Controller Magazin 7/8/2018 - page 86

84
Übergabe an den Nachfolger
Selbstverständlich sollte in jedem Fall eine
Übergangszeit vorhanden sein, in der bisheriger
und zukünftiger Stelleninhaber zusammenar-
beiten können. Geht der ausscheidende Stel-
leninhaber wie hier aufgezeigt vor, ergibt sich
für den Nachfolger eine unerwartete Situation.
Statt auf einen weitgehend beschäftigungslo-
sen, tiefenentspannten Menschen zu treffen,
welcher allgemeine Gespräche führt, den
Nachfolger zu mehr oder weniger interessanten
Meetings mitnimmt und inhaltsleere Organisati-
onsanweisungen und Imagebroschüren zur
Lektüre vorlegt, steht die Lok weiter unter
Dampf. Die Einarbeitung erfolgt über die Über-
nahme entsprechender Aufgaben. Die Pipeline
ist voll herausfordernder, wichtiger Projekte.
Bei fast abgeschlossen Projekten kann der
Nachfolger nachvollziehen, wie bisher vorge-
gangen wurde, bei Projekten in der Anfangs-
phase seine eigenen Vorstellungen verstärkt
einbringen. Anstatt Stillstand herrscht Betrieb-
samkeit, nicht Aktionismus. Mögliche Fallstricke
hat der Vorgänger ausgeräumt, schwelende
Konflikte beendet.
Dabei ist nicht zu vernachlässigen, dass sich
der „Neue“ unmittelbar in seiner Aufgabe be-
währen kann und muss. Innerhalb laufender
Projekte wird schnell offensichtlich, welchen
Beitrag der Nachfolger leisten kann und wel-
chen nicht. Ein Aussitzen und Abwarten bis
zum Ende der Probezeit ist nicht möglich. Parti-
elle Defizite werden rasch erkannt und können
abgestellt werden, bevor weiterer Schaden ent-
steht.
Damit verkürzt sich ebenfalls die Einarbeitungs-
phase zwischen Controlling und neuem Aufga-
benträger. Der unmittelbare Einstieg ermöglicht
es beiden Seiten, rasch eine produktive Zu-
sammenarbeit aufzubauen, wobei auch das
Controlling aus den Erfahrungen des Ansprech-
partners und seinen bisherigen Kontakten zum
Controlling profitieren kann. So wird die an-
fangs dargestellte Situation ins positive Gegen-
teil umgekehrt. Diese Vorgehensweise trägt
nicht alleine dazu bei, das Tempo des Zuges
hochzuhalten, sondern vielmehr neuen Schwung
zu gewinnen: im Unternehmen, beim Nachfol-
ger und beim Controlling.
Höflichkeit und Respekt vor dem Ansprechpart-
ner selten zu konkreten Erkenntnissen führen.
Kunden und Lieferanten gehören ebenso dazu
wie unternehmensinterne Abteilungen, die in
der Wertschöpfungskette vor- oder nachgela-
gert sind.
Zusätzlich wird es jedoch aus Sicht des Aus-
scheidenden sinnvolle Gesprächspartner ge-
ben, mit welchen dieser allzu spät in Kontakt
getreten ist. Dazu können ehemalige Kunden
gehören, Verantwortliche weit entfernter Ver-
triebsniederlassungen, Betriebsratsmitglieder
und ehemals Verantwortliche vergleichbarer Hi-
erarchiestufen. Fehler wurden begangen und
Chancen nicht genutzt, weil die bei den Ge-
sprächspartnern vorhandenen Informationen
nicht zugänglich waren, oft wurde übereinan-
der, nicht aber miteinander gesprochen.
Bei dieser persönlichen Frage kann das Con-
trolling nur ermutigen, das eigene Verhalten kri-
tisch zu reflektieren. Hilfreich ist es, im persön-
lichen Gespräch auch die Frage für sich selber
zu beantworten.
