Controller Magazin 7/8/2018 - page 14

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Dennoch haben pragmatische Lösungen, wie hier erläutert, sicher auch
Vorteile für die Praxis (z. B. Strategiebewertung).
Wirkung des Insolvenzrisikos führt zu Abweichungen zwischen
vertraglichen Fremdkapitalzinssätzen und Fremdkapitalkosten
Auch auf die Fremdkapitalkosten hat die Insolvenzwahrscheinlichkeit
einen Einfluss, der oft nicht adäquat berücksichtigt wird.
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Die Ermittlung
der Fremdkapitalkosten erscheint besonders einfach, weil die vertraglich
vereinbarten Fremdkapitalzinssätze (oder die Renditen von Anleihen) be-
kannt sind. Für die Berechnung der Kapitalkosten (WACC) sind jedoch
nicht die vertraglichen Fremdkapitalzinsen maßgeblich, sondern die
Fremdkapitalkosten, also die erwartete Rendite der Fremdkapitalgeber.
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Die vertraglichen Fremdkapitalzinssätze werden über den Fremdkapital-
kosten liegen, weil die Möglichkeit berücksichtigt werden muss, dass ein
Unternehmen bei einer Insolvenz nicht (vollständig) zahlt. Fremdkapital ist
damit immer etwas günstiger, als die vertraglichen Fremdkapitalzinsen
dies ausdrücken. Der Unterschied ist abhängig von der Insolvenzwahr-
scheinlichkeit eines Unternehmens.
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Mit steigender Insolvenzwahrscheinlichkeit p steigen aber die Fremdka-
pitalzinssätze meist schneller als zur (risikoneutralen) Kompensation von
p nötig, d. h. auch die Fremdkapitalkosten steigen mit schlechter wer-
dendem Rating.
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Methoden zur Bestimmung der Insolvenz-
wahrscheinlichkeit und des Insolvenzrisikos
Bisher wurde erläutert, warum die Insolvenzwahrscheinlichkeit eine
Top-Kenngröße der (wertorientierten) Unternehmenssteuerung ist und
insbesondere den Unternehmenswert, als Maßstab für den Unterneh-
menserfolg, maßgeblich bestimmt. Nachfolgend werden Verfahren für
die Abschätzung der Insolvenzwahrscheinlichkeit vorgestellt.
Schon mit nur zwei Finanzkennzahlen, nämlich der Gesamtkapitalrendite
und der Eigenkapitalquote, ist eine einfache Abschätzung der Insolvenz-
wahrscheinlichkeit (und damit der angemessenen Ratingnote) möglich
(„FVG-Mini-Rating“).
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Die entsprechende Formel für die Umrechnung
von Gesamtkapitalrendite (ROCE) und Eigenkapitalquote (EKQ) in eine In-
solvenzwahrscheinlichkeit (p = PD) bzw. Ratingnote ist die folgende:
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Formel (3)
Die Definition des Zusammenhanges zwischen der Eigenkapitalquo-
te und dem Return on Capital Employed (ROCE) mit der damit ver-
bundenen Insolvenzwahrscheinlichkeit beruht auf einem nichtlinea-
ren (logistischen) Zusammenhang, der eine Exponentialfunktion ent-
hält (Euler Zahl e ≈ 2,71). Eine Ratingprognose basiert auf (erwar-
tungstreuen) Planzahlen.
erfasst sind, weil die Planung z. B. zum Zweck der Unternehmenssteue-
rung erstellt wurde. Und damit besteht die Notwendigkeit einer Adjustie-
rung der vorliegenden Planung.
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In der Detailplanungsphase sind Insolvenzwahrscheinlichkeit und Insolvenz-
kosten unmittelbar bei der Bestimmung der Erwartungswerte zu berück-
sichtigen (als Szenario mit i. d. R. keinem Rückfluss an die Eigentümer). In-
solvenzkosten ergeben sich z. B. auch dadurch, dass Unternehmen mit
schwächerer Bonität große Schwierigkeiten haben, Kunden oder Mitar-
beiter zu binden. Grundsätzlich empfiehlt es sich, auch in der Fortfüh-
rungsphase Insolvenzszenarien durch eine Risikosimulation abzubilden.
Nimmt man für die Fortführungsphase bei der Bestimmung des Termi-
nal Value aber vereinfachend an, dass die Insolvenzwahrscheinlichkeit
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– entsprechend dem „Steady State“ im Rentenmodell – konstant bleibt,
führt sie (unter sonst gleichen Bedingungen) im Zeitablauf zu kontinu-
ierlich sinkenden Erwartungswerten der finanziellen Überschüsse (Er-
träge, Cashflows) und wirkt damit quasi wie eine „negative Wachstums-
rate“.
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Bei einer Wachstumsrate
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w, der (bedingten) Erwartungswerte
der finanziellen Überschüsse Z
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und einem Diskontierungszins k ergibt
sich folgende Gleichung (1) für den Unternehmenswert W in der Fort-
führungsphase (Terminal Value) in Abhängigkeit von der Insolvenzwahr-
scheinlichkeit p:
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Formel (1)
Der Wert eines Unternehmens (bzw. seines Terminal Value) mit w = 0,
d. h. ohne „Wachstumsprämie“, ist dann:
Formel (2)
Bei der Bestimmung einer unendlichen Reihe (Gordon-Shapiro-Mo-
dell) taucht die Insolvenzwahrscheinlichkeit (genau wie die Wachs-
tumsrate) tatsächlich in jeder einzelnen Periode im Zähler auf (siehe
Gleichung (1))
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. Das Auflösen der Reihe führt jedoch dazu, dass die
Insolvenzwahrscheinlichkeit (wie auch die Wachstumsrate) mathema-
tisch in den Nenner wandert. Genauso wenig, wie es sich bei der
Wachstumsrate um einen Abschlag auf den (risikogerechten) Diskon-
tierungszinssatz handelt, ist die Insolvenzwahrscheinlichkeit aber eine
„Insolvenzrisikoprämie“.
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Eine präzisere Erfassung der Risiken und stochastischen Abhängigkei-
ten, auch zwischen den einzelnen Perioden, kann man z. B. durch Bino-
minalmodelle
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sowie insbesondere durch die flexiblen stochastischen
Planungsmodelle und die Monte-Carlo-Simulation erreichen. Bei der
Berechnung der Erwartungswerte in der Simulation werden die Insol-
venzszenarien erfasst und eine geschlossene „Rentenformel“ (1) ist
praktisch unnötig, wenn man sehr viele Jahre der Zukunft simuliert.
Insolvenzrisiko
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,...116
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