CONTROLLER Magazin 5/2015 - page 89

87
verfügte die Unternehmensleitung, dass unter
Leitung des Controllings erst die
Gründe der
Probleme zu ermitteln seien, um auf dieser
Basis Entscheidungen zu treffen
. Allzu
schnelle Schritte könnten zur Übernahme eben
dieser Probleme führen und das eigene Unter-
nehmen nicht stärken sondern schwächen.
Wenn auch keine internen Daten der Baum
GmbH zur Verfügung standen, konnte wie bei
der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage aus
verschiedenen Einzelbetrachtungen ein Ge-
samtbild gewonnen werden.
Preis und Leis-
tungen
der Baum GmbH sind
konkurrenzfä-
hig
. Die
Produkte entsprechen den Anfor-
derungen des Marktes. Aufgefallen war
al-
lerdings in den letzten Jahren ein
starker
Aufbau der Kapazitäten
, das Werk entsprach
neuesten technischen Bedingungen. Die Baum
GmbH expandierte vor allem über eine Zunah-
me der angebotenen Produkte und geriet da-
durch auch in Konkurrenz zu sehr viel größeren
Anbietern. Die zur Auslastung der Kapazitäten
notwendigen Verkäufe konnten nur zu relativ
niedrigen Preisen am Markt durchgesetzt
werden. Da die Kunden nur zögernd kauften,
hatten sich die
Bestände
der fertigen Produk-
te
erhöht
, wie eine Vorbeifahrt am Werksge-
lände leicht aufzeigte. Auch hier oblag es wie-
derum dem Controller, die Informationssamm-
lung zu moderieren und eine gemeinsame Fest-
stellung zu formulieren. Dies war deshalb
wichtig, weil spätere Entscheidungen nicht iso-
liert vom Unternehmensbesitzer betroffen wer-
den sollten, sondern die Unterstützung der ge-
samten Führungsebene haben sollte.
Nunmehr wurden
Stärken und Schwächen
des Konkurrenten
mit der eigenen Situation
verglichen, also die relativen Stärken und
Schwächen in Bezug gesetzt. Dabei ist der un-
mittelbare Vergleich der einzelnen Fachberei-
che nicht einfach. Ein Produktionsleiter mag
einräumen, dass die technische Ausstattung
des Konkurrenten besser ist, vom Vertriebslei-
ter wird aber kaum die Aussage zu erhalten
sein, dass die Mitarbeiter des Konkurrenten
bessere Leistungen als die eigenen Vertriebs-
kräfte erbringen. Deshalb wurde einerseits der
Unternehmensleiter um eine Einschätzung ge-
beten, anderseits die Abteilungsleiter um eine
relative Einschätzung gebeten, womit darauf
abgezielt wurde, die interessanten herauszu-
filtern. Dabei wurde der Begriff „Vermögens-
güter“ durchaus weiter gefasst und auch im-
materielle Werte wie Mitarbeiter darunter sub-
sumiert. Zu diesem Zeitpunkt wurden bewusst
keine Grenzen gesetzt, wie sie bspw. durch die
finanziellen Möglichkeiten gegeben sind.
Nach
der Informationssammlung
wurden die ein-
zelnen Punkte von
allen Beteiligten disku-
tiert
. Der Controller hatte bis zu diesem Zeit-
punkt gemeinsam mit dem Inhaber auch die
finanziellen Möglichkeiten festgelegt
.
·
Im Einkauf ergaben sich keine relevanten
Punkte.
·
Die Produktion identifizierte einige Anlagen
als neuwertig und gut in die eigene Produk-
tion integrierbar. Diese sind jedoch für den
Konkurrenten zur Leistungserstellung
unverzichtbar, mithin wäre ein Erwerb nur
im Rahmen der Veräußerung der einzelnen
Vermögensgüter im Rahmen einer Insolvenz
möglich.
·
Der Vertrieb hielt das zusätzliche Angebot
einer speziellen Leistung des Konkurrenten
zur Abrundung der eigenen Leistungen für
sinnvoll.
·
Wenn möglich, sollte die Produktionsanlage
erworben und flankierend der zuständige
Vertriebsmitarbeiter eingestellt werden.
Der letzte Punkt erschien allen Beteiligten er-
folgversprechend. Der Vertrieb schlug ein ag-
gressives Vorgehen vor. Würde der Konkurrent
einem Verkauf nicht zustimmen, seien die Ab-
werbung des Mitarbeiters und der Aufbau eige-
ner Kapazitäten sinnvoll. Deshalb wurde
ver-
einbart, den Konkurrenten unmittelbar an-
zusprechen
und ein Erwerb der Aktivitäten
vorzuschlagen. In dessen angespannten Situa-
tion könnte der Zufluss frischen Kapitals sehr
willkommen sein. Der Controller führte eine In-
vestitionsrechnung durch, um den maximalen
Preis zu ermitteln.
Die
Kontaktaufnahme erfolgte durch den
Inhaber
persönlich, welcher ein Gespräch mit
dem Geschäftsführer/ Gesellschafter der Baum
GmbH vereinbarte. Zwar wurden im Gespräch
die wirtschaftlichen Schwierigkeiten von keiner
Seite explizit angesprochen, jedoch betonte der
Interessent, dass die Zahlung des Kaufpreises
kurzfristig erfolgen würde. Die Abgabe der
Randaktivität würde am Markt nicht als „Aus-
verkauf“ gedeutet werden. Nach kurzer Be-
denkzeit stimmte der Geschäftsführer zu, die
Abwicklung erfolgte binnen zweier Wochen. Die
Anlagen wurden abgebaut und neu installiert,
der Anlagenführer stimmte der Änderung des
Arbeitsverhältnisses gerne zu, seine Konditio-
nen blieben unverändert.
Fazit
Nach Abschluss der Transaktion wurde die Ent-
wicklung der Baum GmbH weiter beobachtet.
Diese wurde nach vier Monaten von einem
norddeutschen Wettbewerber komplett über-
nommen. Wäre die einmalige Möglichkeit des
Erwerbs nicht genutzt worden, hätten sich
kaum weitere Möglichkeiten zu einem derartig
günstigen Preis ergeben, die Aktivitäten der
Schäfer KG abzurunden. Die Geschäftserwar-
tungen haben sich sowohl bezüglich des Um-
satzes, als auch hinsichtlich des Ergebnisses
erfüllt, die Einbindung des neuen Vertriebsmit-
arbeiters erfolgte problemlos.
Die Schäfer KG hat ihren Geschäftsaktivitäten
einen interessanten Bereich hinzugefügt. Ne-
ben ansprechenden Erlösen ist auch die Abrun-
dung der Angebotspalette positiv zu sehen.
Die intensive Zusammenarbeit mit den ver-
schiedenen Abteilungen hat die Akzeptanz des
Controllings weiter verbessert. Ergänzend wur-
den die Kenntnisse von Märkten, Produkten
und Absatz verbessert, der vorher sehr nach in-
nen gerichtete Blick auf die externen Einfluss-
faktoren erweitert.
Eine systematische Beobachtung aller Wettbe-
werber erscheint kaum umsetzbar, allerdings
wurde im Unternehmen vereinbart, dass zu-
künftig bereits schwache Signale informell dem
Controlling weitergegeben werden sollen, um
auf dieser Basis rasch Reaktionen planen und
durchführen zu können.
CM September / Oktober 2015
1...,79,80,81,82,83,84,85,86,87,88 90,91,92,93,94,95,96,97,98,99,...116
Powered by FlippingBook