personalmagazin 3/2017 - page 66

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RECHT
_FREMDPERSONALEINSATZ
personalmagazin 03/17
A
m 1. April 2017 tritt die Re-
form des Arbeitnehmerüber-
lassungsgesetzes (AÜG) in
Kraft. Das neue AÜG gestaltet
Zeitarbeit komplexer und unflexibler,
Unternehmen dürften daher reflexartig
wieder vermehrt auf die vermeintlich
anwenderfreundlicheren Werk- und
Dienstverträge zurückgreifen. Deren
Einsatz ist jedoch riskant, denn wenn
ein gewollter Werk- oder Dienstvertrag
in der Abgrenzung zu einer erlaubnis-
pflichtigen Arbeitnehmerüberlassung
unsauber umgesetzt wird, drohen gra-
vierende Rechtsfolgen bis hin zu einer
Strafverfolgung der Geschäftsführung.
Dieses Risiko wird durch das neue
AÜG erheblich verschärft, weil es künf-
tig nicht mehr durch eine vorsorgliche
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis
des Auftragnehmers vom Kunden ab-
geschirmt werden kann. Denn ab April
muss ein Arbeitnehmerüberlassungs-
vertrag auch ausdrücklich als ein solcher
bezeichnet werden. Anlass genug, den
Beauftragungsprozess für den Einsatz
von Fremdpersonal rechtssicher neu zu
gestalten und Altrisiken aus unsauberen
Beauftragungen zu identifizieren.
Fremdpersonaleinsatz: die Risiken
Das Risiko eines Abgrenzungsfehlers
ist im geänderten AÜG eher versteckt:
So führt ein (Schein-)Werk- oder Dienst-
vertrag – also der Einsatz von Mitarbei-
tern des Auftragnehmers auf Grundlage
eines „gewollten“ Werk- oder Dienstver-
trags mit hoher Personalintegration in
Von
Oliver Bertram
und
Jan Patrick Vogel
Werkverträge sicher abgrenzen
TREND.
Nachzahlung, Strafverfolgung, Bußgeld: Die AÜG-Reform erhöht das Risiko
beim Fremdpersonaleinsatz. Unternehmen müssen daher ihre Prozesse überprüfen.
den Betrieb des Auftraggebers – dazu,
dass ein (ungewolltes) Arbeitsverhältnis
zwischen dem eingesetzten Mitarbeiter
des Auftragnehmers und dem Auftrag-
geber entsteht.
Dieser Mitarbeiter kann dann zu-
nächst Nachvergütungsansprüche gegen
den Auftraggeber auf dem Vergütungs­
niveau des Kundenbetriebs (sogenanntes
„Equal Pay“) verlangen. Hiermit einher
geht die Verpflichtung des Auftragge-
bers, Sozialversicherungsbeiträge für
den eingesetzten Mitarbeiter ab Einsatz-
beginn abzuführen. Dies wiederum birgt
ein empfindliches Strafbarkeitsrisiko in
sich. Denn die Gefahr einer Strafverfol-
gung nach § 266a StGB („Hinterziehung
von Sozialversicherungsbeiträgen“) be-
steht schon dann, wenn in dem Betrieb
des Auftraggebers Kenntnis von den tat-
sächlichen Umständen des Fremdperso-
naleinsatzes besteht. Es muss nicht das
Bewusstsein bestehen, dass dies nur
scheinbar einem Werk- oder Dienstver-
trag entspricht. Somit entlastet es die
Geschäftsführung nicht, wenn sie über
die rechtliche Einordnung des Vertrags
im Irrtum war – wenn sie also für ein
nach objektiven Kriterien gegebenes Ar-
beitsverhältnis fälschlicherweise einen
Werk- oder Dienstvertrag als vertrag-
liche Gestaltung gewählt hat. Dass ein
(Schein-)Werk- oder Dienstvertrag auch
ein Bußgeld bis zu 30.000 Euro für das
Unternehmen und die Geschäftsführung
nach sich ziehen kann, fällt in Ansehung
der Strafandrohung kaum noch ins Ge-
wicht. Das Risikobild eines (Schein-)
Werk- oder Dienstvertrags wird dadurch
abgerundet, dass die Geschäftsführung
von den Sozialversicherungsträgern per-
sönlich auf Zahlung der Sozialversiche-
rungsbeiträge in Anspruch genommen
werden kann.
Angesichts der empfindlichen Rechts-
folgen erscheint es unvermeidlich, ein
effektives Compliance-System zur künf-
tigen rechtssicheren Beauftragung von
Werkverträgen zu implementieren. Da-
zu sind folgende Schritte nötig:
Risikoeigner identifizieren
Ausgangspunkt jeder Compliance-Maß-
nahme im Themenspektrum der Fremd-
personalbeauftragung ist die Identifika-
tion der sogenannten Risikoeigner, also
derjenigen Personen im Unternehmen,
die Fremdpersonal beauftragen. Wäh-
rend die offen als solche bezeichnete
Arbeitnehmerüberlassung in der Regel
in den Personalabteilungen beauftragt
wird, werden Werk- und Dienstverträge
gewöhnlich in den Fachabteilungen ini­
tiiert und schließlich im Einkauf nach
Dass bei Scheinwerk­
verträgen ein Bußgeld
bis zu 30.000 Euro für
die Geschäftsführung
droht, fällt in Ansehung
der Strafandrohung
kaum ins Gewicht.
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