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MANAGEMENT
_E-LEARNING
personalmagazin 01/18
D
eutsche Firmen lassen sich
die Weiterbildung ihrer Mit-
arbeiter einiges kosten: 33,5
Milliarden Euro haben sie im
vergangenen Jahr in die Personalent-
wicklung investiert. Zu diesem Ergebnis
kommt eine aktuelle Weiterbildungser-
hebung des Instituts der deutschenWirt-
schaft (IW) Köln. Demnach bildet die
große Mehrheit (85 Prozent) der rund
1.700 befragten Unternehmen ihre An-
gestellten weiter – imDurchschnitt mehr
als 17 Stunden pro Jahr und Mitarbeiter.
Die Digitalisierung spielt den Erkennt-
nissen der Wirtschaftsforscher bei der
Weiterbildung eine doppelte Rolle: Zum
einen macht sie Weiterbildung notwen-
dig – etwa wenn es darum geht, dass Mit-
arbeiter das technische Know-how und
die richtigen Kompetenzen für die Arbeit
in der digitalisierten Welt erlangen. Und
zum anderen hilft die Digitalisierung –
in Form von digitalen Weiterbildungs-
formaten – das Lernen zu unterstützen.
In der Befragung lässt sich ein Zu-
sammenhang zwischen beiden Rol-
len erkennen: Unternehmen, die mit
digitaler Technologie produzieren,
investieren mehr Zeit und Geld in
Weiterbildung als andere Betriebe. Zu
einem ähnlichen Ergebnis ist auch das
diesjährige Betriebspanel des Instituts
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
(IAB) gekommen, für das seit 25 Jah-
ren regelmäßig rund 16.000 Betriebe in
Deutschland repräsentativ befragt wer-
den: Zwar stagniert das Weiterbildungs-
engagement in Deutschland insgesamt.
Von
Andrea Sattler
(Red.)
Aber wer die Auswirkungen der Digitali-
sierung direkt spürt, bildet mehr weiter.
Obwohl gerade die Möglichkeiten des
digitalen Lernens vielfältig sind, zeigten
frühere Studien, dass manche deutsche
Unternehmen bislang noch Berührung-
sängste damit haben. Eine Studie der
Hochschule Rhein-Main kam in diesem
Jahr etwa zum Ergebnis, dass dem digi-
talen Lernen zwar hohe Bedeutung bei-
gemessen wird, es aber längst nicht in
gleichem Maße verbreitet ist.
Digital lernen: Langsam läuft‘s
STUDIE.
Laut IW Köln kommt digitales Lernen langsam in der Praxis an. Doch längst
schöpfen Personaler nicht alle Möglichkeiten aus, die die Digitalisierung bietet.
personalmagazin:
Herr Jennings, was
steckt hinter Ihrem 70-20-10-Konzept?
Charles Jennings:
Die Zahlen stehen für
drei unterschiedliche Lernformen, die
sich aber oft überlappen: Die 70 steht
für Lernen durch Arbeit. Die 20 steht
für Lernen von und mit anderen. Die
10 ist das formelle Lernen. Das Modell
ist eine Struktur, innerhalb derer sich
Lernen und Entwicklung, das Learning
and Development, an den Geschäfts-
und Organisationszielen ausrichtet.
personalmagazin:
Warum ist informelles
Lernen wichtiger als formelles?
Jennings:
Es ist erwiesen, dass wir mehr
aus unserer eigenen Arbeit und von
Arbeitskollegen lernen als von formel-
len Schulungen. Professor Andries de
Grip beispielsweise veröffentlichte im
Juni 2015 einen Report zur Bedeutung
von informellem Lernen am Arbeits-
platz. Er geht davon aus, dass 98 Pro-
zent der Zeit, die wir auf das Lernen
verwenden, informell ist. Und je näher
das Lernen am Einsatzort stattfindet,
desto effektiver ist es.
personalmagazin:
Welche Themen eignen
sich für informelles Lernen?
Jennings:
Ich habe bisher noch kein ein-
ziges Thema gefunden, das sich nicht
dafür eignet. Da alles Lernen in einem
Kontext erfolgt, liefert das 70-20-10-Mo-
dell die Möglichkeit, sich kontextbezo-
gen auf die Performance zu fokussieren.
Wenn man beispielsweise herausragen-
de Musiker, Designer oder Architekten
betrachtet, haben fast alle mit formellem
Lernen begonnen. Aber Qualifikationen
allein bringen weder Höchstleistung
noch Kreativität hervor. In meiner Zeit
als Chief Learning Officer bei der Nach-
richtenagentur Reuters habe ich keinen
einzigen Kandidaten nur aufgrund sei-
ner Qualifikationen eingestellt.
„E-Learning ist viel zu contentlastig“
INTERVIEW
Der Brite Charles Jennings gilt als Pionier des 70-20-10-Modells. Im Interview erklärt er,
wie informelles Lernen am Arbeitsplatz funktionieren kann.
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