CONTROLLER Magazin 5/2015 - page 85

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Grenzen. Je nach Situation gilt es die Entwick-
lung zu beschleunigen oder zum Abwarten zu
raten, sicherlich eine anspruchsvolle Aufgabe.
Gerüchte und Informationen
trennen
Große, börsennotierte Unternehmen werden in-
tensiv von der Öffentlichkeit beobachtet, veröf-
fentlichen Quartalszahlen und stellen sich den
kritischen Fragen der Fachpresse. Schon bei
ersten Anzeichen einer Krise, nehmen die hart-
näckigen Nachfragen zu, die Beobachtung wird
weiter intensiviert. Demgegenüber bleiben klei-
ne und mittelständische Unternehmen (KMU)
von der Öffentlichkeit praktisch unbeobachtet.
Die wenigen zugänglichen Daten sind schon
aufgrund des langen Zeitraums zwischen Ent-
stehung und Veröffentlichung kaum aussage-
kräftig, weshalb andere Instrumente der Beob-
achtung notwendig sind.
Wo Rauch ist, ist nicht immer Feuer.
Ge-
rüchte über einzelne Unternehmen können
bewusst gestreut werden. Das soll nicht dazu
führen, sogenannte schwache Signale zu ig-
norieren, allerdings
gilt es Gerüchte von In-
formationen zu trennen
. Insbesondere in
der Anfangsphase einer Unternehmenskrise
gibt es kaum harte Fakten. Eine nützliche
Informationsquelle sind die Mitarbeiter des
eigenen Unternehmens, die um eine gezielte
Informationssammlung gebeten werden kön-
nen. Durch Befragung von externen An-
sprechpartnern, wie Kunden und Lieferanten,
kann ein relativ zuverlässiges Gesamtbild ge-
wonnen werden. Ein weiterer wichtiger Früh-
indikator ist die Zunahme von Bewerbungen
von Mitarbeitern des Konkurrenten, selbst
wenn diese nicht genaue Auskunft über ihre
Beweggründe angeben wollen.
Nur ein Controlling, das im ständigen Gespräch
mit den einzelnen Abteilungen ist, offen auf An-
regungen reagiert und aufgrund der vertrauens-
vollen Zusammenarbeit auch schwache Signale
erhält, kann hier erfolgreich sein.
Formale Be-
richtssysteme sind wichtig
und sinnvoll,
können
jedoch keinen Ersatz für das ver-
trauensvolle Gespräch
bilden, da schwache,
teilweise widersprüchliche Signale allenfalls im
persönlichen Austausch berichtet werden, nicht
aber schriftlich, formell weitergegeben werden,
wenn der Unsicherheitsgrad zu hoch erscheint.
An feste Zeitpunkte geknüpfte Berichte werden
meistens entweder zu früh oder zu spät kommen.
Auf Basis der verschiedenen Gespräche und
Eindrücke kann das Controlling zu einer Ge-
samteinschätzung gelangen. Unabhängig von
den Resultaten kann es nur Einschätzungen
geben; Gewissheit ist erst erreicht, wenn der
Konkurrent übernommen oder ein Insolvenz-
verfahren eingeleitet wurde. Dann sind die
Möglichkeiten der eigenen Reaktionen bereits
weitgehend begrenzt. Deshalb gilt es
auf Basis
der ersten Einschätzung drei Möglichkeiten
zu unterscheiden
:
·
die Informationen sind derart gering,
widersprüchlich oder stehen im Gegensatz
zur ersten Einschätzung, so dass eine
gezielte Beobachtung nicht lohnt,
·
die Informationen ergeben Anhaltspunkte,
welche jedoch als zu vage erachtet werden,
um auf dieser Basis konkrete Handlungen
einzuleiten, eine weitere, intensive Beobach-
tung erfolgt,
·
die Informationen sind ausreichend
belastbar, um darauf aufbauend konkrete
Maßnahmen einzuleiten und mit der Unter-
nehmensleitung das weitere Vorgehen
abzustimmen.
Die Ergebnisse dieser Informationssammlung
sind in jedem Fall äußerst vertraulich zu behan-
deln.
Zu vermeiden ist
, dass Mitarbeiter des
Unternehmens als
Gerüchtequelle
zitiert und
identifiziert werden. Führen derartige Gerüche
zur Schädigung des Konkurrenten, sind Scha-
densersatzansprüche nicht auszuschließen. Im
Fall belastbarer Informationen, ist die Unter-
nehmensleitung zu informieren und das Vorge-
hen abzustimmen. Der folgende Text soll Ihnen
dafür als Anleitung dienen.
Gründe der Schwächung
des Konkurrenten
Mittelständler sind gewohnt rasch zu handeln,
entsprechend werden neue Ziele entwickelt,
welche oftmals aggressiv formuliert werden,
sobald ein Konkurrent Schwäche zeigt. Die –
möglicherweise – einmalige Chance empfiehlt
es sich zu nutzen, bevor weitere Wettbewerber
den gleichen Kenntnisstand erlangen.
Kunden
sollen gewonnen, Marktsegmente erobert,
evtl. auch der Konkurrent direkt übernom-
men werden.
Zwar werden weitere Motive
kaum eingeräumt, nicht selten stehen hinter
diesen sachlichen Argumenten
auch persönli-
che Verletzungen
, welche Unternehmensver-
antwortliche erlitten haben.
Rache ist aller-
dings selten ein guter Ratgeber.
Im ersten Schritt ist das
Ausmaß der Schwä-
chung
des Wettbewerbers
zu bestimmen
, da
erst auf dieser Basis genaue Ziele entwickelt
werden können. Ein Problem wird das Fehlen
interner Unterlagen des Konkurrenten darstel-
len. Wenn eine Veröffentlichungspflicht des
Jahresabschlusses besteht, sollte dieser spä-
testens jetzt beschafft und analysiert werden.
Für gewöhnlich werden zahlreiche Informatio-
nen aufzuspüren sein, insbesondere wenn es
sich um einen lokalen Konkurrenten mit ver-
gleichbarem Angebot handelt. Hier kann die
Datenbeschaffung offen durchgeführt werden,
stellt es doch kein Vergehen dar, öffentlich zu-
gängliche Informationen zu sammeln, Gesprä-
che zu führen und für eigene Zwecke auszu-
werten. Bei der Informationssammlung gilt es
alle Bereiche des Unternehmens einzube-
ziehen
, z. B. kann die Einschätzung von ge-
meinsamen
Kunden und Lieferanten
helfen,
die Lage zu beurteilen.
Grundsätzlich wird ein Konkurrent kaum lang-
jährig am Markt erfolgreich gewesen sein,
wenn nicht auch entsprechende Stärken vorlie-
gen. Gleichermaßen werden jedoch Schwä-
chen bestehen, ansonsten wären die aktuellen
Probleme nicht erklärbar. Hier gilt es ein
diffe-
renziertes Bild
zu entwickeln.
Bei den Antworten, welche unternehmensin-
tern gefunden werden, sind auch
die Intentio-
nen der Fachbereiche zu berücksichtigen
.
Dabei wird kaum ein Bereich einräumen, dass
die eigenen Leistungen im direkten Vergleich
mit dem Konkurrenten schlechter zu bewerten
sind. Mangelnder Verkaufserfolg vom Vertrieb
wird gerne mit den überlegenen Produkten des
Konkurrenten begründet, während vielleicht die
Produktionsverantwortlichen den besseren
Vertrieb des Konkurrenten als kritischen Faktor
anführen. Am Ende der Informationssammlung
ist ein differenziertes Bild zu zeichnen, wobei es
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