personalmagazin 9/2018 - page 81

Out of the box
81
Drei Fragen zum Thema
„Künstliche
Intelligenz“
1. Wo vermissen Sie im Digitalisierungs-
Hype den gesunden Menschenverstand?
Zurzeit herrscht eine gewisse Daten-Hörigkeit. Ich habe
früher selbst neuronale Netze programmiert und weiß, was
diese Systeme können. Aber ich weiß auch, was sie nicht
können. Einer meiner Schlüsselsätze lautet: Computer
rechnen, Gehirne verstehen. Wir besitzen diese einmalige
Fähigkeit zu verstehen, was wir lernen. Wir arbeiten nicht
mit Korrelationen, sondern mit Kausalitäten. An diesem
Punkt hat die Programmierung in den vergangenen 50 Jah-
ren überhaupt keine Fortschritte gemacht.
2. Können uns Computer helfen, die Kom­
plexität in den Unternehmen zu reduzieren?
Schwache Führungskräfte haben sich schon immer auf ex-
terne Faktoren verlassen und gehofft, dass diese für sie die
Entscheidungen treffen. Das wurde früher durch Unterneh-
mensberater geleistet: Wenn eine Führungskraft Angst hatte
und nicht wusste, was sie tun sollte, holte sie eine Beratung
ins Haus, die sagte, was zu tun war. Heute nutzt sie dafür
Daten. Doch den richtigen Weg kann weder die Unter-
nehmensberatung noch der Rechner vorhersagen. Heute
brauchen Führungskräfte mehr denn je eine Vision, was sie
mit dem Unternehmen, den Mitarbeitern und den Produkten
erreichen wollen. Ist diese vorhanden, können die Daten
ihnen helfen, die Komplexität zu reduzieren.
3. Können Algorithmen dann überhaupt bei
der Personalauswahl unterstützen?
Sie können eine gute Vorselektion machen. Big-Data-Syste-
me sind sehr mächtig, weil sehr viele Daten zur Verfügung
stehen. Ein Beispiel aus einem anderen Bereich ist die
Plattform für Partnersuche Parship. Dadurch können Sie in
ganz Europa auf weitaus mehr potenzielle Partner zugreifen
als durch andere Wege des Kennenlernens. Aber es herrscht
auch eine sehr große Datengläubigkeit – die Hoffnung, dass
uns das System die perfekte Lösung liefert. Gerade wenn es
um etwas Individuelles geht, können Daten kein passendes
Ergebnis liefern. Bei der Personalauswahl können die Algo-
rithmen wahrscheinlich die zehn Personen vorschlagen, die
fachlich die besten Voraussetzungen haben. Um dann zu
entscheiden, wer wirklich ins Team passt, ist der menschli-
che Faktor nötig. Das kann ein Computer nicht leisten.
Als diplomierter Physiker und Wissen­
schaftskabarettist hat Vince Ebert eine
eigene Meinung zur Digitalisierung. Er sagt:
„Computer rechnen, Gehirne verstehen.“
Vince Ebert ist
Diplom-Physiker,
Kabarettist,
Vortragsredner
und Autor.
1...,71,72,73,74,75,76,77,78,79,80 82,83,84,85,86,87,88,89,90,91,...108
Powered by FlippingBook