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RECHT
_ARBEITSZEIT
personalmagazin 05/18
halt während der Wartezeit selbst frei
wählen kann. Dies ist bei der sogenann-
ten Arbeitsbereitschaft nicht der Fall.
Dabei befindet sich der Arbeitnehmer
am Arbeitsplatz und ist – wie es das
BAG pointiert ausdrückt – in „wacher
Aufmerksamkeit im Zustand der Ent-
spannung“. Eine gleichbedeutende Ar-
beitsplatzbindung liegt auch vor, wenn
sich der Mitarbeiter im Betrieb beliebig
aufhalten darf oder sogar wenn es ihm
gestattet ist, während der Wartezeit pri-
vaten Tätigkeiten nachzugehen, etwa im
firmeneigenen Fitnessstudio.
Und nicht nur das: Für eine (arbeits-
zeitfreie) Rufbereitschaft ist auch dann
kein Raum, wenn sich der Arbeitnehmer
zwar außerhalb des Betriebs, aber an
einem bestimmten Ort aufhalten muss,
ihm etwa vorgeschrieben würde, nur in
seiner Privatwohnung zu übernachten.
EuGH: Zeit entscheidend, nicht Ort
Rufbereitschaftsabreden sind in der
Regel mit der Vorgabe verbunden, die
Tätigkeit innerhalb einer bestimmten
Zeit, also einer gewissen Reaktionszeit,
aufzunehmen. Dies kann den Grundsatz
faktisch einschränken, dass der Arbeit-
nehmer den Ort seiner Wartezeit be-
liebig auswählen kann. Je nach verein-
barter Dauer kann dies den Grundsatz
sogar komplett ad absurdum führen.
Wann also ist die Reaktionszeit so kurz,
dass eine als Rufbereitschaft beschrie-
bene Klausel tatsächlich als ein echter
Bereitschaftsdienst zu werten ist?
Der EuGH hat im Fall der Rufbereit-
schaftsabrede für einen Feuerwehrmann
nun entschieden, dass es als Arbeitszeit
anzusehen ist, wenn dieser – wie vom
Arbeitgeber vorgegeben – bei einemNot-
ruf innerhalb von acht Minuten auf der
Wache sein muss (Urteil vom 21.2.2018,
Az. C-518/15). Interessant ist hierbei die
Begründung. Diese stellt nicht darauf ab,
dass der Arbeitnehmer seinen Aufent-
haltsort faktisch nicht auswählen kann.
Vielmehr beschreiben die Richter, dass
die Wartezeit ausreichend bemessen
sein muss, damit Zeit für eigene Tätig-
Für Abweichungen von den strengen Voraussetzungen des Arbeitszeitgesetzes
(ArbZG) bildet § 7 ArbZG die Grundlage. Insbesondere Tarifverträge nehmen hierbei
eine wichtige Funktion ein.
Zunächst muss ein Tarifvertrag existieren, der sich des Themas „Arbeitszeit“ – was regel-
mäßig der Fall ist – angenommen hat. Sofern das Unternehmen tarifgebunden ist, sind
diese Regelungen ohnedies anzuwenden. Nicht tarifgebundene Unternehmen können
auf die abweichenden tariflichen Vorschriften Bezug nehmen. Der Großteil der tarifver-
traglichen Öffnungsklauseln gibt die Kompetenz, Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz
festzulegen, an die Betriebspartner weiter, sodass Vereinbarungen über Bereitschafts-
dienste in der Regel nur durch Betriebsvereinbarung möglich sind.
Nach § 7 ArbZG kann daher in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in
einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zugelassen werden,
• die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit
regelmäßig und in erheblichem Umfang eine Arbeitsbereitschaft oder Bereitschafts-
dienst fällt.
• die Ruhezeiten bei der Rufbereitschaft den Besonderheiten dieses Dienstes anzupas-
sen, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während
dieses Dienstes zu anderen Zeiten auszugleichen.
Besteht kein Betriebsrat, so gibt das Gesetz aber auch hier die Möglichkeit, Abweichun-
gen rechtswirksam vorzunehmen, die dann individualvertraglich vereinbart werden
können (§ 7 Abs. 3 ArbzG).
Legal vom Arbeitszeitgesetz abweichen
AUSNAHMEN
ARBEITSZEIT
Die Grafik zeigt die Varianten beim Bereitschaftsdienst und deren Folgen. Gilt der klassi-
sche Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit, ist bei der Rufbereitschaft zu differenzieren.
Mitarbeiter halten sich
im Unternehmen bereit
und nehmen die Arbeit
bei Bedarf zeitnah auf.
Mit Abruf beginnt die
Arbeitsschicht und
das Arbeitszeitgesetz
ist zu beachten.
Varianten beim Bereitschaftsdienst
Bereitschafts-
dienst
Arbeits-
bereitschaft
Rufbereitschaft
Mitarbeiter sind am
Arbeitsplatz anwe-
send und jederzeit
einsatzbereit.
Wartezeit ist
keine Arbeitszeit
Diese Formen sind immer Arbeitszeit
im Sinne des Arbeitszeitgesetzes
EuGH hat entschieden, dass die Warte-
zeit dann Arbeitszeit ist, wenn der Abruf
innerhalb kurzer Zeit erfolgen kann.
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