°
Was sind meine Pläne für die letzten
100 Tage?
100 Tage sind kein üblicher Planungszeitraum,
nun aber doch. Was geht noch, was nicht? Was
gilt es zu beenden, was anzustoßen? Soll sich
der Nachfolger tatsächlich an einem ausge-
räumten Schreibtisch wiederfinden und sehen,
wie die Konkurrenz vorbeizieht, während er sich
gemütlich einarbeitet, oder sollte sich dieser in
laufende Projekte unmittelbar einbringen?
Jeder kennt seine Schwächen und die Aufgaben,
welche wichtig aber nicht dringend waren und
gerne immer wieder verschoben, oft verdrängt,
wurden. Hier sollte man sich den eigenen An-
sprüchen stellen, dem Nachfolger dürfen Bau-
stellen hinterlassen werden, aber keine Schwel-
brände. Der Ausscheidende bringt letztmalig sei-
ne Fähigkeiten und Kenntnisse ein und überlässt
es nicht seinem Nachfolger, Aufgaben zu lösen,
welche längst erledigt sein sollten.
Helfen kann hier der Controller als kritisch kon-
struktiver Partner. Die lange, oft jahrelange Zu-
sammenarbeit soll die notwendige Vertrauens-
basis etabliert haben.
sollte jedoch nur in Ausnahmen der Fall sein. Es
gibt wenige Bereiche, in denen mehr Reibungs-
verluste anfallen als in der Zusammenarbeit mit
Mitarbeitern, die dauerhaft problembehaftet
sind. Hier hat der Nachfolger ein Recht auf eine
Problemlösung, bevor er die neuen Aufgaben
übernimmt, denn dann kann eine volle Konzent-
ration auf die zukünftigen Aufgaben erfolgen,
anstelle die Probleme der Vergangenheit zu lö-
sen. Das Controlling kann und soll keine Perso-
nalentscheidungen einfordern, die Gespräche
der Vergangenheit geben jedoch Indikationen für
Veränderungsbedarf. Wurden spezielle Schwä-
chen von Mitarbeitern als Gründe für negative
Planabweichungen angeführt, ist die Frage er-
laubt, wie hier eine Lösung erfolgen kann.
°
Ist die operative Entwicklung in diesem und
dem nächsten Jahr zufriedenstellend?
Operative Maßnahmen wirken nicht alle unmit-
telbar auf Umsatz und Ergebnis. Entsprechend
groß ist die Versuchung des ausscheidenden
Verantwortlichen, in diesem Bereich die Zügel
etwas schleifen zu lassen, wird sich doch kaum
ein Rückgang der Umsatz- und Ergebniszahlen
bis zum Ausscheiden ergeben, wenn in den
letzten 100 Tagen das Tagesgeschäft etwas
vernachlässigt wird. Diese Zurückhaltung über-
trägt sich ebenfalls auf die Mitarbeiter. Warum
jetzt noch Initiative zeigen, ist es doch für das
eigene Vorankommen besser, den neuen Vor-
gesetzte mit guten Idee und hohem Einsatz zu
überzeugen. Die Auswirkungen zeigen sich erst
nach mehr als drei Monaten, dann aber häufig
unvermittelt in den Schlüsselkennzahlen. Muss
sich der Nachfolger, neben einem strategischen
Stillstand, noch mit operativen Schwächen aus-
einandersetzen, überfordert diese Konstellation
auch sorgfältig ausgewählte Nachfolger, zumin-
dest für eine gewisse Zeitspanne.
Entsprechenden Einsatz wird das Controlling in
den üblichen Ergebnisgesprächen zeigen und
beim Gesprächspartner anmahnen, wobei das
unveränderte Engagement auch von dessen
Mitarbeitern gefordert wird.
°
Was hätte ich gerne besser verstanden,
als ich meine Aufgabe übernahm?
Der neue Verantwortliche wird die „üblichen“
Einstiegsgespräche führen, welche schon aus
Abschied von einer Führungsposition
1...,76,77,78,79,80,81,82,83,84,85 87,88,89,90,91,92,93,94,95,96,...116
Powered by FlippingBook