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ORGANISATION
_SELBSTSTÄNDIGE UND HR
personalmagazin 01/18
D
ie Selbstständigenquote, die
2016 bei knapp zehn Prozent
lag, ist seit fünf Jahren rück-
läufig – eine erstaunliche Ent-
wicklung in Zeiten von Digitalisierung
und Arbeiten 4.0. Wo Hierarchien ab-
gebaut, feste Arbeitsplätze abgeschafft
und agile Arbeitsformen gefördert wer-
den, wäre es eigentlich zu erwarten, dass
die Grenzen zwischen Angestellten und
Selbstständigen zunehmend verschwim-
men und dass beide als gleichberechtigte
Projektpartner nebeneinander arbeiten
– mit dem Unterschied, dass der eine
seine Gehaltsabrechnung erhält und der
andere eine Rechnung schreibt.
Was hält Personalmanager davon ab,
die Arbeit in ihrem Unternehmen kon-
sequent zu flexibilisieren und in diesem
Zuge auch auf flexible Beschäftigungs-
formen zu setzen? Inwiefern sind Selbst-
ständige, die für das Unternehmen tätig
sind, überhaupt im Blickfeld von HR?
Hat die seit April 2017 geltende AÜG-
Reform den Einsatz von Selbstständigen
möglicherweise erschwert?
Nur wenige fühlen sich zuständig
Diese Fragen standen im Mittelpunkt
einer Arbeitgeberbefragung innerhalb
einer doppelperspektivischen Umfrage
von Personalmagazin und Softgarden
zum Thema Selbstständigkeit und HR.
141 Personalmanager und Manager
mit Personalverantwortung nahmen
zwischen Juli und Oktober 2017 an der
Arbeitgeberbefragung teil. Ein zent-
rales Ergebnis: Selbstständigkeit wird
Von
Daniela Furkel
(Red.)
auf Arbeitgeberseite durchaus positiv
gesehen. Die Begriffe „Unabhängigkeit“
und „Freiheit“ tauchen in den Freitext-
antworten immer wieder auf. Geht es
allerdings um den praktischen Einsatz
von Selbstständigen im Unternehmen,
so sehen sich nur 56 Prozent der Perso-
nalmanager zuständig.
Einsatzfelder von Selbstständigen
Die Mehrheit der befragten Unterneh-
men (72 Prozent) beschäftigt Selbst-
ständige. Diese kommen vornehmlich in
der IT (43 Prozent), im Consulting (41
Prozent) sowie im Projektmanagement
(24 Prozent) zum Einsatz. Auch Grafiker
oder Designer (24 Prozent), Ingenieure
oder Techniker (23 Prozent) sowie Me-
dien- und Kommunikationsprofis (21
Prozent) werden häufig auf Selbststän-
digenbasis beauftragt. Etwas seltener
kommen Selbstständige im Marketing
oder Vertrieb (18 Prozent) und sehr sel-
ten im Einkauf vor (drei Prozent).
Interessant ist ein Blick auf die Freitex-
tantworten zum Bereich „Sonstiges“, der
von einem Drittel der Befragten (34 Pro-
zent) beantwortet wurde: Hier werden
sehr häufig die Einsatzfelder „Training,
Seminare, Coaching“ genannt, gefolgt
von Aufgaben im HR-Umfeld und Head-
hunting. Auch der medizinische Bereich
sowie Buchhaltung oder Controlling
wurden als Tätigkeitsfelder genannt. Die
Antwort „Dort, wo es nicht genug Spe-
zialisten gibt“ deutet darauf hin, dass
Selbstständige auch dann zum Einsatz
kommen, wenn das Unternehmen keine
Angestellten mit den gesuchten Qualifi-
kationen findet.
In den meisten Fällen betreut die
Fachabteilung (66 Prozent) die Selbst-
ständigen, die für das Unternehmen tä-
tig sind. Die Personalabteilung kümmert
sich in knapp der Hälfte der Fälle um
die Selbstständigen (46 Prozent) und der
Einkauf ist in 21 Prozent der Unterneh-
men involviert (Mehrfachantworten wa-
ren möglich). Wie die Freitextantworten
unter dem Punkt „Sonstiges“ offenba-
ren, sind Selbstständige in manchen Un-
ternehmen auch über Abteilungen wie
„Finanzen“, „Honorare und Lizenzen“,
die Geschäftsleitung oder die Rechtsab-
teilung angebunden.
Das deutet bereits auf einen großen
Knackpunkt hin: Die Furcht vor der
Scheinselbstständigkeit hält offenbar
viele Firmen davon ab, Selbstständige
zum Gegenstand von HR zu machen.
Deshalb unterscheiden zahlreiche Un-
ternehmen zwischen der Betreuung von
Festangestellten (Zuständigkeit liegt bei
HR) und der Betreuung von Selbststän-
digen (Zuständigkeit liegt bei einer an-
deren Abteilung).
Die Rolle von HR
Sehr häufig konzentriert sich die Rolle
von HR auf den rechtssicheren Einsatz,
die Vermeidung von Scheinselbststän-
digkeit und die Vertragsgestaltung. Aber
es gibt auch Unternehmen, in denen
genau diese Aufgaben in der Rechtsab-
teilung angesiedelt sind. Einige wenige
Unternehmen legen die HR-Rolle anders
aus: Hier wird die gesamte Bedarfspla-
nung in HR gesteuert, und hier ist es die
Aufgabe von HR, den Überblick über das
eingesetzte Fremdpersonal zu bewahren.
Unbekannte für HR
UMFRAGE.
Die meisten HR-Abteilungen sehen ihre Aufgabe im Umgang mit Selbststän-
digen in der rechtlichen Absicherung und weniger darin, die Arbeit zu flexibilisieren.