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Die Integration von Risikomanagementsyste-
men in betriebliche Funktionen zwecks besserer
Nutzung der Erkenntnisse im Rahmen strategi-
scher Entscheidungsprozesse ist ein vieldisku-
tierter Ansatz, der als
Teil eines wertorientier-
ten Managements
aufgefasst werden kann.
Obwohl ein solches Risikomanagement den un-
ternehmerischen Erfolg zu erhöhen vermag,
hinkt die Umsetzung in der Praxis oftmals nach.
Der vorliegende Beitrag untersucht die Risiko-
managementsysteme der DAX 30-Konzerne
hinsichtlich ihres Integrationsgrades und liefert
Belege für einen positiven Zusammenhang mit
einer risiko- und chancenorientierten Unterneh-
mensführung.
Ausgangspunkt und
Problemstellung
Aus theoretischer Sicht lassen sich sowohl die
Notwendigkeit als auch der Nutzen wirksamer
Risikomanagementsysteme einfach herleiten.
In einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist öko-
nomisches Handeln maßgeblich durch die Ver-
folgung souverän festgelegter Ziele gekenn-
zeichnet. Da diese aufgrund der Unvorherseh-
barkeit der Zukunft und der daraus resultieren-
den Unsicherheit jedoch nicht sicher zu
erreichen sind, ist die Unternehmenstätigkeit
zwingend mit Chancen und Risiken verbunden.
Um Erstere zu nutzen, müssen auch Letztere
erkannt, bewertet und nicht zuletzt gezielt ein-
gegangen werden (vgl. Brühwiler, 2001).
Seit spätestens Anfang der 1990er Jahre
ist
zudem das externe Unternehmensumfeld,
getrieben von fortschreitender Globalisie-
rung und Digitalisierung, durch zunehmen-
de Volatilität, Unsicherheit, Komplexität
und Dynamik gekennzeichnet
. Aus diesen
sogenannten „new realities“ (Hamel, 2009,
S. 92) erwachsen deutlich gestiegene Anforde-
rungen an das Management und die Qualität
strategischer Entscheidungen, um den kurz-
und langfristigen Erfolg eines Unternehmens si-
cherzustellen. Das Verlassen auf unternehmeri-
sche Intuition oder das bestehende Geschäfts-
modell ist nicht mehr ausreichend. Vielmehr
bedarf es im Rahmen der Bewertung und Aus-
wahl strategischer Handlungsalternativen einer
ganzheitlichen sowie systematischen Ab-
wägung der strategischen Chancen und
der damit verbundenen Risiken
.
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Folgt man dem State-of-the-Art der Risikoma-
nagementforschung, ist es das Konzept eines
integrierten oder auch
‚Embedded Risk Ma-
nagements‘
, welches diesen veränderten An-
sprüchen gerecht zu werden vermag und eine
dahingehende Professionalisierung der Unter-
nehmensführung anstrebt. Dabei liegt das Er-
kenntnisinteresse dieses Ansatzes weniger
darin, wie das vorhandene technische Instru-
mentarium weiter verfeinert werden kann.
Vielmehr wird betrachtet, wie es mittels geeig-
neter Rahmenbedingungen, Strukturen und
Prozessen gelingt, dass Risikoinformationen
entscheidungsorientiert aufbereitet und kon-
sequent in alle strategischen Entscheidungen
einbezogen werden.
Verstanden als integrales, unternehmensweit
abgestimmtes Steuerungsinstrument, wel-
ches ein
ausgewogenes Chancen-Risiko-
Profil
des Unternehmens fördert und somit ei-
nen aktiven Beitrag zur nachhaltigen Ergeb-
nisverbesserung sowie zur Steigerung des
Unternehmenswertes leistet, wohnt diesem
Ansatz ein erhebliches Potential inne.
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Vor
diesem Hintergrund ist es verwunderlich, dass
in der Praxis häufig der Fokus des Risikoma-
nagements weiterhin auf operativen Risiken
und einer detaillierten Erfassung sowie einer
oftmals fragwürdigen Quantifizierung liegt.
Strategische Entscheidungen, allen voran in
Anbetracht ihrer hohen Bedeutsamkeit, wer-
den hingegen nur oberflächlich behandelt
oder mit dem Verweis auf den Hoheitsan-
spruch der Chefetage gänzlich vernachlässigt.
Dies führt vielfach dazu,
dass Chancen und
Risiken in der Entscheidungsfindung auf
oberster Ebene weder hinreichend be-
wusst, noch systematisch berücksichtigt
werden
(vgl. hierzu bspw. die in Link et al.
(2018) dokumentierten Ergebnisse).
Das Ziel des vorliegenden Artikels ist daher, zu-
nächst herauszuarbeiten, wie ein integriertes
Risikomanagement konkret aussehen und wel-
chen Beitrag es leisten kann, damit Chancen
und Risiken vollumfänglich im Rahmen strategi-
Verbreitung von integrierten Risikomanagement-
systemen und deren Wirkung auf die strategische
Unternehmensführung
Eine Analyse des Status Quo in deutschen Großkonzernen
von Kay H. Hofmann und Frederik Fink
Integrierte Risikomanagementsysteme