personalmagazin 5/2018 - page 66

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personalmagazin 05/18
RECHT
_BUSINESS-TRANSFORMATION
D
igitalisierung und Industrie
4.0 machen nicht nur mit
hoher Geschwindigkeit eine
Veränderung etablierter Ge-
schäftsmodelle („Business Transforma-
tion“) erforderlich, sondern gleichzeitig
die Anpassung der Qualifikationen der
Mitarbeiter. HR muss derzeit einen
teilweise revolutionären Transformati-
onsprozess managen, der über das, was
personalpolitisch bislang unter einer
„Restrukturierung“ verstanden wurde,
weit hinausgeht.
Sehr häufig sind entsprechende
Transformationsprozesse mit Betriebs-
änderungen im Sinne des § 111 Betriebs-
verfassungsgesetz (BetrVG) verbunden.
Allerdings verschieben sich die Inhalte
der Vereinbarungen, die dabei mit dem
Betriebsrat abzuschließen sind. In den
Fokus rückt zunehmend der sogenann-
te Qualifizierungssozialplan. Denn das
gemeinsame Ziel besteht meist nicht
in einem völligen Austausch des vor-
handenen Personals durch besser qua-
lifizierte Fachkräfte, sondern in einer
Umgestaltung der Arbeitsplätze und ei-
ner Neuqualifizierung möglichst vieler
Mitarbeiter.
Neue Tätigkeit:
per Weisung oder Qualifizierung
Die digitale Transformation zwingt Ar-
beitgeber dazu, die Arbeitsplätze und
Arbeitsinhalte zu überdenken und neu
zu definieren. Darin ist der Arbeitge-
ber – bis zur Grenze der Willkür – frei.
Anpassungen des Arbeitsvertrags sind
Von
Patrick Mückl
und
Mareike Götte
auch nicht erforderlich, solange das ver-
änderte Anforderungs- und Tätigkeits-
profil noch von der Jobbeschreibung
umfasst ist. Die neuen Tätigkeiten und
Anforderungen können dann kraft ar-
beitgeberseitigen Weisungsrechts über-
tragen werden.
Entfernt sich das neue Anforderungs-
profil dagegen zu weit von der ursprüng-
lichen Tätigkeitsbeschreibung oder
bringt der Arbeitnehmer nicht die er-
forderliche Qualifikation für das verän-
derte Aufgabenspektrum mit, obliegt es
im Ergebnis zunächst dem Arbeitgeber,
seinen Arbeitnehmer „fit“ für die neuen
Aufgaben zu machen. Das folgt mittel-
bar aus dem Kündigungsschutzrecht
(§ 1 Abs. 2 Satz 3 Kündigungsschutzge-
setz (KSchG)). Ohne eine entsprechende
kollektive oder individuelle Vereinba-
rung besteht aber kein unmittelbarer
Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers
auf Fortbildungs- und Qualifizierungs-
maßnahmen. § 81 Abs. 4 Satz 2 BetrVG
sieht lediglich einen individuellen Erör-
terungsanspruch zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer im Falle der Ände-
rung des Qualifikationsprofils vor.
Ohne Weiterbildungsmaßnahme:
Kündigung als letztes Mittel
Sind sich die Parteien (vorbehaltlich der
Mitbestimmungsrechte nach §§ 96 ff.
BetrVG) über die erforderliche Qualifi-
zierungsmaßnahme, ihre Durchführung
und Kosten einig, ergeben sich zumeist
keine Probleme. Ist sie dagegen nicht
möglich – weil der Mitarbeiter zum
Beispiel zu deren Durchführung nicht
bereit ist – oder reicht eine Bildungs-
maßnahme nicht aus beziehungsweise
schlägt fehl, bleibt für den Arbeitgeber
letztlich nur die Anpassung des Arbeits-
vertrags durch Änderungskündigung
oder – als letztes Mittel – die Beendi-
gungskündigung.
Auf welchen Kündigungsgrund derar-
tige Änderungs- oder Beendigungskün-
digungen gestützt werden können, ist
bei Business-Transformation-Prozessen
für HR nicht immer leicht zu beantwor-
ten. Denkbar sind personen-, verhaltens-
und betriebsbedingte Gründe. Nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeits-
gerichts (BAG) ist für die Abgrenzung
letztlich der Schwerpunkt der jeweiligen
Ursache maßgeblich (BAG, Urteil vom
21.11.1985, Az. 2 AZR 21/85).
Wichtige Kontrollfragen sind: Bringt
der Mitarbeiter (nicht) das richtige Qua-
lifikationsprofil mit oder weigert er sich,
es zu erwerben? Kann es in einem zu-
mutbaren Zeitraum erworben werden?
Stehen hierfür ausreichende Mittel zur
Verfügung?
Folgende Beispielsfälle sollen bei der
Einordnung helfen:
Personenbedingte Kündigung:
Sie ist
denkbar, wenn der Arbeitnehmer –
trotz Teilnahme an entsprechenden
Schulungen – nicht in der Lage ist, dem
veränderten Anforderungsprofil seines
Arbeitsplatzes gerecht zu werden.
Verhaltensbedingte Kündigung:
Für
diese ist Raum, wenn sich der Arbeit-
nehmer weigert, zumutbare Schulun-
gen zu absolvieren.
Betriebsbedingte Kündigung:
Diese
setzt zunächst den Wegfall des bisheri-
gen Arbeitsplatzes voraus, was bei der
Qualifizieren statt kündigen
TOOL.
Bei einer Business-Transformation kann es für Unternehmen oft attraktiv sein,
eigene Mitarbeiter zu entwickeln. Wie Regeln mit dem Betriebsrat zu gestalten sind.
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