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Ich habe zunehmend den Eindruck, dass man
Controller heute vom Thema Verhaltensorien-
tierung nicht mehr überzeugen muss. Der Ab-
schied vom homo oeconomicus scheint zumin-
dest intellektuell bei den meisten vollzogen:
Manager sind – wie alle Menschen – kognitiv
begrenzt. Auch im Controller Magazin wurde
hierauf schon häufig eingegangen.
Mein Kollege Utz Schäffer und ich haben in ei-
nem Beitrag im letzten Jahr ausführlich gezeigt,
dass es auf Unternehmensebene diverse Mög-
lichkeiten gibt, etwas gegen kognitive Fehler zu
tun, auch wenn der Einzelne ihnen häufig weit-
gehend schutzlos ausgeliefert ist. Ein weites
Feld von Gegenmaßnahmen steht zur Verfü-
gung („Debiasing-Techniken“). Einige von die-
sen sind Controllern schon seit langem geläu-
fig, wie etwa das Einnehmen der Rolle des kri-
tischen Counterparts. Die meisten sind aber
neu.
Controller müssen also wieder auf die
Schulbank.
Ein solches Lernen wird nur dann erfolgreich
sein, wenn es eingebettet ist in ein entspre-
chendes kulturelles Umfeld: Das Thema ist zu
grundlegend und zu unscharf zugleich, um en
passant umgesetzt werden zu können.
Aus
meiner Sicht sind sechs Schritte erforder-
lich, um Verhaltensorientierung nachhaltig
zu verankern.
1. Erkennen
Im ersten Schritt geht es darum,
Problembewusstsein zu schaffen, das Thema
überhaupt auf die Agenda im Unternehmen zu
bringen. Controller können hierzu z. B. bekann-
te Fehlentscheidungen im Unternehmen ent-
sprechend aufbereiten („Was ist kognitiv schief
gelaufen?“), können das Thema auf internen
Veranstaltungen ansprechen, es im Intranet be-
kannt machen und vieles andere mehr. Dabei
ist es mehr als hilfreich, wenn sie diesen ersten
Schritt nicht alleine gehen müssen, sondern
Verbündete im Management dafür finden.
2. Benennen
Was kognitive Begrenzungen ge-
nau sind, wie sie wirken und was man dagegen
tun kann, ist in den Unternehmen derzeit zu-
meist nicht bekannt. Ein Problem kann aber
erst dann gelöst werden, wenn es hinreichend
beschrieben ist. Insofern geht es im zweiten
Schritt um das Schaffen einer gemeinsamen
Sprache: Redet man von kognitiven Begrenzun-
gen, von Biases, von Verhaltensdefekten, von
Heuristiken? – die Liste ähnlicher Begriffe ließe
sich fast beliebig verlängern. Nur mit einer kla-
ren Sprache ist eine erfolgreiche Kommunikati-
on der Thematik möglich.
3. Kommunizieren
Diese Kommunikation
reicht von der Erstellung entsprechender Unter-
lagen über spezifische Schulungen bis hin zum
selbstverständlichen, ständigen Ansprechen
(„Das war wieder ein typischer Ankereffekt“).
4. Einführen und Anwenden
Ist der Boden auf
diese Weise bereitet, können konkrete Maßnah-
men gegen kognitive Fehler ergriffen werden.
Die Toolbox der Controller ist entsprechend zu
erweitern. Dies muss genauso professionell
erfolgen wie für die bisherigen Instrumente.
5. Lernen
In der Anwendungsphase gilt es
dann, in einem trial and error-Vorgehen heraus-
zufinden, was im Unternehmen „geht“ und was
nicht. Misserfolge sind vorprogrammiert, aber
das kennen Controller ja durchaus auch schon
von anderen, „klassisch“ betriebswirtschaftli-
chen Instrumenten. Sie müssen lernen, wo man
Schwerpunkte legen sollte, auch, welche Rei-
henfolge der Einführung solcher Instrumente
am besten funktioniert.
6. Dauerhaft Umsetzen:
Veränderungen
dieser Art funktionieren nicht von heute auf
morgen. Dauer und erforderlicher Input wer-
den häufig unterschätzt. Schon bei einfachen
Change-Themen wird in den Unternehmen
viel zu kurzfristig gedacht. Wer eine stärkere
Verhaltensorientierung will, muss sie über
viele Jahre hinweg als ein Change Manage-
ment-Projekt auf die Agenda nehmen. Cont-
roller sehen sich doch – wie wir aus dem
WHU Controller Panel wissen – immer mehr
als „change agents“. Mit Verhaltensorientie-
rung haben sie eine Aufgabe, an der sie zei-
gen können, dass das mehr als nur ein reines
Wunschdenken ist.
Wie setzt man ein verhaltensorientiertes
Controlling um?
von Jürgen Weber
Autor
Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC)
der WHU – Otto Beisheim School of Management Campus Val-
nationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
Wie setzt man ein verhaltensorientiertes Controlling um?