personalmagazin 3/2017 - page 69

03/17 personalmagazin
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DR. OLIVER BERTRAM
ist
Fachanwalt für Arbeitsrecht
und Partner bei Taylor Wes-
sing Rechtsanwälte.
JAN PATRICK VOGEL
ist
Fachanwalt für Arbeitsrecht
und Senior Associate bei Tay-
lor Wessing Rechtsanwälte.
benenfalls noch nicht von einer etwa-
igen Übertragung der Unternehmer-
pflichten oder dem Monitoringprozess
abgedeckt wären. Insoweit führt die
Implementierung des Prozesses zur
künftigen Beauftragung nahezu zwin-
gend dazu, sich auch mit kritischen Be-
standsfällen auseinanderzusetzen.
Zur operativ schonenden Umstel-
lung nicht werkvertragskonformer
Beauftragungen sollte ein externer
Prüfer mit der Identifikation der Be-
standsfälle betraut werden. Denn
würde unternehmensintern ein Um-
stellungsbedarf ermittelt, so müsste
die Beauftragung unverzüglich ge-
stoppt und umgestellt werden.
Wird ein Bestandsfall als kritisch er-
mittelt und deshalb entweder beendet
oder werkvertragskonform umgestellt,
wirft dies Fragen auf: In welcher Hö-
he sind Beitragsnachzahlungen zur
Sozialversicherung zu leisten? Welche
umsatz- oder lohnsteuerrechtlichen
Folgen sind mit der Identifikation der
korrigierten Fehlabgrenzung verbun-
den? Es sollte daher frühzeitig eine
Verständigung mit den zuständigen Be-
hörden (Deutsche Rentenversicherung,
Hauptzollamt, Staatsanwaltschaft)
hinsichtlich der Abwicklung etwaiger
Nachzahlungen gesucht werden. Hier-
durch wird das Risiko einer anlass­
bezogenen Betriebsprüfung oder eines
Ermittlungsverfahrens ganz erheblich
gemindert bis nahezu ausgeschlossen.
Rückblick: Ist Selbstanzeige nötig?
Insbesondere wenn sich bei der Ein-
führung des oben geschilderten Beauf-
tragungsprozesses sowie der Analyse
der Bestandsfälle vermehrt Störfälle
zeigen, sollten ebenfalls die bereits ab-
geschlossenen Fremdpersonalbeauf-
tragungen (Altfälle) dahingehend
überprüft werden, ob ein etwaiger Kor-
rekturbedarf in Bezug auf nicht abge-
führte Sozialversicherungsbeiträge im
verjährungsrelevanten (Vierjahres-)
Zeitraum besteht. Die Identifikation
der für den Sozialversicherungsbeitrag
relevanten Fälle kann hierbei in der-
selben Weise wie die Identifikation der
Bestandsfälle erfolgen.
Damit die Vorbereitung einer sol-
chen sozialversicherungsrechtlichen
Selbstanzeige angesichts der Masse
der zu prüfenden Fälle praktisch um-
setzbar bleibt, kann die Identifikation
stichprobenbasiert erfolgen und die
Höhe der nachzuzahlenden Sozial-
versicherungsbeiträge anhand ver-
schiedener Schlüssel entsprechend
hochgerechnet werden. Bei diesem
Vorgehen ist jedoch zwingend vor
Beginn der Identifikationsphase ei-
ne Verständigung mit der Deutschen
Rentenversicherung und der zuständi-
gen Staatsanwaltschaft herzustellen.
Ausblick: Sauberen Prozess schaffen
Zur Umstellung einer bislang unge-
steuerten Beauftragung von Fremd-
personal hin zu einem rechtssicheren
Beauftragungsprozess kann nur ein-
dringlich geraten werden. Das Risiko
eines (Schein-)Werk- oder Dienstver-
trags ist nicht nur ein monetäres, son-
dern exponiert die Geschäftsführung
vor allem in strafrechtlicher Hinsicht.
Dazu ist es nahezu unumgänglich,
dass auch Bestands- und Altfälle ge-
prüft und entsprechend aufgelöst
werden. Nur so kann das Strafbar-
keitsrisiko hinreichend eingegrenzt
werden. Die staatsanwaltlichen Er-
mittlungsbehörden sehen es jedenfalls
als eine Organisationspflicht eines Ge-
schäftsführers an, die Beauftragungs-
prozesse „compliant“ zu gestalten und
dies regelmäßig zu revisionieren.
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