CONTROLLER Magazin 5/2018 - page 83

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Implementierung eines ganzheitlichen und inte-
grierten Risikomanagement-Ansatzes. In die-
sem Beitrag stellen wir ein Konzept für ein
ganzheitliches und systematisches Risikoma-
nagement am Beispiel eines mittelständischen
Industrieunternehmens vor. Dabei gehen wir
auf die Bestandteile des Risikomanagement-
Systems ein und verdeutlichen Erfolgsfaktoren,
die sich während der Implementierung und
operativen Arbeit mit dem System bei der WIT-
TENSTEIN SE herauskristallisiert haben. Unser
Beitrag baut in großen Teilen auf einer unter-
nehmensintern erstellten Abschlussarbeit auf.
Aus der nachfolgenden wissenschaftlichen Dis-
kussion der Erkenntnisse unter den Autoren
entstand dieser praxisorientierte Beitrag zum
Thema Risikomanagement.
Anforderungen der
WITTENSTEIN SE an das
Risikomanagement
Die WITTENSTEIN SE ist ein deutsches mit-
telständisches Familienunternehmen, dessen
Leistungsangebot alle wesentlichen Techno-
logien für elektromechanische Antriebssyste-
me umfasst. Das Geschäftsmodell besteht
aus der Entwicklung, Herstellung und dem
Absatz innovativer und zukunftssicherer Pre-
miumprodukte in einer Vielzahl von Kompe-
tenzfeldern. Hinzu kommt das Engagement
mehrerer Tochtergesellschaften in den Berei-
chen Maschinen- und Anlagenbau, Medizin-
technik oder Luftfahrtindustrie, jede mit ihren
eigenen Kernkompetenzen und einer individu-
ellen Risikosituation.
Das ursprüngliche Risikomanagement der WIT-
TENSTEIN SE sah sich mit den zuvor beschrie-
benen Herausforderungen konfrontiert. Als
nicht börsennotierte Europäische Aktiengesell-
schaft orientierte sich das bisherige Risikoma-
nagement an den gesetzlichen Anforderungen
und Dokumentationspflichten. Zielsetzung für
die Weiterentwicklung des Risikomanagements
war daher eine effiziente Integration des Ge-
samtprozesses in die bestehenden Planungs-
und Kontrollvorgänge sowie die Unterstützung
der Geschäftsführung im Rahmen einer wert-
orientierten Unternehmensführung. Zusätzliche
Herausforderungen an das zukünftige Risiko-
managementsystem ergaben sich aus dem
Wachstum der letzten Jahre mit der Erschlie-
ßung neuer Geschäftsfelder und einer fort-
schreitenden internationalen Ausrichtung des
Unternehmens. Zur Erfüllung der Zielstellungen
benötigt das Risikomanagement eine ganzheit-
liche Darstellung der operativen und strategi-
schen Risiken im Unternehmenskontext, die
über die Mindestanforderungen des Gesetzge-
bers hinausgehen.
Integrierter Risikomanagement-
prozess der WITTENSTEIN SE
Der operative Risikomanagementprozess bei
der WITTENSTEIN SE orientiert sich am Kreis-
lauf des Risikomanagements und ist eingebet-
tet in eine unternehmensweit definierte Risi-
kostrategie.
Die Methode zur Risikoidentifikation greift auf
drei unterschiedliche Themengebiete mit unter-
schiedlichen zeitlichen Horizonten zurück. Stra-
tegische Risiken lassen sich im Rahmen der
langfristigen Unternehmensplanung und Stra-
tegieausrichtung erfassen. Die Grundlage dafür
bildet eine klare Strukturierung der Kernaspek-
te der Unternehmensstrategie und der unter-
schiedlichen Geschäftsmodelle. Im weiteren
Verlauf wird die Frage erörtert, über welche
maßgeblichen Erfolgspotentiale sowie Kern-
kompetenzen der jeweilige Geschäftsbereich
verfügt und welchen Bedrohungen diese aus-
gesetzt sind. Dazu werden von den Geschäfts-
führern der Tochtergesellschaften SWOT-Ana-
lysen durchgeführt, die zur Identifikation lang-
fristiger Risiken und Chancen sowie zugrunde-
liegender Stärken und Kernkompetenzen
herangezogen werden können.
Die Analyse von Planannahmen im Rahmen von
Controlling, Unternehmensplanung und opera-
tiver Planung kann zur weiteren Identifikation
von Risiken verarbeitet werden. Aus Gründen
der Planungstransparenz und zur Risikoerfas-
sung sollten alle getroffenen Annahmen syste-
matisch dokumentiert werden. Diese Bedin-
gungen bilden die Grundlage für das Risikoag-
gregationsmodell. Weiterer Bestandteil ist die
regelmäßig durchgeführte Risikoanalyse. Diese
ist mit den laufenden Planungs- und Berichts-
prozessen verknüpft und erfolgt quartalsweise
auf Ebene der Tochtergesellschaften, in- und
ausländischer Enkelgesellschaften und einzel-
ner Prozessbereiche.
Auf Grund der großen Menge von erfassten Ri-
siken wurde die Risikoanalyse einer Neustruk-
turierung und Filterung unterzogen. Dazu wer-
den diese wirkungsbezogen strukturiert und
mit den Risiken aus den vorherigen Bereichen
zur Vermeidung von Doppelerfassungen abge-
glichen. Viele der umsatzbezogenen Risiken
werden durch die allgemeinen Umsatzschwan-
kungen bereits erfasst. Damit ist eine klare
Trennung oder Zusammenfassung bestimmter
Risiken und deren Zusammenführung in einer
gefilterten Risikoübersicht möglich.
Nach der Filterung der erfassten Risiken ist
eine Relevanzeinschätzung durchzuführen. Risi-
ken werden dabei in einer ersten Einschätzung
hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Konzern-
ergebnisgröße bewertet. Dazu dient eine ein-
fache prozentuale Abstufung in Bezug auf das
übliche Konzernergebnis EBT. Abschließend
werden die verbleibenden Risiken in einem
priorisierten und konsolidierten Risikoinventar
zusammengefasst.
Risikolandkarte
Da die in der Praxis weit verbreitete Darstel-
lung in Form von Risk Maps unter methodi-
schen Gesichtspunkten erhebliche Schwach-
punkte aufweist, bestand von Seiten des Vor-
stands und des Aufsichtsrats der Wunsch
nach einer ganzheitlichen, empfängerorien-
tierten Abbildung der aktuellen Risikosituation.
Im Folgenden wurde hierfür eine mehrdimen-
sionale Risikolandkarte entwickelt, die für die
unterschiedlichen Geschäftsmodelle die be-
deutendsten zukünftigen unternehmensinter-
nen und -externen Entwicklungen im zeitlichen
Horizont darstellt. Das Grundgerüst in Form ei-
ner vereinfachten Darstellung beinhaltet die
generellen Entwicklungen sowie die unterneh-
mensspezifischen Risiken. Die Illustration wird
dann durch Trends, Chancen und Kernkompe-
tenzen erweitert (Abbildung 1).
Die Abbildungsweise gliedert sich in drei Quad-
ranten. Generelle und unternehmensspezifi-
sche Entwicklungen werden in der vertikalen
Sichtweise im zeitlichen Horizont angeordnet.
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