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05/18 personalmagazin
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deutlich aktiver geworden, haben mehr
Unternehmen (rund 13.000) und Mit-
arbeiter (rund 1,39 Millionen) erreicht
und die Ausgaben deutlich erhöht – im
Jahr 2016 auf 147 Millionen Euro.
Allerdings sind viele Punkte noch un-
geklärt, die gesetzten Ziele werden bis
heute nur in Teilen erreicht. So gelingt es
nicht, die Vielzahl an kleinen Unterneh-
men zu adressieren. Die hierfür vorgese-
henen regionalen Koordinierungsstellen
sind nun zu einer einzigen Website ge-
worden, die erst im Frühjahr 2017 live
gegangen ist. Dass so gerade kleine
Unternehmen zu mehr betrieblicher Ge-
sundheit angeregt werden, ist nicht zu
erwarten – in Hintergrundgesprächen
berichten mehrere Krankenkassen von
nur vereinzelten Anrufen.
Die mit dem Präventionsgesetz ge-
schaffene Möglichkeit für Betriebsärzte,
im Rahmen der arbeitsmedizinischen
Untersuchungen Präventionsempfeh-
lungen zu geben, die von den Kassen bei
der Entscheidung über die Erbringung
von Präventionsleistungen berücksich
tigt werden müssen, sind bis heute nicht
richtig anwendbar. Es fehlen schlicht
die Regelungen dazu. Auch die vorge-
schriebene Zusammenarbeit der Kassen
mit den anderen Sozialversicherungs-
trägern wie etwa den Berufsgenossen-
schaften findet nur in Teilen statt – ein
wirklich großer Wurf fehlt.
Fazit:
Das Präventionsgesetz wirkt
positiv auf die betriebliche Gesundheit,
jedoch bleibt es bislang hinter den Er-
wartungen zurück. In Anbetracht der
massiven Zuwächse beim Budget wer-
den noch immer viel zu wenige Betriebe
erreicht, gerade Kleinstunternehmen
profitieren quasi gar nicht. Es bedarf
einer besseren, konsequenteren Um-
setzung. Eine wirkliche Bewertung ist
jenseits der jährlich veröffentlichten Prä-
ventionsberichte erst für 2019 geplant.
Die Arbeitswelt verändert sich –
BGM liebt klassische Strukturen
Die Digitalisierung durchdringt schon
heute fast alle Produktionsprozesse
und führt zu einer zunehmenden De-
materialisierung der Wirtschaft an
sich. Dass Software die Welt frisst, ist
eines der prominentesten Zitate des
Netscape-Mitbegründers Marc An-
dreessen. Doch was bedeutet es für die
Arbeitswelt, wenn alles digital abläuft,
wenn alles „zur App wird“? Die Diskus-
sion um die Auswirkungen der Digita-
lisierung auf die Arbeit entwickelt sich
schnell in eine Diskussion um die Frage
der Zukunft der Arbeit an sich. Hat Ar-
beit, wie wir sie kennen, eine Zukunft?
Was bleibt noch an Arbeit für den Men-
schen? Jenseits dieser häufig geführten,
oft philosophisch anmutenden Debatten
bleibt festzuhalten: Die heutige Arbeits-
welt ist eine andere als zu den Zeiten,
da die BGM-Idee entstanden ist. Sie ist
entgrenzter, viel mobiler, setzt weni-
ger auf Präsenz und doch auch wieder
mehr auf Vernetzung. Sie bringt eine
Vielfalt komplett neuer Arbeitsmodelle
hervor. Die Komplexität insgesamt wird
größer. Die neuen digitalen Hilfsmittel
ermöglichen es uns, viel effizienter zu
arbeiten und fördern Multitasking. Das
ist positiv, führt aber auch zu ganz neu-
en Belastungen. Laut einer Umfrage der
Pronova-BKK unter mehr als 1.600 Be-
schäftigten von 2016 ist die größte Be-
lastung der Arbeitnehmer der Termin-
druck. Das ist umso erstaunlicher, als
Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit
heute mehr Freiheiten für den Einzel-
nen schaffen sollen.
Fazit:
Das BGM selbst hat es in den ver-
gangenen Jahren weitgehend versäumt,
den Wandel der Arbeitswelt nachzu-
vollziehen. Weitgehend beschränkt es
sich auf Großunternehmen mit festen
Strukturen und erreicht vor allem die
Mitarbeiter, die klassisch im Büro sitzen
und eine Grundsensibilisierung für die
eigene Gesundheit haben. Durchschnitt-
lich werden so zehn bis 20 Prozent der
Mitarbeiter mit BGM erreicht. Nötig ist
daher ein wirklicher Paradigmenwechsel,
vom BGM zum BGM 4.0, um dem Wandel
der Arbeitswelt nicht zum Opfer zu fal-
len. Denn BGM kann nur effektiv sein,
wenn es die Lebens- und Arbeitsrealität
der Menschen abbildet und diesen Unter-
stützung anbietet.
DR. OLIVER TIMO
HENSSLER
ist
Leiter BGM Konzeption,
Moove GmbH.
Auf die Gesamtzahl der
Unternehmen in Deutsch-
land bezogen betreibt
nur etwa
ein Prozent
BGM systematisch.
Die Ausgaben der Krankenkassen für die betriebliche Gesund-
heitsförderung haben sich
von 2015 auf 2016 fast verdoppelt.
147 Mio. Euro
76 Mio. Euro
2016
2015
1%
Trotz massiver finanzieller Unterstützung durch die gesetzlichen Krankenkassen ist BGM
bislang vor allem ein Kürprogramm der größeren und ganz großen Unternehmen.
QUELLE: PRÄVENTIONSBERICHT GKV-SPITZENVERBAND
EFFEKT UND INVESTITION