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03/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
dazu führen, dass die Geschäftsführung
bereits für jede fehlerhafte Fremdperso-
nalbeauftragung strafrechtlich haftet,
weil sie nicht für einen rechtssicheren
Beauftragungsprozess gesorgt hat.
Die Haftung kann dadurch abgemildert
werden, dass die Pflichten zur Sicher-
stellung einer abgrenzungssicheren Be-
auftragung von Fremdpersonal auf den
jeweiligen Beauftrager oder Einkäufer
übertragenwerden. DieGeschäftsführung
hätte dann ihrer Organisationspflicht
zunächst Genüge getan. Sie müsste sich
lediglich mittels ordnungsgemäßer Com-
pliance durch stichprobenhafte Überprü-
fung vergewissern, dass auf der Ebene
der Beauftrager die definierten Prozesse
und Kriterien eingehalten werden. Die
Übertragung der Unternehmerpflichten
ist durch ein Beratungsangebot an die Be-
auftrager zu flankieren. Dafür kann sich
das zunächst ad hoc eingerichtete Erste-
Hilfe-Gremium zu einer dauerhaften
unternehmensinternen Serviceeinheit
entwickeln. So können die Beauftrager
in komplexen Grenzfällen mit hohem Ri-
sikopotenzial juristisch und mit Umset-
zungsempfehlungen beraten werden.
Die geschilderte Übertragung der Un-
ternehmerpflichten ist schließlich revisi-
onsfest auszugestalten. Das bedeutet: Es
muss fortlaufend, stichprobenhaft und
vor allem dokumentiert geprüft werden,
ob Fremdpersonal abgrenzungskonform
beauftragt und auch entsprechend des
Beauftragungsinhalts eingesetzt wurde.
Alternativ: dauerhaftes Monitoring
Ist eine solche Übertragung der Unter-
nehmerpflichten aus kulturellen Grün-
den nicht gewollt, kommt als Alternati-
ve nur ein fortlaufendes, engmaschiges
juristisches Monitoring jeder Fremd-
personalbeauftragung in Betracht, um
die strafrechtliche Verantwortung der
Geschäftsführung zu begrenzen. Es
Ergänzung der kommerziellen Einsatz-
bedingungen abgeschlossen. Somit be-
steht meist eine Doppelverantwortlich-
keit und damit auch ein Spannungsfeld.
Der Bedarfsträger benötigt „jetzt“ die
fachliche Unterstützung des Fremdper-
sonals, der Einkauf hat „günstig“ und
„schnell“ einzukaufen. Jedenfalls sind
rechtliche Bedenken unerwünscht.
Nachdem die Risikoeigner identifi-
ziert sind, sollte eine Richtlinie über die
Beauftragung von Fremdpersonal aus-
gegeben werden. Diese dient dazu, die
Risikoeigner allgemein zu sensibilisie-
ren und insbesondere die Risiken auf-
zuzeigen, die mit einer Fehlabgrenzung
von Werkverträgen und Arbeitnehmer­
überlassung einhergehen. Fehlabgren-
zungen werden so in einem Frühstadium
der Compliance-Maßnahme zumindest
abgemildert. Zugleich werden besonders
risikogeneigte Geschäftsfelder, in denen
in der Vergangenheit nicht rechtssicher
Werk- oder Dienstverträge beauftragt
wurden, vor Umsetzung des eigentlichen
HR-Compliance-Prozesses sichtbar.
Meist dürfte die Sensibilisierung der Ri-
sikoeigner auch zur Eskalation im beste-
henden Beauftragungsprozess führen.
Im Zusammenhang mit dieser Eskala-
tion werden einzelne Bedarfsträger die
Beauftragung von Fremdpersonal in der
gewohnten (rechtsfehlerhaften) Praxis
zunächst einfach stoppen, um nichts
mehr falsch zumachen. Umsolche Beauf-
tragungsblockaden zu verhindern, kann
zeitgleich mit der Ausgabe der Richtlinie
ein übergeordnetes Erste-Hilfe-Gremium
(zumBeispiel in der Rechtsabteilung) ge-
schaffen werden. Dieses berät – wenn
nötig – die Bedarfsträger und den Ein-
kauf dahingehend, wie die Beauftragung
in operativer Hinsicht „werkvertragsfä-
hig“ ausgestaltet werden kann, oder in
welcher Vertragsform sie ohne operative
Umstellung umzusetzen ist.
Beauftrager begleitend schulen
Zweiter Schritt der Implementierung
eines abgrenzungssicheren Beauftra-
gungsprozesses ist die verpflichtende
Schulung der Risikoeigner in Bezug auf
die Abgrenzungskriterien zwischen Ar-
beitnehmerüberlassung einerseits und
Werk- oder Dienstverträgen anderer-
seits (siehe Übersicht: Dos and Don‘ts).
Begleitet werden sollten die Schulun-
gen durch die Ausgabe von Prüfhilfen
(Checkliste zur Prüfung des Einzelfalls)
und Arbeitshilfen (Musterverträge,
Beauftragungsvorlagen et cetera). Aus-
gangspunkt der Schulung sollte dabei
sein, dass es für jede abgrenzungssi-
chere Beauftragung eines Werk- oder
Dienstvertrags zwingende Vorausset-
zung ist, eine aus sich heraus für den
Auftragnehmer allein umsetzbare Leis-
tungsbeschreibung mit entsprechen-
den Meilensteinen aufzusetzen. Ist dies
nicht möglich, weil die benötigte Leis-
tung zu generisch ist („Unterstützung“),
sollte allein die Beauftragungsform ei-
ner offenen Arbeitnehmerüberlassung
gewählt werden. Mit der Schulung sollte
zudem eine weitergehende Risikosensi-
bilisierung – auch für die Strafbarkeit
des einzelnen Beauftragers – erfolgen.
Haftung mildern, Pflicht übertragen
Letztlich treffen die Strafbarkeitsrisiken
eines fehlerhaften Fremdpersonalein-
satzes primär jedoch die Geschäftsfüh-
rung – des Auftraggebers wie auch des
Auftragnehmers. Weil es in Deutsch-
land kein Unternehmensstrafrecht gibt,
werden für solche, aus dem Unterneh-
men heraus begangene „Arbeitgeber-
Straftaten“ die vertretungsberechtigten
Organe der Gesellschaft strafrechtlich
belangt. Dies gilt bereits dann, wenn sie
ihren Organisationspflichten schuldhaft
nicht nachgekommen sind. Als eine sol-
che Pflicht sehen es die Strafbarkeitsbe-
hörden heutzutage an, dass ein rechts-
sicherer Beauftragungsprozess für
Werk- oder Dienstverträge implemen-
tiert und revisioniert wird. Dies kann
HINWEIS
Die im geänderten AÜG vorgesehenen Rechtsfolgen bei Abgrenzungsfehlern sind gravierend und
veranlassen viele Unternehmen zur Prüfung der eigenen Praxis. In diesem Zusammenhang star-
tet Haufe im März eine Webinar-Reihe zum Fremdpersonaleinsatz in Unternehmen. Themen sind
neben Details zur AÜG-Reform auch Risiken sowie typische Abgrenzungs- und Compliance-Fragen
beim Fremdpersonaleinsatz. Nähere Informationen dazu unter
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