage eines
Konzerncontrollers, den ich kürzlich interviewt
habe. Nur die Organisationsstruktur zu be-
trachten, greift zu kurz. Strukturen können
ganz unterschiedlich gelebt werden, und dar-
auf, wie dieses erfolgt, hat die Steuerung einen
erheblichen Einfluss.
Einen strikten Zusammenhang von Steuerung
und Strategie zu sehen, letztere als bestim-
mend für erstere zu erkennen, liefert einen
konzeptionellen Rahmen, um die vielen ange-
sprochenen strategischen Ideen der Control-
lerbereiche zu ordnen und auszurichten. Um
nur zwei Beispiele zu nennen: Sich zu jedem
Zeitpunkt die Kosten in Echtzeit anschauen zu
können, macht z. B. in einem Geschäft, das
keine hohe Dynamik besitzt, keinen Sinn. Nur
noch top-down zu budgetieren, ist keine be-
sonders gute Idee dann, wenn durch die Kom-
plexität der Leistungserstellung dem Wissen
der dezentralen Führungskräfte eine große
Bedeutung zukommt.
Aber der genannte Zusammenhang sollte noch
durch ein weiteres Element ergänzt werden:
„Tools follow steering.“ Die Instrumente des
Controllings werden meines Erachtens immer
viel zu absolut, losgelöst von ihrer konkreten
Einsatzumgebung betrachtet. Ein solcher Be-
zug ist aber erforderlich, wie das folgende Bei-
spiel zeigt: Einer hohen Schnelllebigkeit des
Geschäfts kann durch eine Intensivierung der
Investitionsplanung und einer stärkeren Kopp-
lung der operativen Planung an diese begegnet
werden (steering follows strategy). Hieraus lei-
tet sich der Bedarf an stärker ausgefeilten Tools
der Investitionsrechnung ab, verbunden mit ei-
ner Reduzierung der Komplexität der Kosten-
rechnung: Entscheidungen zur Veränderung
der Kapazität sind dann c. p. wichtiger als sol-
che zu deren Nutzung (tools follow steering).
Controller sollten also neu über ihre Toolbox
nachdenken, nicht primär vom Instrument
herkommend („wir haben das genaueste
Planungsverfahren“), sondern von dessen
Nutzung. Außerdem machte ein laufendes
Überprüfen der Instrumente Sinn. Also noch ein
Element strategischer Arbeit der Controller!
Autor
Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber
ist Direktor des Institus für Management und Controlling
(IMC) der WHU – Otto Beisheim School of Management Cam-
pus Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar;
edu/controlling. Er ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums
des Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
© peshkov – www.stock.adobe.com
CM März / April 2019
Structure follows Strategy –
Steering sollte beidem folgen
von Jürgen Weber
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