Controller Magazin 7/8/2018 - page 15

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narien der Zukunft bestimmen zu können,
nützen derartige Verfahren eine Monte-Carlo-
Simulation und führen die Risikoaggregation
durch, die gemäß §91 AktG nötig ist, um „be-
standsgefährdende Entwicklungen“ früh zu
erkennen (siehe Abbildung 2).
Mit den Angaben über die Risiken, die sich an
unterschiedlichen Stellen der GuV und Bilanz
auswirken, werden dabei mittels Monte-Carlo-
Simulation mehrere tausend mögliche Zukunfts-
szenarien generiert und analysiert. So lässt
sich auch der risikobedingte Eigenkapitalbedarf
(Value-at-Risk) als Maß für den Gesamtrisiko-
umfang berechnen und die Wahrscheinlichkeit
ermitteln, mit der das Unternehmen innerhalb
des gewählten Betrachtungszeitraums illiquide
wird und/oder das vorhandene Eigenkapital
vollständig verbraucht. Unmittelbar bestimmbar
ist zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit einer
„bestandsgefährdenen Entwicklung“
30
, also ein
Szenario, in dem
·
Mindestanforderungen an das (zukünftige)
Finanzkennzahlen-Rating (B-Rating) oder
·
Covenants (Kreditvereinbarung) verletzt
werden.
Wie erwähnt, wird so unmittelbar die Insol-
venzwahrscheinlichkeit als „Grad der Be-
standsgefährdung“ des Unternehmens – und
damit die Top-Kennzahl des Risikomanage-
ments – berechnet.
von Finanzkennzahlen (im letzten Jahresab-
schluss) nicht repräsentativ sind für die Zu-
kunft. In den Finanzkennzahlen des letzten
Jahresabschlusses sind nämlich implizit gera-
de diejenigen Chancen und Gefahren (Risiken)
erfasst, die im betrachteten Geschäftsjahr tat-
sächlich wirksam geworden sind. Die für die
zukünftige Insolvenzwahrscheinlichkeit maß-
geblichen künftigen Risiken lassen sich aus
dem letzten Jahresabschluss des Unterneh-
mens jedoch nicht ableiten (zum Beispiel
Nachfragevolatilität, Risiken aus Großprojek-
ten oder Unsicherheit über den Erfolg techno-
logischer Entwicklungen).
Als Alternative oder Ergänzung zu empirisch-
statistischen Insolvenzprognoseverfahren
28
,
die primär auf Finanzkennzahlen basieren,
können simulationsbasierte, direkte Rating-
verfahren auf Basis struktureller Modelle ge-
nutzt werden.
29
Sie basieren auf der Unter-
nehmensplanung und den Chancen und Ge-
fahren (Risiken), die Planabweichungen auslö-
sen können. Damit werden alle drei primären
Determinanten der Insolvenzwahrscheinlich-
keit – erwartete Ertragskraft, Risikodeckungs-
potenzial und Ertragsrisiko – bei der Abschät-
zung der Insolvenzwahrscheinlichkeit aus-
gewertet. Um auch die Kombinationseffekte
unterschiedlicher Risiken für die Zukunft des
Unternehmens auswerten zu können, und da-
mit die relative Häufigkeit von Insolvenzsze-
Fallbeispiel:
Betrachten wir die Müller-Meier
GmbH mit Umsatz 600 Mio. und 500 Mio. Bi-
lanzsumme (entspricht dem betriebsnotwendi-
gen Kapital). Das Eigenkapital beträgt am Jah-
resanfang 100 Mio. und das Betriebsergebnis
(EBIT) 15 Mio. Man berechnet nun leicht die
beiden für das Minirating maßgeblichen Finanz-
kennzahlen: Eigenkapitalquote EKQ = 20 %
und ROCE = 3%.
27
Daraus ergibt sich für die
Insolvenzwahrscheinlichkeit p (=PD):
Formel (4)
Für die Verbesserung der Qualität eines Ratings
ist die Kenntnis der Schwächen üblicher empi-
risch-statistischer Insolvenzprognoseverfahren
auf Basis von Finanzkennzahlen notwendig. Bei
einem Ratingsystem muss sichergestellt wer-
den, dass
·
ein Unternehmen bezüglich der wesentlichen
Faktoren repräsentativ für die Grundgesamt-
heit ist, auf deren Basis das Ratingverfahren
entwickelt wurde und
·
die aktuellen Charakteristika des Unterneh-
mens möglichst erwartungstreue Schätzer
für die zukünftigen Ausprägungen dieser
Charakteristika sind.
Gerade die Existenz von Unternehmensrisiken
führt dazu, dass historische Ausprägungen
Abb. 2: Ratingprognose mit risikobedingten Bandbreiten
CM Juli / August 2018
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,...116
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